Strafzölle : Überraschender Durchbruch im Handelsstreit mit den USA

Hafen Hamburg mit Frachtkränen
© Peter Martens

Die EU und die USA haben eine weitere Eskalation ihres Handelsstreits in letzter Minute abgewendet. Bei einem Krisentreffen in Washington verständigten sich US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker überraschend auf einen konkreten Plan zur Beilegung des Handelskonflikts. Sie wollen nun Gespräche über die Abschaffung von Zöllen auf Industriegüter beginnen.

Keine neuen Strafzölle auf Autoimporte aus Europa

Mögliche hohe US-Zölle auf Autos sind nach Auffassung der EU vorerst vom Tisch. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem Erfolg europäischer Einigkeit.

USA und EU wollten nun über die Angleichung von Standards reden und gemeinsam an einer Reform der Welthandelsorganisation (WTO) arbeiten, erklärte Juncker. Trump sagte, dass die EU künftig mehr Sojabohnen und Flüssiggas aus den USA importieren werde. Juncker fügte hinzu, das Übereinkommen sei mit dem Verständnis erzielt worden, dass während laufender Verhandlungen keine neuen Zölle verhängt und die derzeitigen Sonderabgaben auf Stahl und Aluminium überprüft würden.

"Ich hatte die Absicht, heute eine Übereinkunft zu erzielen, und wir haben heute eine Übereinkunft erzielt", sagte Juncker. Trump erklärte, beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, bei Industriegütern auf die Abschaffung von Zöllen, Handelsbeschränkungen und Subventionen hinarbeiten zu wollen. Man strebe an, bei Dienstleistungen sowie chemischen, pharmazeutischen und medizinischen Produkten Handelsbarrieren abzubauen.

Trump betonte, man werde nicht gegen den Geist des Abkommens verstoßen. Er ergänzte, man werde das Problem der von den USA verhängten Stahl- und Aluminiumzölle ebenso lösen wie das der EU-"Vergeltungszölle". Damit meinte er Zölle, die die EU schon auf Whiskey, Jeans und Motorräder aus den USA verhängt hatte.

Erleichterung und Skepsis in Österreich

Vertreter der österreichischen Bundesregierung und der WKÖ begrüßen die Einigung. WU Wien-Ökonom Harald Oberhofer weist darauf hin, dass es für lauten Jubel noch zu früh sei.

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Die von Trump angedrohten Autozölle hätten besonders deutsche Autobauer getroffen. Die deutsche Industrie atmete daher auf. Die Bereitschaft der EU und der USA, über den Abbau von Handelsbarrieren zu verhandeln, setze ein wichtiges Zeichen der Entspannung, erklärte Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). "Die Zollspirale im transatlantischen Handel scheint vorerst gestoppt zu sein. Jetzt müssen den Worten aber auch Taten folgen."

Erleicherung in Berlin

Auch die deutsche Bundesregierung zeigte sich erleichtert. Der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier attestierte Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, diese hätten "großartig verhandelt: Zölle runter, nicht rauf!" Damit würden freier Handel und Millionen Jobs gesichert. Die Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, begrüßte die Vereinbarung: Die Weltwirtschaft könne davon nur profitieren.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas erklärte, Europa habe bewiesen, "dass es sich nicht spalten lässt". "Und wir haben gesehen: Wenn Europa geeint auftritt, hat unser Wort Gewicht", sagte er während seiner Asien-Reise in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. Juncker habe gezeigt, "dass es eben am Ende nicht darum geht, wer die größten Buchstaben bei Twitter benutzt, sondern darum, ob man reale Lösungen anzubieten hat oder nur starke Sprüche", sagte Maas mit einem Seitenhieb auf Trump. Die Basis des US-Präsidenten spüre, dass amerikanische Farmer und Industriearbeiter nur verlieren könnten, "wenn wir uns gegenseitig mit immer irreren Strafzöllen überziehen".

Amerika und Europa seien keine Gegner, sagte Maas weiter. "Ich hoffe, dass diese Erkenntnis auch im Weißen Haus wieder zu dem wird, was sie bis vor kurzem war: eine Selbstverständlichkeit." Damit bezog er sich auf eine Äußerung Trumps, der die EU vor dem NATO-Gipfel Anfang Juli als Gegner bezeichnet hatte.

Trump: "Eine sehr starke Übereinkunft"

Dieser teilte nach dem Treffen mit Juncker auf Twitter mit, man habe sich auf "eine sehr starke Übereinkunft" verständigt. "Die Arbeit an Dokumenten hat bereits begonnen und der Prozess schreitet schnell voran." Bei den Gesprächen habe eine "großartige Wärme" geherrscht. Der US-Präsident sprach nach dem Treffen von einem "großen Tag". Das Gespräch mit Juncker habe dazu gedient, "eine neue Phase in den Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union einzuleiten. Eine Phase enger Freundschaft, starker Handelsbeziehungen, in denen wir beide gewinnen werden."

