Stahlhandel : VA Intertrading: Später Befreiungsschlag

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Zu behaupten, Karl Mistlberger hatte in den vergangenen 30 Jahren ein entspanntes Verhältnis zum Management seines früheren Arbeitgebers Voestalpine, ist eine Übertreibung. Ins Unternehmen kam Mistlberger in den 80er Jahren, als die Spekulationsgeschäfte der Intertrading gerade die Republik erschütterten. Die Verluste führen zur Beinahe-Pleite der damaligen Verstaatlichten Industrie und einer generellen Krise der Verstaatlichung in Österreich. Mit wenigen Prozenten Anteil am Unternehmen übernahm er die Führung des Handelshauses im Alleingang - auch weil das Unternehmen in den 90ern als wertlose Beteiligung zur Disposition stand. Ein Übergewinn-Vertrag - Überbleibsel der anfänglichen Perspektivlosigkeit - sicherte dem zunehmend erfolgreichen Manager ein Gehalt, das weit über jenem der Eigentümer, die ihre Anteile am strategisch wertlosen Handelshaus ohnehin längst los werden wollten. "Die Freundschaft zwischen den Vorständen der Voestalpine und Mistlberger war enden wollend. Einen strategischen Investor an Bord zu holen, war daher auch der Versuch Mistlbergers, sich aus der Umklammerung der Voestalpine zu befreien", sagt ein Wegbegleiter des Intertrading-Bosses.

Troublestarter.

Tatsächlich klang die Idee bestechend: Mit Kostyantin Zhevago (der erste Osteuropäer, der ein Unternehmen an die Londoner Börse brachte), hätte man einen Partner, der im Gegensatz zur Voestalpine frisches Expansionskapital einzubringen gewillt wäre - und die VA Intertrading (VAIT) hätte Zugang zu seinem hochrentablen Handelsprodukt: Eisenpellets. Zudem war Zhevago mit der Übernahme des Frachtgeschäftes der DDSG gerade im Aufbau eines Logistiknetzes.

Doch die Hoffnung auf gemeinsame gewinnbringende Geschäfte erfüllte sich nicht. Schlimmer noch für Mistlberger: Nachdem auch die Raiffeisen Landesbank OÖ plötzlich bereit war, ihre Intertradinganteile zu verkaufen, schickte sich der einst als Befreiungsschlag gegen die Voestalpine ins Haus geholte Zhevago ganz offen an, nach der Macht in der VAIT zu greifen.

Feindlich.

"Das hätte unsere Existenz gefährdet", erklärte VAIT-Chef Mistlberger als Zhevago nach der Macht griff. Als Handelshaus sei man auf großzügige Finanzierungsrahmen angewiesen – und mit der Bonität von großen Anteilseignern der bürgerkriegsverfangenen Ukraine sei es nicht gerade zum Besten bestellt, so die Argumentation. Und tatsächlich: Die österreichischen Hausbanken drohten der VAIT plötzlich offen mit dem Vertrauensentzug. Ein erbitterter Abwehrkampf begann: Die Gesellschaften MBG und IBG, in denen die Anteile der Manager der VAIT gebündelt sind, machten von ihrem Aufgriffsrecht Gebrauch und kauften so viele Anteile wie möglich. Kostyantin Zhevago wehrte sich gegen diese Transaktionen vor Gericht mit dem Vorwurf, sie seien zu billig erfolgt. An seiner Seite: Die Voestalpine und der Linzer Rechtsanwalt Franz Mittendorfer, der für die österreichischen Stammaktionäre als Treuhänder einen guten Preis verhandeln sollte. Es folgte eine Reihe von gegenseitigen Klagen und Blockaden.

Weisser Ritter.

