Expertenrunde : Was bringt eine Grundsteuer-Reform wirklich?
INDUSTRIEMAGAZIN: Die Notwendigkeit einer Grundsteuerreform wird von kaum jemand geleugnet. Die Einheitswerte, von denen sich die Steuer ableitet, sind seit über dreißig Jahren nicht an die Realität angepasst worden. Trotzdem passiert nichts. Warum eigentlich?
Pildner-Steinburg: Es gibt keinen objektiven Grund. Aber es gibt starke Interessengruppen, die dagegen sind. Wie so oft, wenn irgendwo in Österreich Reformen anstehen, melden sich solche Gruppen zu Wort und versuchen sie zu konterkarieren. Dann wird die Reform so lang verwässert, bis sie keine Reform mehr ist, sondern nur noch als ein Placebo taugt.
Schratzenstaller: Das Problem ist: Je länger verschoben wird, desto schwieriger werden Veränderungen. Es wäre sinnvoll, die Bemessungsgrundlage an den Verkehrswert heranzuführen. Aber jedes Jahr, in dem das nicht passiert, vergrößert die Kluft zwischen Einheitswert und Verkehrswert. Und das bedeutet: Jedes Jahr müsste die Erhöhung größer ausfallen. Das perpetuiert sich also und macht die Reform immer schwieriger. Zugleich gibt es aber, wie eben gesagt, einflussreiche Gruppen, die eine Reform der Grundsteuer nicht wollen und dagegen arbeiten. Und auch bei manchen Gemeinden gibt es, glaube ich, nach wie vor viel Skepsis.
Feilmayr: Ich könnte mir vorstellen, dass es gerade dort, wo Gemeinden im großen Stil Hausherr von Wohnungen sind, wie etwa in Wien, die Befürchtung gibt, dass eine Erhöhung der Grundsteuer auf die Mieten durchschlägt. Und grundsätzlich gilt natürlich: Wer will schon Steuererhöhungen, wenn er nicht weiß, was er im Gegenzug dafür bekommt? Ich persönlich wäre ja bereit, mehr Grundsteuer zu bezahlen, wenn es in anderen Bereichen Entlastungen geben würde.
Mödlhammer: Um es ganz klar zu sagen: Die Gemeinden blockieren die Reform der Grundsteuer nicht. Im Gegenteil. Wir sind hier für eine rasche Lösung, weil die jetzige rechtliche Situation nicht haltbar ist und es zunehmend Klagen gibt. Die Grundsteuer ist eine ganz wichtige Säule der Gemeindefinanzierung und sie muss daher so schnell wie möglich reformiert werden, um die Gemeindefinanzierung sicherzustellen.
INDUSTRIEMAGAZIN:Sollen die Mehreinnahmen aus der Grundsteuer dann einfach als zusätzliche Finanzierung in die Gemeindekassen fließen oder soll es im Gegenzug in anderen Bereichen Entlastungen geben? Man könnte zum Beispiel die Kommunalsteuer senken, die den Faktor Arbeit belastet.
Mödlhammer: Also zu glauben, dass man mit der Erhöhung der Grundsteuer eine bundesweite Steuerreform finanzieren kann, ist absurd. Das wäre ja eine Schröpfungsaktion: Die Bürger zahlen für ihre Gemeinde und der Bund nimmt den Gemeinden dieses Geld dann wieder weg. Und zur Idee, die Kommunalsteuer abzuschaffen, kann ich nur sagen: Das wird es mit uns nicht geben. Das ist neben der Grundsteuer die zweite wichtige Einnahmequelle der Gemeinden. Die Gemeinden brauchen dieses Geld. Und abgesehen davon: Wenn die Kommunalabgabe wegfällt, dann wird keine Gemeinde mehr Interesse daran haben, dass sich Betriebe ansiedeln. Und das kann es ja auch nicht sein.
