Autoindustrie : Volkswagen: Überlegungen zum Verkauf weiterer Konzernteile

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© APA/dpa/Peter Steffen

Auf dem Weg zum führenden Anbieter von Elektroautos will Volkswagen weiter abspecken. "Die Gruppe ist sehr komplex", sagte Finanzvorstand Frank Witter in einem am Freitag veröffentlichten Interview der Nachrichtenagentur Reuters. "Es ist offensichtlich, dass der Volkswagen-Konzern stark unterbewertet ist."

Witter verwies auf die Notwendigkeit, den Konzern zu verschlanken, um die hohen Investitionen in die Elektromobilität zu stemmen und zudem das weltumspannende Unternehmen beherrschbarer zu machen. Er nannte den Getriebehersteller Renk und die Großmotorentochter MAN Energy Solutions, für die VW bereits Lösungen sucht. "Es gibt noch andere Dinge, an die wir sicherlich denken könnten", deutete Witter an. Namen nannte er nicht. Spekulation würden nur für unnötige Unruhe im Unternehmen sorgen.

"Klares Bild, was zum Kerngeschäft gehört und was nicht"

Es habe eine Menge Vorschläge gegeben, von welchen Vermögenswerten sich Volkswagen noch trennen könnte, erläuterte Witter, ließ jedoch offen, um welche Bereiche es sich handelt. "Sie können sich darauf verlassen, dass der Vorstand ein klares Bild davon hat, was zum Kerngeschäft gehört und was nicht." Die Gruppe mit ihren zwölf Marken ist weit verzweigt. Der Finanzchef sagte, es gehe darum, die Komplexität im Hinblick darauf zu reduzieren, in welche Bereiche investiert werde und worauf sich das Management konzentriere. Auch die technische Vielfalt sei ein Thema. So sei etwa die Reduzierung der Motor-Getriebevarianten um 30 bis 40 Prozent entscheidend gewesen, um die strengeren Abgasstandards WLTP zu erfüllen.

Derzeit liege der Fokus auf den Projekten, die das Management bereits angestoßen habe und das seien Renk, MAN Solutions und die unlängst unter dem Namen Traton im zweiten Anlauf an die Börse gebrachte Lkw-Sparte mit den beiden Marken MAN und Scania. "Ob wir mit dieser Liste fortfahren oder nicht, muss entschieden werden", sagte Witter.

Volkswagen hatte im Mai angekündigt, den Konzernumbau voranzutreiben und sich stärker auf das automobile Kerngeschäft zu konzentrieren. Für Randbereiche würden Lösungen gesucht. Insidern zufolge treibt VW derzeit die Trennung von Renk voran.

Vorstandschef Herbert Diess hatte am Rande der Automesse IAA in Frankfurt bereits deutlich gemacht, dass Volkswagen keine weiteren Marken benötige. "Bis auf wenige Ausnahmen weltweit kann man mit unseren Marken die großen Ertragssegmente abschöpfen", sagte er.

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Volkswagen steckt viele Milliarden in die Entwicklung neuer Elektroautos und will in einigen Jahren Marktführer werden. Schon im kommenden Jahr sollen weltweit 500.000 E-Fahrzeuge unterwegs sein, vier Prozent der Konzernflotte. Fünf Jahre später sollen es bis zu drei Millionen Stromer sein, etwa ein Fünftel der Flotte. Mehr als 70 neue elektrifizierte Modelle wollen die Wolfsburger bis dahin an den Start bringen, um die Klimaziele zu erreichen. Verdient wird das Geld zunächst aber weiter mit Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren, allen voran Stadtgeländewagen (SUVs), deren Anteil an den Zulassungen weiter steigen soll - obwohl sie immer mehr Kritik von Umweltschützern auf sich ziehen.

"Unsere Ziele sind ambitioniert, aber sie sind nicht lächerlich hoch", betonte Witter. Dabei ist offen, ob die neuen E-Modelle auch gekauft werden. Witter zeigte sich jedoch zuversichtlich. Er erinnerte an den Hybridwagen Prius von Toyota, der vor zwei Jahrzehnten auf dem Markt kam und einen regelrechten Hype auslöste. VW hofft darauf, dass der gleiche Effekte nun bei E-Autos eintritt.

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Die Kosten senkt der Konzern dadurch, dass weitere Hersteller den von Volkswagen entwickelten Elektrobaukasten MEB nutzen. Dafür hatte VW seine Allianz mit Ford unlängst erweitert. Die Amerikaner wollen den MEB nutzen, um ab 2023 mindestens ein emissionsfreies Fahrzeug in Europa in Großserie zu bauen. Dazu wurde die Lieferung von 600.000 E-Plattformen einschließlich Batteriepacks und weiterer Komponenten vereinbart. Darüber hinaus laufen Gespräche über einen neuen Liefervertrag für ein zweites Fahrzeug.

Von dem Bund hätten beide Partner Vorteile, sagte Witter. "Wir verteilen unsere Kosten auf ein größeres Volumen. Sie (Ford) müssen für Europa keine eigene elektrische Plattform entwickeln." Ziel sei, den MEB als Standard durchzusetzen, den auch andere nutzen. Die gesamte Branche sei inzwischen viel offener für Kooperationen und Partnerschaften. Alle suchten nach Möglichkeiten, schneller, agiler und kostengünstiger zu werden. (reuters/apa/red)

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