Stahlindustrie : Voestalpine nimmt neuen Standort in Texas offiziell in Betrieb

Der Linzer Stahlkonzern Voestalpine hat sich bei der Errichtung seines Roheisenwerkes in Texas, das am österreichischen Nationalfeiertag offiziell eröffnet worden ist, auch gleich einen eigenen Tiefseehafen am Golf von Mexiko gesichert. "Der Seezugang ist sehr wertvoll", sagt Konzernchef Wolfgang Eder. Mit der Inbetriebnahme starte nach rund zweieinhalb Jahren Bauzeit eine neue Ära für unsere Gruppe, für die Voestalpine". Am Nationalfeiertag lobte Eder einmal mehr die Bedingungen im Ausland und übte gleichzeitig Kritik an den Heimatstandorten der Voestalpine in Österreich: "Von der steuerlichen Seite her ist es sicher attraktiver hier zu investieren als in Österreich."

Vor dem Bau des Standortes kannte die Voestalpine in Texas kein Mensch. Bis heute tut man sich dort schwer, den Firmennamen richtig auszusprechen. Der Hafenchef von Corpus Christi, John LaRue, erzählte, als er Eder das erste Mal im Jänner 2012 gesehen habe und die Vertreter des Unternehmens dann wieder abgeflogen seien, habe er gedacht: "Die siehst du nie wieder." Doch dann sei der Deal tatsächlich zustande gekommen - nach zwölf Monate dauernden Verhandlungen.

Pro Jahr schlägt die Voestalpine in Corpus Christi künftig rund 5 Mio. Tonnen Fracht um - 3 Mio. Tonnen Eisenerzpellets werden aus Brasilien (Tubarao) und ab nächstem Jahr auch aus Schweden nach Corpus Christi eingeschifft und dort zu Eisenschwamm (HBI, Hot Briquetted Iron) weiterverarbeitet. Nach dem Durchlauf durch die neue Reduktionsanlage des oberösterreichischen Konzerns verlassen rund 2 Mio. Tonnen Roheisen in Form von HBI-Briketts das Werk in Texas. Mehr dazu: Voestalpine hat dank eines neuen Großkunden Abnehmer für gesamte HBI-Produktion in Texas

Per Schiff über Rotterdam und Koper nach Linz

Das Erz vor dem Prozess hat einen Eisengehalt von 66 Prozent; der Eisenschwamm, der daraus gewonnen wird, 91 Prozent. Dank HBI kann die Voestalpine laut Eder konzernweit fünf Prozent ihrer CO2-Emissionen einsparen.

800.000 Tonnen der Produktionsmenge in Corpus Christi, also rund 40 Prozent, werden für den Eigenbedarf per Schiff via Rotterdam (Niederlande) und Koper (Slowenien) an die Voest-Werke in Linz und Donawitz geliefert. An den beiden österreichischen Standorten diene "dieses fast reine Roheisen" als Vormaterial für die Stahlerzeugung, erklärte Eder. Die restlichen 1,2 Mio. Tonnen HBI aus Texas werden verkauft. Fotostrecke zum Thema: Erste Bilder vom neuen Standort der Voestalpine in Texas

Ein eigener Tiefseehafen

Für die Riesenfrachtschiffe der Voestalpine wurde in der texanischen Hafenstadt massiv umgebaut: "Wir mussten einen Schiffkanal graben - das Wasser war nur 12 Fuß tief", berichtete der Hafenchef von Corpus Christi, John LaRue. Der vorhandene Kanal war in den Fünfziger-Jahren für eine mittlerweile stillgelegte und verrostete Aluminium-Anlage des weltgrößten Bergbaukonzerns Glencore gebaut worden.

Der Port of Corpus Christi hat sich das Ausbaggern für die Voestalpine - gemeinsam mit der US-Regierung - laut LaRue 70 Mio. Dollar kosten lassen; er ging in Vorleistung, um weitere Investments anzuziehen. "Wir wollen der Energiehafen schlechthin für Nord- und Südamerika werden", so das erklärte strategische Ziel des Hafenchefs.

Mit der Voestalpine traf der Chef des Hafens von Corpus Christi das erste Mal vor fünf Jahren zusammen. "Für die Aufgabe, die wir dann bewältigt haben, war das eine sehr kurze Zeit", so LaRue. Jetzt beträgt die Tiefe des Kanals 40 Meter, damit fast 300 Meter lange Schiffe mit ihrer Fracht direkt bis zur Eisenschwamm-Anlage der Voestalpine vorfahren können.

Fünf Touren pro Schiff pro Jahr von Brasilien über Texas nach Linz

Das nächste Schiff legt am 11. November von dort nach Linz ab. 70.000 bis 80.000 Tonnen Eisenschwamm-Briketts liegen in Corpus Christi bereits abreisebereit draußen auf dem Gelände. Das Entladen eines Schiffes dauert laut Geschäftsführer der Voestalpine-Texas-Chef Bernhard Schlattl 60 Stunden. Der Kran schafft 2.000 Tonnen pro Stunde. Das Rundlaufschiff von Brasilien via Texas nach Europa mache die beschriebene Tour fünfmal pro Jahr.

