Stahlindustrie : Thyssenkrupp erteilt Liberty Steel eine Abfuhr

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© Peter Martens

Der deutsche Stahlriese Thyssenkrupp hat dem Angebot einer Übernahme des britischen Konzernsabend eine Absage erteilt. Liberty hatte Mitte Oktober ein nicht bindendes Angebot für Thyssenkrupps Stahlsparte "Steel Europe" vorgelegt. Die beiden Stahlkocher hätten zusammen den zweitgrößten Branchenriesen in Europa hinter Arcelormittal Europe geschmiedet. Doch dieser Plan ist nun vom Tisch: Die Vorstellungen beim Preis und der Finanzierung lägen zu weit auseinander, so Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg.

Der deutsche Traditionskonzern will das Stahlgeschäft nun in Eigenregie auf Vordermann bringen. Damit rückt das Thema Stellenstreichungen wieder in den Vordergrund. Der Vorstand hat bereits angekündigt, dass es nicht beim geplanten Abbau von 3.000 Jobs bleiben könne. Die Gewerkschaft IG Metall stand dem Angebot von Liberty skeptisch gegenüber.

Die Branche leidet seit Jahren unter Überkapazitäten, Billigimporten aus Fernost und immer schärfer werdenden Klimaschutzauflagen, die Coronakrise kam dann noch hinzu. Doch die Stahlsparte spürt wieder Rückenwind: Im ersten Quartal schrieb sie schwarze Zahlen und steht auf einmal wieder als Gewinnbringer da. "Das Stahlgeschäft von Thyssenkrupp bedarf der Neuaufstellung und der Adjustierung", betonte die Krupp-Stiftung, Thyssenkrupps größter Einzelaktionär. Es sei keine Zeit zu verlieren.

Gewerkschaft fordert eine Beteiligung des Staates

IG Metall-Vorstand Jürgen Kerner begrüßte, dass in Sachen Liberty nun Klarheit herrsche. "Jetzt müssen alle Ressourcen und Energien darauf verwandt werden, den Stahlbereich zukunftsfähig aufzustellen." Mit dem vor einem Jahr beschlossenen Tarifvertrag 2030 gebe es eine gute Grundlage. "Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es angesichts des immensen Investitionsbedarfs ohne ein substanzielles Engagement des Staates im Sinne einer Brückenfinanzierung nicht gehen wird." Es müsse ein klares Bekenntnis von Seiten des Landes NRW oder des Bundes für die Zukunft des Stahls geben. Kerner ist auch stellvertretender Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp AG.

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Die deutsche Regierung hielt sich zurück und wollte die Absage von Thyssenkrupp an Liberty nicht kommentieren. "Das Bundeswirtschaftsministerium ist weiterhin im Austausch mit der Stahlbranche und den Sozialpartnern zu dem im Juli 2020 vorgelegten Stahlkonzept und dem sich hieran anschließenden Umsetzungsprozess."

Mit der Entscheidung schlug Thyssenkrupp die Anleger zunächst in die Flucht. Später drehte das Papier ins Plus, ehe es wieder abrutschte. Die Absage an Liberty zeige bei Thyssenkrupp auch eine Position der Stärke, sagte ein Händler. Einige Experten hatten davor gewarnt, die Stahlsparte - das Herz und Symbol des über 200 Jahre alten Ruhrkonzerns - unter Wert zu verkaufen.

Auch das Management war in den vergangenen Tagen immer selbstbewusster aufgetreten und auf Distanz zu Liberty gegangen. Finanzvorstand Keysberg begründete die Absage mit den Worten: "Zum einen lagen die Vorstellungen zu der Bewertung des Geschäftes zu weit auseinander. Zum anderen standen Fragen zur Finanzierungsstruktur und damit Sicherheiten im Raum, für die wir am Ende keine gemeinsame Lösung gefunden haben."

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Beobachter erwarten weitere Konsolidierung der Stahlindustrie

Die Konsolidierung der Schwerindustrie in Europa dürfte früher oder später wieder auf die Tagesordnung kommen. Tata Steel Europe ist daran ebenso interessiert wie die schwedische SSAB-Gruppe oder Liberty. Der britische Konzern und sein Gründer Sanjeev Gupta wollen am Ball bleiben. "Wir haben die Gespräche zu diesem Zeitpunkt beendet, weil die Preisvorstellungen zu weit auseinanderliegen. Aber wir halten die Tür für weitere Gespräche offen. Wir glauben, dass wir die Bewertungslücke zu gegebener Zeit beseitigen können." (reuters/apa/red)

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