Fusion : Verkauf an LG Electronics fixiert: Wie ZKW zur koreanischen Filiale wird

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Ende September bot Wieselburg alles auf, was Rang und Namen hatte. Bürgermeister Günther Leichtfried war angetreten, Ulrich Mommert den Ehrenring der Stadt überzustreifen. Mommert hat für Wieselburg dieselbe Bedeutung wie Dietrich Mateschitz für Zeltweg: Er macht für die Gemeinde den Unterschied zwischen Abwanderungs-Depression und Wachstums-Euphorie. Ulrich Mommert ist 100 Prozent-Eigner der ZKW-Group, die in Wieselburg allein 3000 Mitarbeiter in Lohn und Brot hält. Der 76-jährige Deutsche ist dafür verantwortlich, dass sich das Städtchen an der Erlauf in den vergangenen zehn Jahren zur Boomtown der heimischen Automobilwirtschaft gemausert hat. 1990 standen in Wieselburg erst 400 Männer und Frauen auf Mommerts Lohnzettel. So war es kein Wunder, dass bei dessen Ehrung neben dem gesamten ZKW-Management die lokale Prominenz bis zum letzten Würdenträger angetreten ist. Der Industrielle und ausgewiesene Pferdeliebhaber – dem einstigen Amateur-Trabrennfahrer (160 Siege) gehören zwei Gestüte mit mehr als 100 Rennpferden sowie die wichtigste Trabrennbahn Berlins – lieferte in seiner Dankesrede zwei bemerkenswerte Sätze: „Ich kann sagen, dass ich alles dafür tun werde, dass ZKW in Wieselburg erhalten bleibt.“ Und: „Wir haben eine tolle Management-Mannschaft, die ZKW noch weiter nach oben bringen wird.“ (Quelle: Lokalzeitung Tips). Zeugen erzählen angesichts der Rede von einigen Seufzern aus dem Auditorium. Jeder im Saal wusste, dass Ulrich Mommert gerade dabei ist, die ZKW-Gruppe mit weltweit 8.500 Mitarbeitern und 1,2 Milliarden Euro Umsatz (Vorschau 2017) zu verkaufen.

Es wird ernst

Es gab immer wieder Gerüchte, dass die Wieselburger Leuchtsystem-Spezialisten kurz vor dem Verkauf stehen. Die Namen der Interessenten sind zahlreich: Im vergangenen Winter hieß es, dass der japanische Elektrokonzern Panasonic ein ernsthaftes Angebot auf den Tisch gelegt hätte. Laut Bericht der japanischen Zeitung „Nikkei“ sei ein Kaufpreis von rund einer Milliarde Dollar (850 Mio. Euro) im Gespräch gewesen. Das medienscheue Management von ZKW dementierte. Im August schrieb die südkoreanische Wirtschaftszeitung Korea Economic Daily, dass LG Electronics bereit wäre, 1,2 Mrd. Dollar (1,01 Mrd. Euro) für ZKW auf den Tisch zu legen. Im Gegensatz zum Winter fiel die Reaktion von ZKW diesmal deutlich schwächer aus. Es „gebe zum heutigen Zeitpunkt keine konkreten Entscheidungen“, hieß es Ende August in einer wortdürren Presseaussendung.

Glaubt man involvierten Unternehmenskreisen, sind die Verkaufsverhandlungen unter Dach und Fach. LG Electronics ist zum bevorzugten Bieter erkoren worden, mit dem es nur noch letzte Details zu klären gebe. Das im Sommer genannte Offert von einer Milliarde Euro sei „nochmals spürbar“ nach oben gewandert, so die Information eines dem INDUSTRIEMAGAZIN namentlich bekannten Insiders. Als letzte Mitbieter standen noch Magna und ein nicht näher konkretisiertes „großes deutsches Familienunternehmen“ im Ring, die aber angesichts des hohen LG-Gebotes das Handtuch geworfen hätten. Panasonic und die österreichische B&C-Industrieholding hätten sich schon früher zurückgezogen. Orchestriert wird der Verkaufsprozess von den Frankfurter Spezialisten von Rothschild Global Advisory, einer der stärksten Adressen in der europäischen Merger & Akqusitions-Branche. ZKW selbst wollte dazu nicht Stellung nehmen.