Der Boom des Schiefergases mit der hochgiftigen Frackingtechnologie brachte der Corpus Christi Bay Area nach den Worten von Eder 40 Milliarden Dollar an Investitionen in den vergangenen fünf Jahren. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Voestalpine wendete beispielsweise Cheniere Energy, einer der größten US-Gasproduzenten, 10 Milliarden Dollar für ein Flüssiggaswerk auf. Auch ein chinesisches Nahtlosrohrwerk ließ sich nieder.

Voestalpine investiert 550 Millionen Euro

Die Voestalpine investierte rund 550 Millionen Euro in das Roheisenwerk in Texas - in acht bis zehn Jahren will Eder die Summe wieder hereinverdient haben. Das Grundstück, auf dem die HBI-Anlage steht, ist auf etwa 80 Jahre vom Hafen angemietet. Von dem rund zwei Quadratmeter großen Areal sind erst 20 bis 25 Prozent verbaut.

Mehr zu Texas: Voestalpine gewinnt Automotive-Auftrag mit einer halben Milliarde Dollar Volumen

In Texas arbeiten 190 Menschen für die Voest

In Corpus Christi, einer Stadt kaum größer als Linz, beschäftigt die Voestalpine 190 Mitarbeiter. Zum Vergleich: In der oberösterreichischen Landeshauptstadt sind bei dem Konzern 11.200 Arbeitnehmer beschäftigt. In Linz werden jährlich 5,5 Mio. Tonnen Rohstahl hergestellt.

(Von Birgit Kremser / APA / red)

Am Golf von Mexiko produzieren die Oberösterreicher fortan jährlich 2 Mio. Tonnen HBI (Hot Briquetted Iron). Dieser Eisenschwamm, wie das fast reine Roheisen auch genannt wird, dient als Vormaterial zur Stahlerzeugung. Die für die HBI-Herstellung notwendigen Eisenerzpellets kommen aus Brasilien, sollen künftig aber auch teilweise aus Schweden angeliefert werden.

Fotostrecke zum Thema:

Das neue HBI-Werk der Voestalpine im Bild >>

"Wir sind bereits bei 80 Prozent der Produktion und gehen davon aus, dass wir bis zum Jahresende voll fahren", ist Eder zuversichtlich. Bei Vollbetrieb erzielt die Voestalpine an dem texanischen Standort einen Jahresumsatz "zwischen 450 und 650 Mio. Euro", erwartet der CEO.

In dem hochautomatisierten Werk, dessen Herzstück ein 137 Meter hoher Reduktionsturm bildet, sind nur 190 Mitarbeiter beschäftigt. Das rund zwei Quadratkilometer große Werksareal direkt am Meer befindet sich auf ehemaligem "Farmland" - zuvor wurde dort Baumwolle angepflanzt, wie der Geschäftsführer der Voestalpine Texas LLC, Bernhard Schlattl, berichtete.

40 Prozent sind für Linz bestimmt - der Rest wird verkauft

Etwa 40 Prozent der in Corpus Christi produzierten Jahresmenge an Eisenschwamm sind für die weitere Verwendung in Österreich bestimmt. Diese jährlich rund 800.000 Tonnen HBI-Briketts werden vom werkseigenen Tiefseehafen weg via Rotterdam und Koper nach Linz und Donawitz verschifft.

Der Rest wird auf dem freien Markt verkauft. "Wir haben renommierte Stahlunternehmen als Kunden - das sind jetzt sechs große Partner, aber da warten noch zehn andere im Hintergrund", sieht Eder das Interesse am neuen Produkt gesichert. Mit den bereits abgeschlossenen Lieferverträgen sei die Vollauslastung in Corpus Christi jedenfalls für die nächsten vier Jahre fixiert.

"Renommierte Stahlunternehmen als Kunden"

Bei der Standortwahl für das "größte jemals in den USA getätigte Investment eines österreichischen Unternehmens" waren einige Faktoren ausschlaggebend: "Das von den Rahmenbedingungen her politisch stabile und langfristig kalkulierbare Umfeld, die interessante logistische Rolle und die günstige Energie", so Eder.

Immerhin koste Industriegas in den USA dank des Booms von Schiefergas mit der hochgiftigen Frackingtechnologie rund ein Drittel des hierzulande üblichen Preises. Hierzulande käme das Eisenschwamm-Werk bei den Betriebskosten alleine aufgrund der Kostenunterschiede bei Gas, Strom und Logistik jährlich um rund 200 Mio. Euro teurer als in Texas.

Insgesamt schätzt Eder an Amerika "die positive Grundhaltung gegenüber industrieller Investitionen und Industrie generell". Es gibt dort erhebliche finanzielle Anreize für ausländische Direktinvestitionen: "Bis zu 30 Prozent des Investitionsvolumens können in den USA gefördert werden", erklärte der Voestalpine-Chef. Auch die Steuerbelastung ist in Amerika geringer: Während in Österreich die Steuer- und Abgabenquote laut OECD bei 43 Prozent liegt, beträgt sie in den USA nur 27 Prozent. (apa/red)