Automobilindustrie : "Up-Quentching" - Aluminium-Upgrade im Autobau

Leicht, sehr fest und gut formbar zugleich - das sind die Anforderungen von Automobilherstellern an die Karosserie-Außenhaut. Aluminium ist rund dreimal leichter als herkömmlicher Stahl, mit der Festigkeitssteigerung ist jedoch leider meist ein Rückgang an Formbarkeit verbunden. Forscher in Leoben haben einen Weg gefunden, Aluminiumlegierungen unter Beibehaltung einer hohen Festigkeit dennoch leichter verformbar zu machen.

Es ist ein Kampf um jedes Gramm: Bei Autobauern führen die Vorgaben zur Reduktion der CO2‐Emissionen und zur Einsparung des Energieverbrauchs dazu, dass dem Leichtbau höhe Priorität eingeräumt wird, weil das beim Fahren Energie spart. Neben Karbon gilt das leichte Aluminium dabei als Hoffnungsträger im Bereich der Gewichtsreduktion. Die komplexen Leichtbauteile machen jedoch eine hohe Formbarkeit des Materials notwendig, gleichzeitig sollen sie bei Unfällen - oder Hagelereignissen - möglichst wenig Schaden nehmen und ihre Festigkeit unter Beweis stellen.

Aluminium-Legierung soll in Zukunft Stahl ablösen

Weil aber das Verhältnis von Festigkeit zu Formbarkeit bei Aluminium-Legierungen noch ungünstig ist, können Aluminiumwerkstoffe den schwereren Stahl bisher in der Massenanwendung derzeit in der Massenanwendung nicht einfach ersetzen, berichtete Stefan Pogatscher vom Lehrstuhl für Nichteisenmetallurgie der Montanuni Leoben. Um zu besseren Materialeigenschaften zu kommen, beschäftigt er sich mit den atomaren Vorgängen in der Frühphase der Aushärtung von Aluminiumlegierungen und leitet zudem in Leoben das Christian Doppler (CD) Labor für Fortgeschrittene Aluminium‐Legierungen. Der von ihm und seinem Team gefundene neue Weg der Wärmebehandlung führte zum angestrebten Ziel. Beschrieben wurde sie in der jüngsten Ausgabe des Forschungsjournals "Nature Communications".

Die Wissenschafter sind von der üblichen Wärmebehandlung, die aus einem einmaligen raschen Abschrecken der warmen Aluminiumlegierung besteht, abgerückt. Sie drehen den Spieß um und setzen auf wiederholtes rasches Aufheizen und auf mittlere Temperatur. Dementsprechend wird die Methode nicht "Quentching" (engl. für "abschrecken") sondern "Up-Quentching" genannt. "Durch wiederholtes kurzzeitiges Erwärmen auf eine mittlere Temperatur können Eigenschaften innerhalb weniger Stunden erzeugt werden, welche sonst nur in einer unökonomisch langen Dauer von mehr als einer Woche realisierbar sind", so Florian Schmid vom Leobener CD-Labor.

Erfolgreiche Methode in Zusammenarbeit mit Aluminiumhersteller AMAG

Pogatscher erklärte die tieferliegende, atomare Ursache für den Erfolg der Methode: "Das neue Verfahren beschleunigt die Bildung von nanometergroßen Atomclustern, die die hohe Festigkeit bei gleichzeitig guter Verformbarkeit ermöglichen. Angetrieben wird die Clusterbildung über einen Mechanismus fehlender Atome. Er funktioniert wie ein mit Figuren besetztes Schachbrett, wobei die Spielfiguren die Atome im Material darstellen. Sind alle Felder besetzt, können sich die Figuren - also die Atome - nicht bewegen. Nur wenn Figuren fehlen sind diese beweglich. Mit dem Pendeln zwischen kurzer Erwärmung und Abkühlung ist es uns gelungen mehr Leerstellen in das Material zu 'pumpen' und dadurch den Atomtransport und somit die Clusterbildung zu beschleunigen", wie Pogatscher den komplexen Prozess kurz zusammenfasste.

Eine ähnlich harte und verformbare Aluminiumlegierung könne man über monatelange herkömmliche Wärmebehandlung zwar auch herstellen, allerdings schrumpfe die Wartezeit nun um 95 Prozent, wie Pogatscher ausführte. Entwickelt wurde die neue Lösung in Zusammenarbeit mit dem oberösterreichischen Aluminiumhersteller AMAG.

Lesen Sie auch:

>> Neues Christian Doppler-Labor und Toyota arbeiten an neuen Magneten für Elektroautos