Besser präsentieren : "What's in it for me?": Präsentieren mit dem Wissen der Hirnforschung

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie sitzen mit Ihrer Liebsten im Kino und kurz vor Beginn des Hollywood-Blockbusters taucht plötzlich jemand vor der Leinwand auf und präsentiert Ihnen Auszüge aus dem Drehbuch. Diese Person schildert Ihnen genau, welche Abschnitte Sie im Film wo erwarten können. Wahrscheinlich werden Sie in diesem Moment etwas unrund fühlen und würden diesen Menschen am liebsten von der Bühne jagen.

So ähnlich fühlen sich unsere Emotions-Schaltzentralen im Gehirn, wenn Produkte mit PowerPoint-Folien präsentiert werden, die eine fortlaufende Inhaltsangabe auf jeder Folie abbilden und die Zuhörer genau wissen lassen, was als nächstes an die Reihe kommt.

Einer der größten Irrtümer bei Produktpräsentationen ist zum einen die inhaltlich zu detaillierte Übersicht und zum anderen der eigene Anspruch vieler Verkäufer und Produktmanager auf Vollständigkeit. Eine durchgehend sichtbare Strukturierung der Inhalte führt in den meisten Fällen zu starker Deaktivierung des menschlichen Belohnungssystems. Das Gehirn langweilt sich dabei sehr rasch und stellt sich unbewusst die Frage: Wie lange dauert das noch? Das Präsentieren mit detaillierten Produkteigenschaften muss heute durch wirkungsvolles Präsentieren ersetzt werden. Dies beginnt schon beim Start.

Anfang und Ende

Es liegt in der Natur des Menschen, dass wir überrascht werden wollen. Daher gilt für gehirngerechte Präsentationen: Keine detaillierte Inhaltsangabe auf den Folien – befolgen Sie besser das Credo "Seien Sie nicht vorhersehbar!"

Besonders wichtig ist der Anfang einer Präsentation, da hier das sogenannte "Priming", eine Art Prägung für alles Weitere, manifestiert wird. Da sich Zuhörer nur eine zentrale Frage stellen, "What's in it for me?", sollte am Beginn ein emotionales Highlight am Programm stehen. Dies kann eine emotionale Story, eine Analogie oder auch eine spannende Frage sein. Wichtig ist, dass in dieser Phase emotionale Relevanz bei den Zuhörern erzeugt wird. Innovative Produktideen sollten erst im Finalteil konkret verraten werden, denn es braucht Spannung und Dramaturgie, wenn wir unsere Lösungen "verkaufen" wollen.

Konkret bedeutet das: Emotionaler Start und emotional bewegendes Ende. Der Grund für die hohe Wirksamkeit dieser Strategie liegt vermutlich darin, dass das menschliche Gehirn für den Gesamteindruck den Mittelwert aus Anfangs-Emotion und End-Emotion bildet.

Emotionale Relevanz

Die meisten Industriepräsentationen sind heute zu rational, zu technisch und nach starren vorgegebenen Strukturen aufgebaut. Der Nachteil liegt darin, dass die Informationen dadurch zu wenig "verkaufen" und Anreize zu motivationalem Handeln auf Kundenseite ausbleiben. Viele Präsentatoren verwechseln Präsentationen oft mit Dokumentationen. Eine Präsentation hat das Ziel, die Zuhörer zu verändern beziehungsweise zum Handeln zu inspirieren und nicht nur zu informieren.

"Präsentieren Sie nicht für Ihre Kunden, sondern für deren emotionales Gehirn“, ist in diesem Zusammenhang eines der zentralen Leitmotive der Neurokommunikation. Die Erkenntnisse der modernen Gehirnforschung haben eindrucksvoll gezeigt, dass Entscheidungen und motiviertes Handeln in den Kundenköpfen anders entstehen, als bisher angenommen wurde. Seit Wissenschaftler die Möglichkeit haben, dem Gehirn beim Denken zuzusehen, gibt es sensationelle neue Erkenntnisse darüber, wie Informationen wirklich verarbeitet werden und zum Handeln motivieren.

Kontraste zum Spüren

Eine wichtige Zutat einer gelungenen Präsentation ist der Einsatz von Kontrasten. Um Produkteigenschaften und Kernvorteile im Vergleich zu Mitbewerbern eindrucksvoll zu präsentieren, genügt es nicht, die technischen Argumente und Materialqualitäten aufzuzeigen. Diese Aspekte berühren die meisten Entscheider, vom Einkaufsleiter bis zum Geschäftsführer, in der Regel wenig. Wichtiger ist es, Kontraste wie früher-heute, klassisch-innovativ, Gewinn-Verlust oder männlich-weiblich zu kommunizieren, um darauf die Produktvorteile zu verankern. Diese Strategie der Gegensätze gilt als eine bedeutende "biologische Grundlage" der effektiven menschlichen Kommunikation.

Kontraste sind das Herzstück jeder Präsentation, weil sich Menschen von Dingen angezogen fühlen, die auffallen. Diese Polarität ist der Antrieb, der beim Publikum Spannung und Bewegung erzeugt und damit Emotionen weckt. Kontraste docken an die "Pain Points" der Kunden an, die wiederum das eigentliche Motiv für Kaufakte sind.

Zum Beispiel erzählt ein österreichischer Hersteller von Dichtungsbahnen die authentische Geschichte eines Unternehmers, der durch langjährigen Preisdruck am Markt kurz vor der Insolvenz stand. Durch den Einsatz der neuen rasch verlegbaren Dichtungsbahnen erhöhte sich in kurzer Zeit das Marktpotential des Unternehmers und führte ihn wieder auf die Erfolgsstraße zurück. Dieser Gegensatz "von Unten nach Oben“ als kontrastierendes Element hält die Aufmerksamkeit der Zuhörer wach, da sie es lieben, einen Konflikt und dessen Lösung mitzuerleben.

Neue Medien, iPad, Smartphone und Co haben durch ihre Infotainment-Wirkung das menschliche Belohnungssystem in den emotional relevanten Hirnregionen verstellt. Präsentationen brauchen daher neue Strategien, um zu überzeugen. Wichtig ist es, die analytische und die emotionale Wirkung ausgeglichen zu halten und aus der linearen Folienpräsentation herauszukommen.

DI Jürgen Wieser ist Gesellschafter bei Limbio Business OG in Kapfenberg und als Coach für Neurokommunikation in B2B und B2C in Österreich und Deutschland tätig. Zusätzlich hält er in Zusammenarbeit mit dem INDUSTRIEMAGAZIN Seminare zum Thema "Brainwork statt Buzzwords. Mit den Erkenntnissen der Hirnforschung besser präsentieren" .