Teure Sache

Der Auftrag von Ulrich Mommert ist eindeutig: Er will angesichts seines Alters und seiner familiären Lebensmittelpunkte in Norddeutschland und Berlin richtig Kasse machen. Sohn Alexander (Jahrgang 1969) sitzt zwar im Aufsichtsrat der ZKW Group, konzentriert sich aber auf seine Laufbahn als Geschäftsführer der Poliklinik Rüdersdorf bei Berlin.

Der Total-Ausstieg der bisherigen Eigentümer ist vorgegeben – mit einer Höchstbieterstrategie. Die im Verkaufsprozess verlangten Businesspläne über die Zukunft der ZKW hätten letztendlich wenig gezählt, klagen die unterlegenen Bieter. Die Preisdiskussion habe alle Überlegungen zu den ZKW-Standorten Wieselburg und Wiener Neustadt überstrahlt. In Zulieferkreisen überwiegt die Einschätzung, dass automotiv erfahrene Systemanbieter wie Magna eindeutige Vorteile für die österreichischen Produktionsstätten mit sich gebracht hätten.

Käufer LG Electronics ist auf dem Gebiet der automotiven Produktion vergleichsweise ein Anfänger. Der Global Player bei Smartphones, Fernsehern und Haushaltsgeräten hat erst vor wenigen Jahren entschieden, in der Autozulieferei besser verdienen zu können als in der zuletzt krisengebeutelten Unterhaltungsindustrie. Der Entscheid für die Übernahme von ZKW wird daher mit allem Nachdruck verfolgt. Der Kaufpreis von mehr als einer Milliarde Euro ist bei einem ZKW-Umsatz von 1,2 Milliarden nur durch hohe Ertragserwartungen zu rechtfertigen. Dies war der Punkt, warum automotive Anbieter aus dem Kaufprozess ausgestiegen sind. Aufgrund hoher Innovationskosten und dringendem Konsolidierungsbedarf – ZKW hat seit 2011 seinen Umsatz verdreifacht – kamen die automotiven Interessenten zum Schluss, dass die Profitabilität des Unternehmens in den kommenden Jahren zurückgehen werde. Dies könne nur verhindert werden, indem man die Forschungs- und Expansionskosten drossle, heißt es in Interessentenkreisen. Damit würde man aber den kometenhaften Aufstieg von ZKW knicken. LG hänge „mit dem Oberkörper aus dem Fenster“ und auf Wieselburg komme „jede Menge Druck zu“.

Vollrotation im Management

Die Verkaufsaktivitäten laufen in der ZKW Holding bei Armin Schaller zusammen, dem ehemaligen Chef der Consulting Group in der Großkanzlei TPA Horvath. Schaller ist an der Seite von Ulrich Mommert seit September 2015 Geschäftsführer der Holding und agiert als der verlängerte Arm des Eigentümers. Bei Beteiligungsrechtsexperten und Fachbuchautor Schaller laufen sämtliche Fäden des Verkaufsprozesses zusammen. Die Holding hält 100 Prozent der Anteile der operativen ZKW Group, in der sich die Standorte Wieselburg (ZKW Lichtsysteme GmbH) und Wr. Neustadt (ZKW Electronics) sowie acht Ländergesellschaften vereinen. Schaller ist gemeinsam mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ludwig Andorfer, dem ehemaligen AR-Präsidenten der Oberbank, das Mastermind einer umfassenden Personalrotation im ZKW-Management . Das teilweise über Jahrzehnte bestimmende vierköpfige Vorstandsteam rund um Langzeit-CEO Hubert Schuhleitner – er war 1993 als 29-Jähriger an die Spitze der damaligen Zizala Lichtsysteme gekommen – wurde in den vergangenen 18 Monaten zur Gänze runderneuert. Schuhleitner gilt gemeinsam mit dem im Unternehmen noch immer hoch verehrten Technikvorstand Jürgen Antonitsch als Motor des ZKW-Aufstiegs. 2015 machte sich Schuhleitner aber bei Ulrich Mommert unbeliebt, als der Versuch eines Management Buy-outs scheiterte. Die Rekrutierung von TPA-Berater Armin Schaller war die direkte Antwort Mommerts auf das MBO-Angebot – und der Anfang des letztlich freiwilligen Abgangs von Hubert Schuhleitner im Frühjahr 2016. Sukzessive folgten bis Mai 2017 die restlichen drei Vorstände aus dem alten Team. In der neuen Führung der ZKW-Group finden sich heute ausschließlich deutsche Manager mit exzellenten Verbindungen in die globale Automobilwirtschaft. Dies kann in naher Zukunft von Bedeutung sein: Schließlich wusste jeder der neuen Manager bei seinem Jobantritt, dass die ZKW vor einem Verkauf steht. Mit Ausnahme des Neo-Chefs Oliver Schubert sind alle Vorstandsmitglieder erst 2017 berufen worden.

