Großprojekte : Umweltschützer lehnen Standortgesetz weiter ab

Das Standortentwicklungsgesetz (StEntG) findet auch in seiner neuen Fassung keine Gnade vor den Augen der Umweltschützer. Das Gesetz sei aus vielen Gründen irreparabel, und die Regierung sollte die Vorlage lieber zurückziehen als sie von Gerichten aufheben zu lassen, sagte die Geschäftsführerin von Global 2000, Leonore Gewessler. Auch der WWF fordert die ersatzlose Rücknahme der Regierungsvorlage.

Der Wirtschaftsausschuss im Parlament hatte am 27. November keine Entscheidung über das Standortentwicklungsgesetz getroffen, auf Wunsch der SPÖ wurde eine öffentliche Ausschussbegutachtung der Regierungsvorlage beschlossen und die Beratungen auf den 7. Dezember vertagt. Die Begutachtungsfrist ist nun zu Ende, an den bisherigen Positionen hat sich aber nichts geändert.

"Wir bewerten den vorliegenden Entwurf als gezielten Angriff auf Umweltschutz und Rechtsstaatlichkeit und fordern daher die ersatzlose Rücknahme der Regierungsvorlage", schreibt Hanna Simons, Leiterin Natur- und Umweltschutz beim WWF Österreich. "Anstatt die Umweltverträglichkeitsprüfung qualitativ zu verbessern, sollen umstrittene Großprojekte einseitig privilegiert werden, was Umweltverschmutzung und Naturzerstörung erleichtern würde. Zentrale Bestimmungen des Entwurfs sind sowohl verfassungsrechtlich höchst problematisch als auch unions- und völkerrechtlich sehr bedenklich", meint Simons.

"Schwerwiegende rechtliche Bedenken bleiben bestehen, das Gesetz wird auch inhaltlich in keiner Weise dazu beitragen, Verfahren zu beschleunigen, ganz im Gegenteil", sagt Leonore Gewessler von Global 2000. Sie macht für lange Verfahrensdauern vor allem die Projektwerber selbst und eine ungenügende Ressourcenausstattung der Behörden verantwortlich.

Der Umweltdachverband hält auch die neue Fassung des StEntG, dessen Begutachtung heute (Donnerstag) endet, für verfassungswidrig. Verfahren strategischer Großprojekte sollen durch das Standortgesetz "mit einer Quasi-Genehmigungsgarantie versehen werden", kritisiert der Präsident des Umweltdachverbandes, Franz Maier.

Klar negativ fällt auch der Befund der Umweltorganisation Virus aus, für der Gesetzestest "nach wie vor mit Verfassung und Unionsrecht in Konflikt steht".

Widerspruch auch vom Österreichischen Städtebund

Von den SPÖ-regierten Bundesländern Wien und Kärnten wird das Standortentwicklungsgesetz "vehement abgelehnt", wie es in der Stellungnahme der Wiener Landesregierung heißt. Der Österreichische Städtebund sieht die Regierungsvorlage im "Widerspruch zu Verfassung und Unionsrecht".

Niederösterreich begrüßt war ausdrücklich das Bemühen, UVP-Verfahren zu beschleunigen, beklagt aber, dass im Entwurf keinerlei Mitwirkung der Länder vorgesehen sei. Insbesondere im Standortentwicklungsbeirat seien ausschließlich Vertreter vorgesehen, die von Bundesministerien vorgeschlagen werden.

Infrastrukturbetreiber dafür

Ganz anders klingt die Stellungnahme der für das österreichische Stromnetz zuständigen Verbund-Tochter Austrian Power Grid (APG). Für sie liefert die Regierungsvorlage "eine bedeutsame und effektive rechtliche Grundlage zur Standortsicherung durch Gewährleistung zügiger Umsetzung von UVP-pflichtigen Vorhaben". Besonders groß ist bei der APG die Frustration über das UVP-Verfahren in Salzburg zur Errichtung einer 380-kV-Leitung. Die Verzögerung dieses Lückenschlusses des 380-kV-Leitungsrings in Österreich verursache hohe Kosten, gefährde die Versorgungssicherheit und schade letztlich sogar der Umwelt, wird argumentiert.

Umstieg auf Erneuerbare macht Ausbau der Netze nötig

Zur Abwehr von Netzüberlastungen müsse immer öfter gezielt in den Kraftwerkseinsatz eingegriffen werden ("Redispatch"). Die jährlichen Kosten dafür seien bereits von 4 Mio. Euro (2014) auf knapp 100 Mio. Euro (2017) gestiegen. Die Verzögerung des 380-kV-Projekts verursache außerdem jährliche Mehrkosten von bis zu 13 Mio. Euro, und wegen der Verzögerung notwendige bauliche Maßnahmen in Salzburger Umspannwerken würden sich auf 20 Mio. Euro belaufen.

Durch den nahezu täglich notwendigen Einsatz von thermischen Kraftwerken erhöhe sich der CO2-Ausstoß um 2 Prozent, und wegen der fehlenden 380-kV-Leitung sei auch eine uneingeschränkte Nutzung überschüssiger Stromerzeugung aus Erneuerbaren durch Zwischenspeicherung in Pumpspeicherkraftwerken nicht möglich. (apa/red)