Kommentar : Virologen-KPIs dürfen beim Comeback nicht das alleinige Maß sein

Lieferketten, Zugangs- und Kontaktmöglichkeiten unterbrochen, Dienstleistungen und Tourismus am Abgrund, hunderttausende Arbeitslose und Beschäftigte in Kurzarbeit, existenziell bedrohte Unternehmen: Zwei beispiellose Krisenmonate liegen hinter uns. Dennoch sind Kriegs- oder anmaßende Rhetorik (wie etwa "Wiederaufbau", "Auferstehung", "Was immer es kostet", "Hoch- und Runterfahren"…) fehl am Platz. Der zuletzt von Bundeskanzler Kurz verwendete Begriff "Comeback" trifft es besser. Die "Öffnung mit Abstand" wird uns noch monatelang beschäftigen; Rückschläge sind möglich.

Klar ist, dass ein zweiter Shutdown dieser Dimension weder verkraftbar noch akzeptabel wäre. Nun braucht es verbindliche Perspektiven, praxisnahe Stufenpläne und die – allseits beschworene – Eigenverantwortung. Eine mögliche "2. Welle" sollte uns vorbereitet treffen und die Schreckensbilder der letzten Wochen unmöglich machen – durch eine gut informierte Bevölkerung, professionelles Handling der Behörden und gezielte Prävention statt fataler Vollnarkose eines ganzen Landes. Nachvollziehbare politische Entscheidungen auf Basis belastbarer Daten und Folgenabschätzung sind die alternativlose Voraussetzung dafür.

Was bleibt kurzfristig? Das Bewusstsein für die große Bedeutung eines nationalen und europaweiten Schulterschlusses von Gesellschaft, Wirtschaft und Institutionen für die Sicherung der Zukunft. Mittelfristig werden sich Kompetenz- und Finanzierungsfragen zwischen der Europäischen Union, Nationalstaaten, Bundesländern und Gemeinden stellen – Stichwort moderner Föderalismus und Subsidiarität. Diese Fragen zu lösen gehört zum langfristig erfolgreichen Comeback – ebenso wie die Transformation unseres Wirtschaftssystems zu ökologischer Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Innovation.

Dr. Martin Hagleitner ist CEO der Austria Email AG und Groupe Atlantic SA Konzerngeschäftsführer für die Region Deutschland-Österreich-Schweiz.

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