Schratzenstaller: Ich denke, es gibt unter Steuerexperten angesichts der hohen österreichischen Abgabenquote weitgehend Übereinstimmung darüber, dass die Grundsteuerreform nicht darauf hinauslaufen kann, dass man einfach eine Mehreinnahme schafft und so die gesamte Abgabenbelastung – also die Abgabenquote – erhöht. Ich glaube, dass man im Gegenzug über Entlastungen nachdenken soll, vor allem aber über eine grundlegende Strukturreform. Und da gehören auch Fragen der Gemeindefinanzierung geklärt, bis hin zu einer Reform des Finanzausgleichs. Wenn eine Grundsteuerreform mit echten Strukturreformen verknüpft wird, entsteht durchaus Spielraum für Entlastungen in anderen Bereichen. Zumal Österreich die Grundsteuer, die ein großes Potential hat, im internationalen Vergleich kaum adäquat ausschöpft.
Pildner-Steinburg: Es stimmt, dass die Grundsteuer eine Steuer ist, die nicht hinterzogen werden kann, weil Grund und Boden nicht abwandern können. So betrachtet ist sie eine Steuer, deren Erhöhung den Standort nicht so stark belastet, wie das bei anderen Steuern der Fall ist. Und sie ist jahrzehntelang nicht angepasst worden. Die Position der Industriellenvereinigung ist daher klar: Das gehört geändert, aber dann muss auch auf der Ausgabenseite gespart werden. Das wird dann letztlich bedeuten, dass der Staat nicht mehr alle Leistungen erbringen wird können, die er heute noch erbringt. Ich verstehe schon, dass die Gemeinden sich Sorgen machen, wie sie ihre Aufgaben bewältigen sollen. Und ich bin auch bereit, darüber zu diskutieren, wie man eine Finanzierung der Gemeinden sicherstellen kann. Aber zuerst müssen auch die Gemeinden ihre Hausaufgaben machen, sonst sind wir in hundert Jahren noch immer dort, wo wir sind.
Feilmayr: Letztlich ist es eine Aufgabe der Politik, zu entscheiden, ob und womit eine Grundsteuerreform verknüpft wird. Es ist aber klar, dass eine Zusatzbelastung ohne Gegenleistung kaum auf Zustimmung stoßen wird. Insofern sehe ich das schon so, dass eine Grundsteuererhöhung mit einer allgemeinen Steuerreform verknüpft gehört.
INDUSTRIEMAGAZIN: Sollte mehr Grundsteuer für die Gemeinden nicht auch bedeuten: mehr Verantwortung? Im Moment bekommen die Gemeinden Geld von Land und Bund und im Notfall gibt es Bedarfszuweisungen. Das fördert natürlich nicht unbedingt kostenbewusstes Denken der Bürgermeister.
Mödlhammer: Dass die Bürgermeister nicht kostenbewusst denken würden, dem muss ich ganz entschieden widersprechen. Angesichts der knappen Kassen können sie gar nicht anders. Aber wir sind sehr dafür, dass Gemeinden noch stärker als bisher eigenverantwortlich agieren sollen. Deshalb schlagen wir ja auch vor, dass eine Reform der Grundsteuer dazu genutzt wird, dass Gemeinden in einem vorgegebenen Rahmen über den Steuersatz selbst entscheiden können. Dadurch könnten Gemeinden Lenkungseffekte erzielen. Wenn sie von Absiedlung betroffen sind, wäre es naheliegend, die Grundsteuer etwas zu senken, wenn sie eigentlich nicht mehr wachsen wollen, könnten sie mit dem Steuersatz etwas raufgehen.