Auf fernen Wegen

Die Entwicklung der ZKW vom konkursreifen Unternehmen zum massentauglichen Tier 1-Anbieter mit Nischentechkompetenz haben sie daher nur von außen wahrgenommen. Anfang der Nuller-Jahre brachte ZKW mit seinen LED-Entwicklungen einen ersten Fuß in die Türen der deutschen Premiumanbieter. Bis zu dem Zeitpunkt war man zwar als Lieferant gelistet, verfügte aber noch nicht über wirklich starke Lieferkontingente. Pro Jahr wuchs man um 100 Mitarbeiter. Mit Modellaufträgen für 3er- und 5er-Serie bei BMW verschärfte sich das Wachstumstempo. Allerdings forderten die OEMs die Produktion für weniger anspruchsvolle Lichttechnologie in billigere Standorte auszulagern. Zudem galt es, die Auftraggeber in ihre Märkte zu begleiten. Ende 2007 war es soweit: Im Vorhof der Krise wurden kurz hintereinander Werke in der Slowakei, China und Indien eröffnet. 2016/17 folgte eine große Produktion in Mexiko für den Nafta-Raum sowie Erweiterungen in Wieselburg/Haag und Wr. Neustadt. Mit der Internationalisierung hatte sich ZKW endgültig vom innovativen Nischenanbieter zum massentauglichen Tier 1-Zulieferer gemausert, der den OEMs auf Augenhöhe entgegentreten kann. Auf der Kundenliste stehen heute große Automobilhersteller wie Audi, Porsche, VW, BMW, Ford oder Daimler und etliche Nutzfahrzeuge-Hersteller. LG hat diesen Status in der automotiven Branche gesucht und ist dabei, ihn sich im Austausch gegen sehr viel Geld zu holen. Ulrich Mommert ist dabei, sein Lebenswerk loszulassen. Es wird sich weisen, ob er dabei alles getan hat, dass die 3.000 Jobs auch in Wieselburg bleiben.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stellte die Firma Metallwaren aller Art her. Schon in den 1950er-Jahren begann man, sich auf Teile für die Fahrzeugindustrie zu konzentrieren – etwa Auspuffe, Räder oder Griffe für Mopeds. Scheinwerfer waren ebenfalls bereits im Angebot. 1959 übernahm ZKW sogar die Mehrheit am heimischen Motorradhersteller KTM. Das in den 1960er-Jahren populäre Moped KTM Pony wurde bei ZKW gebaut.

In den 1970er-Jahren kam nach dem Tod des Gründers dann allerdings der wirtschaftliche Niedergang. 1982 ist das Unternehmen vor dem Konkurs gestanden. Übernommen wurde ZKW damals von der deutschen Industriellenfamilie Mommert. Nach der Übernahme kam sehr bald die Fokussierung auf die Kfz-Beleuchtung. Die Produktpalette umfasst heute Hauptscheinwerfer, Nebelscheinwerfer und Tagfahrlicht in Laser, LED, Xenon und Halogen-Technologie. Ende 2017 plant ZKW mit 8.500 Beschäftigten in acht Standorten in Österreich, der Slowakei, Mexiko, USA, China und Indien. Der Umsatz soll 2017 1,2 Mrd. Euro betragen (+21 Prozent).

Quick Facts

Mitarbeiter 2017: 8.495

Umsatz 2017 (est): 1,2 Mrd. Euro

Gesellschafter: Dkfm Ulrich Mommert (100 %)

Standorte/Mitarbeiter: Wieselburg: 2.837, Wieselburg Headquarter: 284, Wiener Neustadt: 252, Krusovce/Slowakei: 2.374, Vratimov/Tschechien: 1.238, Dalian/China: 891, Neu Delhi/Indien: 224, Silao/Mexiko: 380, Troy/USA: 15