Freihandelsabkommen : TTIP: Unterstützung aus Deutschland schwindet - aus Paris auch

Die Unterstützung für die Fortsetzung der Verhandlungen über das TTIP-Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA schwindet weiter. Nach dem deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel gab auch Frankreich das Abkommen de facto auf. Präsident Francois Hollande sagte, er halte gegenwärtig keine Vereinbarung bis zum Jahresende für möglich. Die Gespräche seien festgefahren und zu unausgewogen. Das Land will nun im September bei der EU formell ein Ende der Verhandlungen beantragen.

Zuvor sagte Gabriel in einem Fernsehinterview in Deutschland, die Verhandlungen zwischen der EU und den USA über das transatlantische Freihandelsabkommen seien "de facto gescheitert, weil wir uns den amerikanischen Forderungen natürlich als Europäer nicht unterwerfen dürfen". Er verwies auf die harte Verhandlungslinie der USA. "Da bewegt sich nichts", sagte Gabriel. Er machte auch dezidiert die US-Regierung für das Scheitern verantwortlich: "Ich glaube, dass die Amerikaner TTIP aktiv beendet haben." Nicht einmal auf EU-Mindestforderungen seien sie eingegangen.

Der SPD-Chef sagte, er könne nicht sagen, ob es nach den US-Wahlen noch eine Chance für TTIP gebe, davor jedenfalls nicht. Aber auch bei späteren, neuen Verhandlungen müsse die EU aus seiner Sicht ein verändertes Mandat bekommen, da die USA derzeit verschiedene Aspekte aus dem Abkommen von vornherein ausgeklammert hätten.

Während die Öffentlichkeit in weiten Teilen sehr skeptisch gegenüber TTIP eingestellt ist, reagierte die Wirtschaft prompt mit Kritik auf Gabriels Vorstoß und verwies dabei auf ihre eigenen handfesten Interessen. Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel war auf Distanz zum Vizekanzler gegangen.

Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström akzeptiert das Aus jedoch ebensowenig wie die US-Regierung: "Viele Staaten haben uns heute kontaktiert, Fragen gestellt und gesagt, dass sie Frankreich nicht zustimmen", sagte sie.

Die USA und die EU verhandeln seit drei Jahren über das Freihandelsabkommen, das gemeinsame Produkt-Standards festlegen und Zölle abschaffen soll. Umwelt- und Verbraucherschützer aber auch Gewerkschaften fürchten allerdings, dass europäische Standards dem Vertrag und reinen Konzerninteressen geopfert werden könnten. Aber auch in den USA gibt es Skepsis. Dort wird im November gewählt, in Deutschland und Frankreich 2017.

Die Grünen, das Team Stronach und mehrere Umweltschutzorganisationen sehen sich in ihrem Protest gegen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA bestätigt. Greenpeace warnte mit einem hölzernen "Trojanischen Pferd" beim Ministerrat neuerlich vor einer "Aushebelung der Demokratie" durch die vorläufige Anwendung des CETA-Handelspaktes der EU mit Kanada.

Auch ein Sprecher des US-Handelsbeauftragten Michael Froman machte keine festgefahrenen Gespräche aus: "Die Verhandlungen machen in Wahrheit ständige Fortschritte", sagte er dem "Spiegel". "Es liegt in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist. Insofern ist es nicht im Geringsten überraschend, dass einzelne TTIP-Kapitel noch nicht förmlich beschlossen worden sind."

Aber auch in Europa zeigte sich mit Italien ein großes Industrieland zuversichtlich: "TTIP wird vereinbart, das ist unausweichlich", sagte Handels- und Industrieminister Carlo Calenda. Im "Corriere della Sera" räumte er jedoch ein, es werde schwer, dieses bis zum Ende der Amtszeit von US-Präsident Barack Obama im Jänner zu erreichen. Großbritannien wiederum, das besonders großes Interesse an TTIP hatte, fällt als Stimme in Europa nicht mehr ins Gewicht, da es im Juni in einer Volksabstimmung für einen EU-Austritt gestimmt hatte.

Frankreichs Handels-Staatssekretär Matthias Fekl kündigte im Rundfunk an, sein Land werde bei den EU-Partnern noch im September ein formales Ende der Verhandlungen beantragen. "Es sollte ein absolut eindeutiges Ende geben, damit wir einen Neustart auf einer guten Grundlage hinbekommen." Gabriel sprach sich allerdings dagegen aus, den Gesprächsfaden formal zu kappen. Das mache man nicht mit der Türkei, nicht mit Russland und solle man auch mit den USA nicht tun, sagte er. (reuters/dpa/apa/red)