Schratzenstaller: Ich bin nicht grundsätzlich gegen einen Steuerwettbewerb, allerdings in relativ engen Grenzen. Und realpolitisch muss man auch sehen, dass das österreichische Föderalismusmodell schon sehr stark kooperativ ausgerichtet ist. Die Grundsteuer, deren Bemessungsgrundlage immobil ist, ist aber ohnehin wenig wettbewerbsanfällig. Und was Lenkungseffekte betrifft: Die Idee, mit der Grundsteuer Zuzug oder Abwanderung lenken zu wollen, ist nachvollziehbar. Andererseits, wenn es zum Beispiel darum geht, Zersiedelung zu verhindern, dann sind die Gemeinden wahrscheinlich nicht diejenigen, die ein solches Instrument in diese Richtung einsetzen würden. Zumindest so lange nicht, solange jeder zusätzliche Gemeindebürger mehr Geld bringt. Insofern halte ich es für sinnvoller, etwaige Lenkungseffekte in diesem Bereich über Gesetze zu erreichen und nicht über Steuern.
INDUSTRIEMAGAZIN: Egal, ob am Ende die Gemeinden einen gewissen Spielraum bei der Festsetzung des Steuersatzes haben werden oder nicht. Wie soll der Wert der Grundstücke bestimmt werden, ohne dass es zu einem endlosen Papierkrieg kommt wie in den siebziger Jahren?
Schratzenstaller: Mit den heute verfügbaren Technologien, wo Daten schnell miteinander verknüpft werden können, ist das viel einfacher als vor vierzig Jahren. Es gibt Kaufpreiserhebungen, Katasterwerte, Immobilienpreisindizes – aus all dem lässt sich sicher ein sinnvolles Pauschalierungsmodell entwickeln. Aber natürlich wird es am Ende immer eine Gratwanderung zwischen Einzelfallgerechtigkeit und administrativer Effizienz bleiben. Aber zu sagen, wir machen die Reform nicht, weil die Erhebung so kompliziert ist, das ist ein Killerargument.
Feilmayr: Zum Teil gibt es solche Modelle ja schon. Wir haben im Fachbereich Stadt- und Regionalforschung der TU Wien ein Programm entwickelt, das eine automatische Bewertung von Kleinimmobilien, also Eigentumswohnungen, Einfamilienhäusern und den entsprechenden Grundstücken, erlaubt. Da werden im Wesentlichen die folgenden Kenngrößen verwendet: Fläche, Lage, Baujahr und Zustand. Wobei beim Zustand vor allem der Punkt berücksichtigt wird, ob es seit der Erbauung Sanierungen gab oder nicht. Das sind alles Daten, die die Gemeinde im Prinzip selbst erheben und eingeben kann.
Mödlhammer: Die Versäumnisse der Vergangenheit müssen rasch aufgeholt werden, keine Frage. Man muss der Preisveränderung Rechnung tragen. Und das soll auf einem möglichst einfachen und unbürokratischen Weg passieren. Was allerdings bei dieser Diskussion oft vergessen wird: Da gab es Bewegung in beide Richtungen. Blumau ist sicher teurer geworden, Eisenerz billiger. Deshalb sind wir gegen eine Erhöhung in Bausch und Bogen.
INDUSTRIEMAGAZIN: Was geradewegs zur nächsten Frage führt: Wenn man sich auf einen Steuersatz geeinigt hat: Soll es dann Ausnahmen geben? Grundsteuer auf Eigenheim ist ja etwas anderes als Grundsteuer auf eine Fabriksfläche.
Schratzenstaller: Die Bemessungsgrundlage und der Steuersatz sind die zwei Stellschrauben, die es bei einer Steuer gibt. Wenn man die Bemessungsgrundlage anhebt, wobei das bei der Grundsteuer A sinnvollerweise nach Ertragswert und bei der Grundsteuer B nach dem Verkehrswert passieren sollte, kann man mit Hilfe des Steuersatzes verhindern, dass die Steigerung zu groß wird. Und es kann außerdem auch Steuerermäßigungen geben, zum Beispiel für durchschnittliche Eigenheime. Wenn die Steuer einen substanziellen Ertrag bringen soll, wäre ich aber gegen zu viele Ausnahmen und Befreiungen, wie wir sie im Moment noch in vielen Bundesländern haben: für neu geschaffenen Wohnraum, für kirchlich genutzte Bauten, für öffentliche Verkehrsflächen.
