Strategie : Thyssenkrupp: Schnelle Besserung auch mit neuer Chefin nicht in Sicht

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© Peter Martens

Hohe Verluste, keine Dividende für die Aktionäre: Für Thyssenkrupp endet ein turbulentes Geschäftsjahr ohne versöhnlichen Abschluss. Die neue Frau an der Spitze, Martina Merz, will daher den Umbau vorantreiben, um die Profitabilität des deutschen Konzerns wieder herzustellen. Da auch der konjunkturelle Rückenwind fehlt, dürfte das Unternehmen im neuen Geschäftsjahr 2019/20 noch tiefer in die Verlustzone rutschen. Die Mittelfristziele wurden ebenfalls verschoben.

Verlust für das laufende Jahr erwartet

"Wir drehen gerade jeden Stein im Unternehmen um", sagte Merz zur Vorlage der Bilanz. Sie hatte Ende September den glücklosen Guido Kerkhoff abgelöst. "Die Performance etlicher unserer Geschäfte ist nicht zufriedenstellend. Das hat auch damit zu tun, dass notwendige strukturelle Verbesserungen und Restrukturierungen nicht mit der notwendigen Konsequenz umgesetzt wurden", so die Managerin. Dies wolle der Vorstand nun angehen.

Im Zentrum stehen neben einer möglichen Trennung vom Aufzuggeschäft zunächst der Anlagenbau sowie das Geschäft mit Autokomponenten. Der Anlagenbau, der zur Zeit Verluste schreibt, soll operativ wieder in die Spur gebracht werden. Gleichzeitig prüft Thyssenkrupp die Möglichkeit, das Geschäft mit Partnern oder unter einem neuen Dach weiterzuentwickeln, hieß es vom Unternehmen.

Im Bereich Karosserie und Antriebsstrang sollen 640 Menschen gehen

Auch im Autozuliefergeschäft will die neue Chefin umbauen. Im Geschäftsfeld System Engineering, das Komponenten rund um die Themen Karosserie und Antriebsstrang für die Automobilindustrie fertigt sowie Automatisierungslösungen für elektrische Speicher- und Antriebssysteme anbietet, sollen etwa 640 Stellen abgebaut werden. Insgesamt hat Thyssenkrupp für Restrukturierungen im laufenden Geschäftsjahr einen mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Betrag vorgesehen. Am stärksten betroffen vom Jobabbau sei der Standort Bremen mit 300 Stellen.

Gleichzeitig sollen in Wachstumsbereichen, zum Beispiel in der Elektromobilität, der Digitalisierung und im Servicegeschäft gestärkt und ausgebaut werden, wodurch rund 100 neue Stellen in den kommenden zwei Geschäftsjahren geschaffen werden könnten. Thyssenkrupp hatte die Verluste schreibende Sparte im Mai auf den Prüfstand gestellt.

Knapp 400 Menschen in der Zentrale weniger

Auch die Zentrale soll verschlankt werden. So sollen beim Komponentengeschäft sowie beim Anlagenbau die Führungsgesellschaften weitgehend aufgelöst werden. Damit bestätigte Thyssenkrupp frühere Spekulationen. Die Zahl der knapp 800 Mitarbeiter werde auf etwa 430 in den kommenden zwölf Monaten reduziert.

Bei seinem zur Disposition stehenden Aufzuggeschäft hat sich Thyssenkrupp noch nicht entschieden. So lägen dem Konzern indikative Angebote von strategischen Investoren sowie von Finanzinvestoren vor. Auch ein möglicher Börsengang soll weiter verfolgt werden.

Aufzugsparte: Käufer gesucht

Die Erlöse aus einem Verkauf oder Börsengang braucht der Konzern, um seinen Umbau zu finanzieren. Auch für das Stahlgeschäft soll es ein Zukunftskonzept geben. Es soll im Dezember dem Aufsichtsrat der Sparte vorgestellt und mit Arbeitnehmervertretern besprochen werden.

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Im Geschäftsjahr 2018/19 (per Ende September) fuhr Thyssenkrupp wegen der operativen Probleme einen deutlich höheren Verlust ein als im Jahr davor. Dazu drückten Restrukturierungskosten sowie Rückstellungen für ein Kartellverfahren. Der Fehlbetrag stieg von 62 Mio. auf 304 Mio. Euro. Die Dividende strich der Konzern.

Besserung ist für das laufende Jahr nicht zu erwarten. Thyssenkrupp geht im Stahlgeschäft von einer schwächeren Entwicklung aus. Das bereinigte Ebit soll daher das Niveau des Vorjahres von 802 Mio. Euro erreichen. Die Restrukturierungskosten würden zu einem deutlich höheren Verlust führen als im Vorjahr, kündigte Thyssenkrupp an. (dpa/reuters/apa/red)

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