Standort : Vor dem Brexit: Beste Stimmung in der britischen Industrie

Großbritannien
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Nachrichten über eine aufgehellte Stimmung in der britischen Industrie kurz vor dem Brexit haben Spekulationen auf eine rasche Zinssenkung dort gedämpft. Der Optimismus in den Firmen stieg laut dem vorgelegten Barometer des Branchenverbands CBI auf das höchste Niveau seit fast sechs Jahren.

An den Märkten wird nun die Wahrscheinlichkeit auf eine Zinssenkung auf der Insel zum Monatsende nur noch auf 50 Prozent geschätzt. Vorher war sie auf rund 75 Prozent taxiert worden. Morgan Stanley-Ökonom Jacob Nell erwartet, dass die Notenbank nächste Woche die Füße stillhalten wird.

Britisches BIP wächst ähnlich stark wie das deutsche

Auf einer Konferenz der Bank of England (BoE) hatte Notenbankchef Mark Carney in jüngster Zeit eine "relativ schnelle" Reaktion der Währungshüter in Aussicht gestellt, falls sich eine anhaltende Schwäche der Wirtschaft abzeichnen sollte.

Zugleich verwies er auf den relativ begrenzten Spielraum beim Leitzins, der derzeit bei 0,75 Prozent liegt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im November binnen Jahresfrist nur um 0,6 Prozent. Dies ist der schwächste Zuwachs seit Juni 2012. Im Oktober waren es noch 1,0 Prozent gewesen.

"Großbritannien wird die EU mit wehenden Fahnen verlassen"

Nach der jüngsten Wahl in Großbritannien, die den Kurs des Brexiteers Boris Johnson deutlich bestätigt hat, kommentierte hier der deutsche Publizist Gabor Steingart das Ergebnis wie folgt: "Die britische Unterhauswahl war exakt jenes zweite Referendum, das sich die Festland-Europäer immer gewünscht hatten. Nur der Erdrutschsieg des Boris Johnson, dessen Partei die absolute Mehrheit im Unterhaus eroberte, hat die Spitzen in Berlin, Brüssel und Paris kalt erwischt. Jetzt erst erkennen sie: Großbritannien wird die EU nicht unter Schmerzen, sondern mit wehenden Fahnen verlassen."

Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hätten dem Kommentar zufolge ein Interesse daran, die britischen Wähler "wahlweise als töricht, bösartig oder tollkühn erscheinen zu lassen" - um sie so vorsätzlich nicht verstehen zu wollen. Dabei würden sich die Briten keineswegs von der Welt, sondern nur von einer EU abwenden, in der Regulierung dominiere.

Auch sei die Behauptung, Großbritannien sei in Zukunft isoliert, ein oft wiederholtes Missverständnis. Die tiefe Verbundenheit mit der früheren Kolonie USA sichere den Briten "einen Logenplatz in der Weltwirtschaft". Und britischen Konzernen wie HSBC (12,3 Milliarden Euro Jahresgewinn in 2018), British Tobacco (7,4 Milliarden Euro), Shell (21 Milliarden Euro) und British Petroleum (8,4 Milliarden Euro) könnten nur wenige deutsche Unternehmen das Wasser reichen.

(red mit Material von Reuters/APA)