Pildner-Steinburg: Die Frage der Bewertung bedarf sicher einer genauen Justierung. Doch egal wie die Bemessungsgrundlage am Ende aussieht – man sollte einen Steuersatz festlegen, der für alle gilt. Ich bin kein Freund von Ausnahmen, weil die jede Maßnahme sehr schnell aushöhlen. Wenn man die Eigenheimbesitzer schützen will, dann wäre ich eher für eine Staffelung. Also dafür, dass man zum Beispiel sagt: Wir besteuern die ersten 500 Quadratmeter Grund – auf dieser Fläche steht in etwa ein durchschnittliches Einfamilienhaus – mit einem niedrigeren Steuersatz. Das würde dann aber für alle gelten. Und wer sein Eigenheim auf 5.000 Quadratmeter stehen hat, der wird sich hoffentlich auch die höhere Steuer leisten können.
Mödlhammer: Es ist klar, dass die Grundsteuer, die seit dreißig Jahren nicht mehr erhöht wurde, angehoben werden muss. Es kann aber nicht dazu führen, dass jemand, der zum Beispiel ein Haus erbt, sich dieses nicht leisten kann, weil die Steuer so hoch ist, und er es dann verkaufen muss. Das wäre ja eine eigentumsfeindliche Maß- nahme und das will hoffentlich niemand.
INDUSTRIEMAGAZIN: Gerade das ist ja auch ein Grund, warum gegen die Grundsteuer argu- mentiert wird. Weil sie eine Substanz-
steuer ist. Sollten wir deshalb doch auf eine Anhebung verzichten?
Feilmayr: Das ist eine grundsätzliche Frage. In den USA ist die Grundsteuer eine der größten Steuern überhaupt, dafür sind andere Steuern kleiner. Aber natürlich bringt eine hohe Grundsteuer die Gefahr, dass sich Leute bei einer Einkommensverschlechterung auf einmal ihre Häuser nicht mehr leisten können. Das ist in Amerika ja auch öfters der Fall, wie es dort überhaupt viel öfter der Fall ist, dass man Einfamilienhäuser kauft und dann wieder verkauft. In Österreich gibt es hingegen in diesem Bereich kaum Transaktionen. Da sind Österreicher sehr immobil. Aber deshalb auf eine Reform zu verzichten hielte ich für falsch.
Schratzenstaller: Eine Substanzsteuer kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass man eine Immobilie verkaufen muss, wenn man die Steuer nicht aus den laufenden Erträgen bezahlen kann. In den Größenordnungen, die eine – auch reformierte – Grundsteuer erreichen wird, sollte sie jedoch für jeden halbwegs gesunden Betrieb verkraftbar sein, zumal an anderer Stelle ja auch im Rahmen eines Gesamtreformkonzeptes entlastet werden soll. Im privaten Bereich, wenn ich mein Haus selbst bewohne, habe ich natürlich keine Erträge, da sieht es etwas anders aus. Aber auch da gibt es in einigen anderen Ländern die Auffassung, dass durch das Bewohnen des Hauses ein Nutzen, ein Einkommensvorteil entsteht, den man in Form von imputierten Mieten der Einkommensteuer unterwirft – oder alternativ eben der Grundsteuer. Und auch hier darf man nicht den Gesamt- kontext einer Grundsteuerreform – mit Entlastungen an anderer Stelle – vergessen. Ich würde den Vorwurf der Subs- tanzbesteuerung also als kein gutes Argument gegen die Grundsteuererhöhung werten. Da ist Österreich im internationalen Vergleich ohnehin sehr zurückhaltend.
Zu den Personen:
Margit Schratzenstaller, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Spezialistin für öffentliche Finanzen am österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WiFo
Jochen Pildner-Steinburg, Eigentümer der GAW in Graz, Präsident der steirischen Industriellenvereinigung
Wolfgang Feilmayr, Professor am Fachbereich Stadt- und Regionalforschung der TU Wien, Spezialist für Immobilienbewertungen
Helmut Mödlhammer, Präsident des österreichischen Gemeindebundes