KI : Was kann künstliche Intelligenz in der Logistik leisten?

Er ist ein Umschlagplatz der Superlative. Von Rotterdam bis zur Nordsee, auf unglaublichen 42 Kilometern, erstreckt sich der Hafen Rotterdam. Jedes Jahr schlagen hier über 140.000 Schiffe ihre Güter um. Die Digitalisierung hat hier ebenfalls längst angedockt. Intelligente Kaimauern und mit Sensoren ausgestattete Bojen helfen beim Laden und Löschen. Per Machine-Learning-Algorithmus wird aus Datenmustern der optimale Ort und Zeitpunkt für das Anlegen der Schiffe bestimmt. Autorisiert die Daten zu nutzen ist jeder, der den Hafen anfährt. Das Tool dahinter – eine IoT- Software – kommt von IBM. Die wiederum nutzt Machine-Learning-Komponenten von Watson, der KI-Software des amerikanischen Softwareunternehmens. Sie maximiert die Auslastung des Megahafens und bringt Reedereien beachtlich kürzere Liegezeiten, im Extremfall sogar bis zu einer Stunde.

Technologiehungrig

Geldwerte Motivation in Künstliche Intelligenz zu investieren, gab es in Rotterdam also aus gutem Grund. Auch Logistiker, die nicht gleich einen ganzen Hafen betreiben, lassen die Möglichkeiten von KI aufhorchen. Zwei von drei deutschen Logistikern sind laut Logistik-Trend-Index bereit, den Einsatz Künstlicher Intelligenz immerhin einmal auf Marktchancen abzuklopfen. Auf maschinelles Lernen spezialisierte Unternehmen wie Anyline sind es, die es aktuell in die Schlagzeilen schaffen: Die Wiener sorgen mit einer Texterkennung auf Basis Künstlicher Intelligenz für Tempo in der Lieferkette. Per Scanner lassen sich Seriennummern und sogar ganze Dokumenteninhalte scannen. Der Schleifmittelhersteller Tyrolit setzt die Technologie schon zur Optimierung im Warenein- und -ausgang ein.

Speziell dort, wo sich Routinen abbilden lassen, habe Künstliche Intelligenz Potenzial, meint Franz Staberhofer, Leiter des Logistikums Steyr und Obmann des Vereins Netzwerk Logistik. Der Bereich Forecast Disposition schreie salopp gesagt förmlich danach, „über eine Softwareintelligenz ergänzt oder gar ersetzt zu werden“, sagt er. Gar nicht so sehr die Logistikunternehmen sehe er jetzt in der Pflicht zu handeln – er sehe mehr die kommerziellen Lieferanten von KI-Technologien in der Bringschuld. Künstliche Intelligenz und deren am Markt erhältlichen Produkte auf die Anforderungen einzelner Branchen oder gar spezieller Anwendungen herunterzubrechen, falle den Anbietern offenbar noch schwer. Dass die Realität nicht mit den Gerüchten über die Potenziale von Künstlicher Intelligenz Schritt halte, sei verkraftbar. Das überbordende Marketing vieler der großen Player schon weniger: „Würden sie mehr Kraft in die Lösungen und weniger in Powerpoint investieren, könnten wir schon viel weiter sein“, sagt er.

Computer als Taktgeber

Die Grenzen des Möglichen verschieben unterdessen KI-Forscher wie Sepp Hochreiter in Linz oder Robert Trappl in Wien. Seit Kurzem ist die Bundeshauptstadt auch um ein CD-Labor für Künstliche Intelligenz reicher. Das an der TU beheimatete Labor nimmt sich die Optimierung von Planungs- und Schedulingprozessen zum Ziel. Laborleiter Nysret Musliu sucht die optimalen Methoden für die Taktung von Arbeitsabläufen – und will auch nicht davor zurückscheuen, diese ganz unkonventionell untereinander zu kombinieren.

Nicht abschreiben darf man freilich die klassische angewandte Statistik. Vor wenigen Wochen reichte die FH Steyr mit einem deutschen Automobilisten, einem Einzelhändler und drei weiteren akademischen Partnern beim Fördergeber Josef Ressel Zentrum für Echtzeitvisualisierung von Wertschöpfungsnetzwerken ein. Eine Facette der Arbeit am beantragten Zentrum soll sein, einen Bewertungsmaßstab für die Kritizität von Prozessen und Ereignissen entlang des ganzen Wertschöpfungsnetzwerks von Unternehmen zu entwickeln, der mehr (Gesamt-)Prozessstabilität bringt. „Das Ziel sind noch bessere Supply-Chain-Designs“, erklärt Markus Gerschberger, Professor und Leiter Forschung Supply Chain Management am Logistikum der FH Steyr.