"America first" : US-Konzerne fügen sich Trumps Wünschen

Es vergeht kaum ein Tag, an dem sich der künftige US-Präsident Donald Trump - er wird am 20. Jänner vereidigt - aggressiv in die Unternehmenspolitik von US-Konzernen einmischt. Und die Unternehmen spuren, wie es aussieht. Bleibt die Frage: Wie frei können Firmen in der traditionell marktliberalen US-Wirtschaft künftig noch agieren?

Zuletzt knöpfte sich Trump, nach Boeing, Lockheed und Ford, jedenfalls den größten US-Autobauer GM vor. "Produziert in den USA oder zahlt eine hohe Steuer an der Grenze", drohte der künftige US-Präsident über Twitter mit hohen Einfuhrzöllen für Autos, die im Niedriglohn-Nachbarland Mexiko gefertigt werden, so wie etwa den Chevy Cruze.

Trump verbucht Fords Standortwechsel als Erfolg seiner Politik

Wenig später gab GM-Rivale Ford überraschend bekannt, Pläne für ein 1,6 Mrd. Dollar (1,5 Mrd. Euro) teures Werk in Mexiko zu beerdigen - wie von Trump gefordert. Statt dessen sollen 700 Mio. Dollar in ein Werk im US-Bundesstaat Michigan investiert werden. Trump selbst verbuchte das als Erfolg für sich. Er verbreitete einen Tweet eines seiner Sprecher, in dem es hieß, Fords Entscheidung sei das Ergebnis der Politik des künftigen Präsidenten.

Denn Trump hatte wiederholt erklärt, er werde es Ford nicht erlauben, das neue Werk in Mexiko zu eröffnen und ebenfalls mit hohen Zöllen gedroht. Ford-Chef Mark Fields erklärte, die Entscheidung gegen Mexiko sei vor allem dem Rückgang bei der Nachfrage nach Klein- und Mittelklassewagen geschuldet. In Mexiko hätten vor allem solche Autos gebaut werden sollen. Ford werde bis 2020 rund 700 zusätzliche Arbeitsplätze in Flat Rock in Michigan schaffen. Dort sollten neue Elektro- und Hybridfahrzeuge sowie selbstfahrende Autos produziert werden. Trump selbst twitterte nach der Ford-Ankündigung: "Anstatt Jobs und Wohlstand wegziehen zu lassen, wird AMERIKA der große Magnet in der Welt zum AUFBAU VON INNOVATION & JOBS werden."

Flat Rock als neue Ford-Hochburg

Die Ford-Fabrik in Flat Rock, einer Kleinstadt in Michigan, soll nun in eine High-Tech-Schmiede für innovative Mobilität umgerüstet werden. Zur Fertigung von Klassikern wie dem Mustang kommen künftig Zukunftstechnologien wie Roboterautos und Elektroantrieb. 700 Jobs sollen entstehen - Flat Rock knackt den Jackpot. Ford-Chef Mark Fields lässt sich im Werk von den Arbeitern feiern.

Er habe vor Glück geweint, als er von der Nachricht erfuhr, sagt Jimmy Settles, der Vizepräsident der Autogewerkschaft UAW. Und auch Trump hat Grund zur Freude. Im Wahlkampf versprach er, der gebeutelten US-Industrie neue Arbeitsplätze zu verschaffen. Jetzt liefert er offenbar schon vor Amtsantritt. Hat sich Trumps umstrittener Bulldozer-Stil etwa wieder einmal ausgezahlt? US-Jobs ins Ausland zu verlagern, werde künftig "nicht ohne Konsequenzen bleiben", drohte er nach der Wahl - und Trump stellte Strafzölle von 35 Prozent in Aussicht.

Zuckerbrot und Peitsche

Um Konzerne auf Linie zu bringen, wendet der Republikaner Zuckerbrot und Peitsche an. Auf harte Twitter-Attacken folgen versöhnliche Gespräche mit Vorständen, denen daran gelegen ist, es sich mit dem künftigen Präsidenten nicht zu verscherzen. So versprach etwa Boeing-Chef Dennis Muilenburg rasch einen niedrigeren Preis, nachdem Trump gepoltert hatte, die Kosten für die neue Präsidentenmaschine Air Force One seien "außer Kontrolle". Der Klimaanlagenbauer Carrier wurde mit Hilfe von Subventionen umgestimmt, bei rund 800 von ursprünglich 1.400 Jobs auf die Verlagerung nach Mexiko zu verzichten.

Trumps ungewöhnliche Methoden, Unternehmen von seinem Motto "Amerika zuerst" zu überzeugen, werden allerdings von vielen Beobachtern kritisch gesehen. "Amerika wird nicht florieren, indem Konzerne gezwungen werden, unwirtschaftliche Investitionen zu tätigen", schrieb das normalerweise den Republikanern nahestehende Finanzblatt "Wall Street Journal" in einem Leitartikel. Die erzkonservative Republikanerin Sarah Palin, die zunächst für einen Posten in Trumps Kabinett gehandelt wurde, kritisierte den Deal mit Carrier ebenfalls scharf und warnte vor "kapitalistischer Vetternwirtschaft".

Ford hatte keinen Deal mit Trump - sagt zumindest der Ford-Chef

In Flat Rock versuchte Ford-Chef Mark Fields indes tapfer, den Eindruck zu zerstreuen, sich Trumps Druck gebeugt zu haben. "Es ist ein Vertrauensvotum für den designierten US-Präsidenten", sagte Fields zwar bei der Pressekonferenz. Doch es habe keinen "Deal" mit Trump gegeben. Die Entscheidung, die Produktion des Kleinwagens Ford Focus doch nicht von Michigan in ein neues Werk im mexikanischen San Luis Potosi zu verlagern, sei allein den Marktkräften geschuldet. Man sei zu dem Schluss gekommen, dass die Nachfrage zu gering sei, um die Milliardeninvestition zu rechtfertigen.

Mexiko bedauert Fords Rückzieher zwar, gibt sich jedoch kämpferisch. Die eigene Wettbewerbsfähigkeit sei hoch, um internationale Investitionen mache man sich keine Sorgen, teilte die Regierung mit. An Fords Plänen, die Focus-Herstellung in das Nachbarland auszulagern, ändert sich auch gar nichts. Der Kleinwagen wird nun einfach in einem bereits bestehenden Werk in Hermosillo produziert. Durch die niedrigen Löhne bleibt Mexiko für US-Autobauer attraktiv. Sollte Trump allerdings das Freihandelsabkommen NAFTA - nach seinen Worten das „schlechteste Geschäft aller Zeiten“ - aufkündigen, könnte sich das rasch ändern. (apa/Reuters)

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