Künstliche Intelligenz und Ethik : „Trustworthy AI“: Moralinjektion

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© freshidea - Fotolia

Am 2. Jänner vor 100 Jahren wurde Isaac Asimov geboren. Die meisten seiner Leserinnen und Leser kurierten da vielleicht noch ihren Kater aus oder schwangen die Pisten hinunter. Asimov, der Biochemiker und Science-Fiction-Autor, ist in Vergessenheit geraten, gewinnt aber heute wieder an Bedeutung. Seine drei Robotik-Gesetze könnten zum Leitfaden für den ethischen Umgang mit künstlicher Intelligenz (KI) werden:

Ein Roboter darf kein menschliches Wesen (wissentlich) verletzen oder durch Untätigkeit (wissentlich) zulassen, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird.

Ein Roboter muss den ihm von einem Menschen gegebenen Befehlen gehorchen – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel eins kollidieren.

Ein Roboter muss seine Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Regel eins oder zwei kollidiert.

Mit dem Einzug von KI und Machine-Learning-Methoden stellen sich nun immer mehr Menschen die Frage, wie die Technologie so entwickelt werden kann, dass sie in erster Linie dem Menschen nutzt, ihn unterstützt und ihn nicht zur Geisel einer Technologie macht. Als Beispiel können hier die Future of Life-Konferenz mit ihren daraus resultierenden 23 „Asilomar“ KI-Prinzipien (KI-Systeme sollten u. a. sicher, transparent, auf menschliche Werte ausgerichtet und nicht in tödlichen autonomen Waffen eingesetzt werden) sowie die „Montreal Declaration for a Responsible AI“ mit ihren Prinzipien des Wohlbefindens, der Autonomie, Solidarität, Gleichheit, Diversität und Verantwortung angeführt werden, um nur einige zu nennen.

Ein TÜV für künstliche Intelligenz?

Auch DIN und DKE beschäftigen sich in einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Projekt mit „Ethikaspekten in der Normung und Standardisierung für künstliche Intelligenz in autonomen Maschinen und Fahrzeugen“ und fragen sich, ob „...technische Standards ethisch wertvolles Verhalten einer autonomen Maschine oder eines autonomen Fahrzeugs, das von einer KI gesteuert wird, sicherstellen können“.

„Stellt den Menschen in den Mittelpunkt, entwickelt eine Trustworthy AI, in Abgrenzung zu China. Der digitale Raum konnte viele Jahre nicht kontrolliert werden. Jetzt hat Europa eine DSGVO, die uns hilft, digitale Räume zu ordnen, neues Vertrauen herzustellen“, forderte der australische KI-Vordenker Prof. Toby Walsh im Interview mit dem Magazin der Hannover Messe.

„Wir brauchen Zertifikate, damit Menschen darauf vertrauen können, dass die Maschine niemanden verletzt oder ihm andere schlimme Dinge antut“, so Walsh. Ein KI-TÜV?

Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, kündigte einen KI-Prüfkatalog an, mithilfe dessen neutrale Prüfer KI-Anwendungen auf ihren vertrauenswürdigen Einsatz hin überprüfen können. Der für 2020 angekündigte KI-Prüfkatalog, welcher durch das Fraunhofer IAIS erstellt wird, dürfte die erste uns bekannte Umsetzung der seit vielen Jahren diskutierten mensch- zentrierten KI werden, und dazu beitragen, Qualitätsstandards für eine KI „Made in Europe“ zu setzen, die möglichst bald danach in Gesetzen aufgenommen werden.

Grenzen der Vertrauenswürdigkeit.

An dieses „neue“ Siegel lehnt sich auch Thomas Metzinger von der Universität Mainz an. Der Philosoph ist Mitglied der High Level Group on AI der Europäischen Union. Er lehrt und forscht zur theoretischen Philosophie. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Philosophie des Geistes, die Wissenschaftstheorie der Neurowissenschaften und die Neuroethik. „Wir befinden uns in einer Selbstverteidigungssituation zwischen China und den USA. Trustworthy AI kann ein zentrales Alleinstellungsmerkmal sein – wie ein eigenes Label wie Made in Germany – Trustworthy AI Made in Europe“, erklärt er im Podcast KI in der Industrie.

Maschinen könnten nicht vertrauenswürdig sein. Vertrauen sei immer eine Beziehung zwischen Menschen. „Die Technologie ist immer so zuverlässig oder vertrauenserweckend wie die Regierung oder das Unternehmen, die hinter ihr stehen“, erklärt Thomas Metzinger. Was könnten Maßstäbe sein? Gemeinwohlorientierung und Verfassungstreue. Es geht also nicht um die Produkte, sondern um die Menschen hinter den Produkten.