Außerdem werde die EU "fast sofort" damit beginnen, große Mengen Sojabohnen aus den USA zu kaufen, sagte Trump. "Das ist eine große Sache." Damit würden Märkte für Landwirte geöffnet, was zu wachsendem Wohlstand in den USA und der EU führen werde. "Es wird den Handel außerdem fairer und gegenseitiger machen."

Der US-Präsident bedankte sich für den Import von Sojabohnen ausdrücklich bei Juncker. Der Handelskonflikt der USA mit China hat zu massiven Einbußen bei amerikanischen Sojabohnen-Bauern geführt. Das Weiße Haus teilte am Mittwoch mit, China habe "den internationalen Sojabohnenmarkt manipuliert". Um die Folgen des Handelskonflikts für Landwirte zu mildern, hatte die US-Regierung ein milliardenschweres Nothilfe-Paket verkündet.

Trump sagte weiter: "Die EU will mehr Flüssiggas von den Vereinigten Staaten importieren. Sie werden ein sehr, sehr großer Käufer sein." Damit werde die EU ihren Energiebezug diversifizieren können. Trump ist ein erklärter Gegner der Gas-Pipeline Nord Stream 2, die Deutschland und Österreich gemeinsam mit Russland vorantreibt. Aus Österreich sind OMV und voestalpine bei Nord Stream 2 engagiert. (dpa/apa/red)

Die Handelsvereinbarung zwischen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und US-Präsident Donald Trump sei ein positives Signal, so die ersten Kommentare der österreichischen Bundesregierung und der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).

"Es ist ganz entscheidend, einen Handelsstreit mit den USA zu verhindern", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag in einer an die APA übermittelten Stellungnahme. Daher sei es gut, dass Juncker mit Trump daran arbeite, die Beziehung zwischen der EU und den USA zu stärken. Gerade als Exportnation unterstütze man dieses Anliegen. Die konkreten Details seien nun zu verhandeln, so Kurz, der wie berichtet mit Juncker vor dessen Abreise in die USA gesprochen hat. Österreich hat derzeit in der EU den Ratsvorsitz inne.

Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) zeigte sich angesichts der wieder aufgenommenen Gespräche "vorsichtig positiv". Wenn auch die Details zu den Verhandlungen noch abzuwarten seien, habe sich bereits gezeigt, dass die Strategie eines geeinten Auftretens der EU die Richtige sei.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer sprach in einer Aussendung von einem "ersten wichtigen Schritt zur Entschärfung des Handelskonflikts mit den USA". Zwar seien noch einige Klarstellungen zu der Übereinkunft notwendig und den Worten müssten nun auch erst Tagen folgen. "Aber nach der aufgeheizten Stimmung der vergangenen Wochen und Monate besteht jetzt wieder Grund zur Zuversicht für die Ausweitung des transatlantischen Handel".

Skepsis beim WU Wien-Experten Harald Oberhofer

Etwas vorsichtiger äußerte sich der Ökonom Harald Oberhofer. Der Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Wifo kann den Ankündigungen von Juncker und Trump zwar etwas abgewinnen. So sei positiv, dass die von Trump angedrohten Autozölle nicht in Kraft treten. Auch dass die Zölle auf Stahl und Aluminium wegfallen und langfristig der Abbau weiterer Handelsbarrieren angedacht sei, beurteilt der Wirtschaftsforscher positiv.

Allerdings sei es für eine endgültige Beurteilung der Ergebnisse zu früh: "Wir wissen zu wenig". Die Einigung kaufe Zeit und nehme Druck aus der Debatte. "Entscheidend wird aber sein, was in den nächsten Wochen passiert und wie ernsthaft verhandelt wird", sagte Oberhofer. So habe US-Präsident Trump vor wenigen Wochen mit China eine ähnliche Vereinbarung getroffen, die nicht lange gehalten habe. (apa/red)

Die deutsche Energiebranche hat zurückhaltend auf Bestrebungen von US-Präsident Donald Trump reagiert, mehr Flüssiggas (LNG) nach Europa zu exportieren. "LNG ist immer eine Preisfrage. Und aktuell sind die LNG-Lieferungen aus den USA im Vergleich zu anderen Gasquellen für uns nicht wettbewerbsfähig", sagte der Finanzchef des Energiekonzerns EnBW, Thomas Kusterer.

Die LNG-Lieferungen aus den USA seien einfach zu teuer. Daher beziehe EnBW auch keine. Der Konzern schaue sich den Markt aber laufend an. Wenn die Preise passen würden, würde EnBW auch LNG aus den USA kaufen.

Trump und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatten bei ihren Gesprächen über den Handelsstreit in der Nacht abgesprochen, dass die USA mehr LNG nach Europa liefern wird. (reuters/apa/red)