Chemische Industrie : Vor der Fusion mit Praxair: Vorstände von Linde wollen Streit vermeiden

Der deutsche Industriegasekonzern Linde setzt auf eine Einigung mit der Belegschaft für den Zusammenschluss mit Praxair. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass die Arbeitnehmervertreter erkennen werden, dass diese Fusion auch in ihrem Interesse sein wird", so Vorstandschef Aldo Belloni auf der Jahrespressekonferenz in München, wo er erneut laut für den 60-Milliarden-Euro-Deal trommelte.

Bis zur Hauptversammlung im Mai sollen die Verträge ausgearbeitet sein. Auf die Frage, ob er die Pläne notfalls auch gegen den Willen der Gewerkschaften durchdrücken werde, antwortete der eigens für die Fusion zurückgeholte Manager: "Nein, das wäre schlecht." Nach Bellonis Worten gibt es inzwischen erste positive Signale von der Arbeitnehmerseite.

Aktuell zur angestrebten Fusion von Linde und Praxair:

Das sind die Eckpunkte der Linde-Praxair-Fusion >>

Linde-Chef will massiv Jobs abbauen - kurz bevor er selbst geht >>

Öffentlich hatten Betriebsräte und die IG Metall in den vergangenen Wochen schwere Bedenken gegen die Fusionspläne mit den Amerikanern angemeldet und sich trotz Beschäftigungsgarantien vereinzelt sogar klar dagegen ausgesprochen. Sie fürchten eine Aushöhlung der Mitbestimmung.

Belloni warb nun noch einmal für das Projekt: "Diese Fusion würde Wert schaffen und zwei führende Unternehmen für Industriegase zusammenbringen und deren jeweilige Stärke nutzen." Die Kartellprobleme seien lösbar, wie der Zusammenschluss des Erzrivalen Air Liquide mit Airgas gezeigt habe. Vor allem in Nordamerika müsste sich der dann neue Weltmarktführer von Standorten trennen.

Ängsten, Praxair-Chef Steve Angel würde Linde seinen Managementstil überstülpen, trat der bis 2018 berufene Belloni entgegen. "Ich kann Ihnen versichern, dass sich die zwei Betriebsführungsmodelle wesentlich weniger unterscheiden als seinerzeit bei der BOC-Übernahme." Der Kauf des britischen Rivalen BOC vor elf Jahren war die bisher größte Akquisition in der Linde-Geschichte.

Aktuell zu dieser Branche:

Das sind die vier größten Industriegasekonzerne der Welt >>

Der fusionierte Konzern, weiterhin unter dem Namen Linde, soll auf beiden Seiten des Atlantiks an der Börse notiert sein. Der rechtliche Sitz der Konzernholding ist nach Bellonis Worten noch offen. Im Rennen seien die Niedrigsteuerstandorte Dublin, London und Amsterdam.

Steve Angel soll künftiger Chef werden

Personell hatten sich beide Seiten festgelegt, dass Praxair-Chef Steve Angel das Unternehmen lenken soll. Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle wird dafür den Verwaltungsrat führen. Die Ermittlungen wegen des Verdachts des Insiderhandels gegen Reitzle spielten bei den Verhandlungen mit den Amerikanern keine Rolle, beteuerte Belloni.

"Wir sind keineswegs ein Sanierungsfall"

Trotz des sehr konkreten weiteren Fahrplans stellte Belloni auch fest, dass Linde die Fusion nicht um jeden Preis brauche: "Wir sind keineswegs ein Sanierungsfall". Der Konzern arbeite unabhängig von den Praxair-Plänen daran, rentabler zu werden. Dazu gehört auch ein Jobabbau in Deutschland: Knapp 1.000 der 8.000 Stellen sollen wegfallen, vor allem in Bayern. Weltweit beschäftigt Linde rund 65.000 Mitarbeiter.

Im abgelaufenen Jahr schnitt Linde bei der Entwicklung von Umsatz und Gewinn besser ab als die Amerikaner, die allerdings weiterhin höhere Margen verbuchen. Der Umsatz der Münchner stagnierte bei knapp 17 Mrd. Euro, der Konzerngewinn legte um gut 6 Prozent auf 1,2 Mrd. Euro zu. Die Logistiktochter Gist ist nicht mehr in der Bilanz enthalten, da Linde mit einem Verkauf der Briten bis Jahresende rechnet.

Heuer stabile Einnahmen erwartet

Für das laufende Jahr erwartet Linde mehr oder weniger stabile Einnahmen und einen Anstieg des operativen Gewinns um bis zu 7 Prozent auf 4,2 bis 4,5 Mrd. Euro. Der Wettbewerb sei weiterhin hart, allerdings zeichne sich im zuletzt gebeutelten Anlagenbau eine Besserung ab.

Airbus-Chef Enders in den Aufsichtsrat

Die Aktionäre sollen 3,70 Euro je Anteilsschein Dividende bekommen, um rund sieben Prozent mehr als zuletzt. Im Aufsichtsrat soll Airbus-Chef Tom Enders den früheren Allianz-Boss Michael Diekmann ablösen. (reuters/apa/red)