Eine entscheidende Rolle im Ringen um die Mehrheit spielte die Kairos Industrie Holding, die schon seit Jahren Anteile an der VAIT gehalten hatte. Diese Gesellschaft gehört Hanno Bästlein, dem früheren VA-Tech-Finanzvorstand und heutigen Aufsichtsratschef von VAIT, der auch viele Jahre durchaus aktiver Aufsichtsratpräsident der B&C Holding beim Aluminiumkonzern AMAG und dem Faserhersteller Lenzing war. Bästleins Gesellschaft Kairos stockte auf über zehn Prozent auf und - nachdem bei der Übernahme von Anteilen durch die Mitarbeitergesellschaften ein formaler Fehler festgestellt wurde - übernahm Kairos kurzfristig sogar weitere 17,66 Prozent. Eine neu gegründete Gesellschaft, in der sich ehemalige Mitarbeiter der VAIT formierten (die VAIT BG), kaufte Kairos diese Anteile wieder ab.

Damit war die österreichische Mehrheit gesichert – vorerst. Das große Problem: Laut der alten Satzung brauchte man eine Mehrheit von 75 Prozent, um Entschlüsse fällen zu können. "Damit konnte Zhevago bei VAIT jede Entscheidung blockieren", sagen Insider. Auch das Modell der Treuhandschaft bereitete dem Management der VAIT große Schwierigkeiten. "Es war bis zuletzt eine sehr undurchsichtige Rechtslage, und das hätte noch gut fünf oder zehn Jahre so weitergehen können", berichten Eingeweihte.

Der Machtverzicht.

Schlussendlich obsiegte der Hausverstand in den Vorstandsetagen: In der offiziellen Version war es wohl eine millionenschwere Schadenersatzklage der Mitarbeitergesellschaften gegen die Voestalpine und ihren Treuhänder Mittendorfer, die die Wende brachte. In einem Vergleich fixiert die Voestalpine den Verkauf ihrer letzten, verbleibenden Anteile an die Mitarbeitergesellschaften der VAIT. Franz Mittendorfer legt sein Mandat als Treuhänder nieder. Die Anteile der VAIT-Mitarbeitergesellschaften und Hanno Bästleins Gesellschaft Kairos wurden syndiziert. Was tatsächlich für den Sinneswandel der Kontrahenten Mistlbergers verantwortlich war, ist unklar. Klar ist jedoch, dass dieser Schritt nicht ohne den massiven Machtverzicht Mistlbergers möglich war - und mit der neuen Gesellschaft VAIT BG und mit Hanno Bästleins Kairos Industrieholding Machtfaktoren stärker wirken. Bästlein kann als durchaus aktiver Aufsichtsratsvorsitzender gelten - und als Mittler im durchaus auch persönlichen Machtkampf Mistlbergers mit dem Management der Voestalpine. Dort ist Wolfgang Eder, 67, im Sommer als Vorstandschef aus dem Amt geschieden. Wollte er seinem Nachfolger diese Neverending Story ersparen?

Klar ist: Auch Karl Mistlberger, 66, wird die Führung des Konzerns, der nach 24 Jahren an der Spitze durchaus als sein Lebenswerk gelten kann, abgeben. Er hat seinen Abgang bereits angekündigt. Beobachter erwarten, dass dann auch der Vorstand der VAIT von aktuell vier auf drei Mitglieder verkleinert wird. "Das Unternehmen ist in österreichischer Hand und sollte in Ruhe seine Geschäfte weiter entwickeln", so Mistlberger gegenüber dem Industriemagazin.

Ein stiller Oligarch.

Dass Mistlberger den wohl größten Fehler seiner Karriere am Ende gerade noch rechtzeitig wiedergutmachen konnte, dürfte Ende Juli klar geworden sein. Kostyantin Zhevago, der kaltgestellte ukrainische Oligarch, hat bei den Parlamentswahlen in der Ukraine nach 21 Jahren (zuletzt als parteifreier wilder Abgeordneter) seinen Sitz im Parlament verloren - und damit auch seine juristische Immunität. Ukrainische Ermittler untersuchen seit geraumer Zeit unklare Geldflüsse zwischen seinem Bergbauriesen Ferrexpo und der damit verbundenen Wohltätigkeitsorganisation "Blooming Land". Ein kontrollierender Mehrheitseigner mit solchen Troubles hätte den riesige Kreditlinien finanzierenden Hausbanken sicher nicht ins Portfolio gepasst. "Es ist zu erwarten, dass sich Zhevago in Zukunft einfach über eine schöne Dividende aus Österreich freut", sagt ein Insider.