Sorge vor Ethicswashing

Es dürfe aber nicht zu einem Ethicswashing kommen, warnt Thomas Metzinger. Das würde bedeuten, die Industrie nutze Ethik als plumpen Marketingmechanismus, als Dekoration für Produkte oder Dienstleistungen. Vergleichbar wäre dieses mit dem sogenannten Greenwashing von Angeboten. „Wenn wir trustworthy AI als Alleinstellungsmerkmal entwickeln wollen, dann müssen wir die ethischen Aspekte vertiefen“, mahnt der Wissenschaftler. Verbraucher würden dies in den nächsten Jahren honorieren, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Restriktionen aus China

Die chinesische Regierung werde es kaum zulassen, dass europäische Unternehmen mehr Datenschutz in das Reich der Mitte exportieren. Ganz im Gegenteil, China versuche bereits in Europa unliebsame Berichterstattung zu unterbinden. „Es wird ein Machtkampf werden“, prophezeit Thomas Metzinger und fordert die europäischen Staaten auf, sich auf Wahrheit, Klarheit und die europäischen Grundwerte zu berufen. Brisant werde die Ethik- und KI-Diskussion dann, wenn ein sogenannter Spill-Over-Effekt auftrete. Wenn die europäische Bevölkerung feststelle, dass Technologien in China besser funktionieren würden als in Europa und damit die Demokratie als ineffizient empfunden werde. Prof. Dr. Thomas Metzinger rät, offenherzig und einfühlsam lokale Dialoge mit chinesischen Kunden, Menschen zu führen.

Bei den Wirtschaftsverbänden begrüßt man die Initiative aus Europa, warnt aber auch. Der VDMA beispielsweise fordert Regelungen, die abhängig vom Anwendungsbereich sind. Man dürfe nicht über das Ziel hinausschießen.

Aufjaulen deutscher Maschinenbauer

Trotzdem auffällig: In den vergangenen Monaten standen die Themen Werte und Ethik auf zahlreichen Konferenzen, Tagungen und Workshops ganz oben auf der Agenda. Was dabei besonders ins Auge sprang: Die Entscheider im Anlagen- und Maschinenbau sorgen sich um die politische Stabilität und Berechenbarkeit auf der Welt. Die Werte und Normen, mit denen die Verantwortlichen in den 80er- und 90er-Jahren sozialisiert wurden, wie beispielsweise der freie Welthandel, drohen obsolet zu werden. Das beunruhigt die exportorientierten Mittelständler und Konzerne.

Dazu kommt das laute Aufjaulen der deutschen Maschinenbauer im Januar. Sie forderten Deutschland und die EU, die Handelspolitik gegenüber China zu überdenken. Staatliche Förderungen und Abschottungsmechanismen trügen maßgeblich zu einem unfairen Wettbewerb zwischen den deutschen und chinesischen Maschinenbauern bei. WTO-Regeln fordern die Maschinenbauer ein. Die Forderungen stammen im Grundsatz aus einem Papier von 2018, wurden jetzt aber medial forciert und vor allem die staatlichen Förderungen sind den Maschinenbauern ein Dorn im Auge – Handelsblatt und FAZ berichteten. Im Verband habe hoher Druck geherrscht, sich zu positionieren, heißt es. Der neue Mut, sich kritisch zu äußern, rührt wohl auch daher, dass die Maschinenbauer in der Vergangenheit die ungleichen Wettbewerbsbedingungen durch gute Geschäfte wettmachen konnten. Aber die konjunkturelle Abkühlung in China offenbart nun die Probleme des Marktes.

Sehnsucht nach Spielregeln?

Die Industrie sehnt sich nach Spielregeln zurück, die in den vergangenen Jahren nicht beachtet wurden, die mutwillig ausgesetzt wurden. „Wir müssen den Laden zusammenhalten“, erklärt Thomas Metzinger und fragt: Welchen Beitrag könne die Industrie leisten, um das Gemeinwohl zu schützen, um verfassungspatriotisch zu sein, um mit Technologien die freiheitliche Verfassung zu schützen? Das sei schwierig im globalen Wettbewerb, denn es könnte sich eine Bedingung auf dem Weltmarkt ändern. In der jüngeren Vergangenheit waren es immer die Demokratien, die die technologische Führerschaft innehatten.