Stromhandelszone : Stromhandel mit Deutschland bleibt - aber mit Beschränkungen

Der grenzüberschreitende Stromhandel an der deutsch-österreichischen Grenze wird mit Oktober 2018 zwar eingeschränkt, doch bleibt er auf Höhe des halben Austro-Spitzenverbrauchs weiter möglich. Und sobald ein fehlendes Leitungsstück bei St. Peter/Salzburg fertig ist, kann die zu vergebende Langfristigkapazität bis 2024 sogar wieder auf fast drei Viertel der Spitzenmenge angehoben werden.

Die Einigung der beiden Regulatoren, der deutschen Bundesnetzagentur und der österreichischen E-Control, sieht vor, dass ab Anfang Oktober kommenden Jahres 4.900 Megawatt (4,9 GW) Strom durch Langfristigkapazitäten vergeben werden können - was etwa der Hälfte des österreichischen Verbrauchs zu Spitzenzeiten entspricht. "Wir haben damit letztlich ein gutes Ergebnis erreicht", erklärten die E-Control-Vorstände Wolfgang Urbantschitsch und Andreas Eigenbauer.

Damit bleibe der bilaterale Stromhandel weitgehend in dem vom Markt benötigten Ausmaß offen. Und: "Wir haben eine Lösung erreicht, die die Auswirkungen auf die österreichischen Stromkunden so gering wie möglich hält."

Durch die Fertigstellung der Leitung St. Peter/Isar solle die Kapazität bis 2022 auf 6 GW und bis 2024 auf 7 GW steigen, sagte Urbantschitsch im Gespräch mit der APA. Doch schon mit den jetzt für Herbst 2018 fixierten 4,9 GW werde sich ein Gutteil des bilateralen Stromhandels sehr gut darstellen lassen. "Es werden also keine Leitungen gekappt, und es gibt nach wie vor eine hohe Kapazität."

Der gefundene Kompromiss sei "ein schönes Ergebnis", das es in dieser Form mit anderen Ländern gar nicht gebe. Hätte man sich nicht mit der deutschen Bundesnetzagentur geeinigt, hätte Deutschland ja - schon vor längerem beschlossene - einseitige Maßnahmen in Kraft gesetzt, die gravierender ausgefallen wären.

Für den Kompromiss mit Deutschland musste Österreich sich freilich bereit erklären, ab Herbst 2018 bestimmte kalorische Erzeugungskapazitäten für deutsche Übertragungsnetzbetreiber bereitzuhalten - und zwar zunächst 1 GW und ein Jahr später, ab Oktober 2019 dann 1,5 GW.

Rufen deutsche Übertragungsnetzbetreiber diese Reserven etwa für Redispatch ab, so müssen sie dafür auch zahlen. "Für die Deutschen ist das viel wert, weil sie dann zur Versorgungssicherheit auf gesicherte Kraftwerksreserven zurückgreifen können."

Nota bene müsse sich Österreich ohnedies auch aus eigenem Interesse darum kümmern, um ausreichend Kraftwerkskapazität zu haben. Die entsprechenden Verträge mit den Betreibern heimischer Gaskraftwerke schließt der Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) ab.

Mit der Kapazität, auf die man sich verständigt habe, seien die Auswirkungen auf den heimischen Strompreis sehr gering, genau seien diese aber nicht zu beziffern, betonten die E-Control-Vorstände. Beim Großhandelspreis könnten etwaige Kostensteigerungen maximal zirka fünf Prozent betragen. Für einen durchschnittlichen Haushaltskunden werde es kaum Auswirkungen geben.

Wirtschafts- und Energieminister Reinhold Mitterlehner bezeichnete die Einigung am Montag als einen "guten Kompromiss im Sinne des Standorts". Damit bleibe der Stromhandel zwischen beiden Ländern weitgehend möglich, die Unternehmen hätten Planungssicherheit. Und damit seien auch die Auswirkungen der von Deutschland initiierten Entwicklung deutlich geringer als anfangs befürchtet, erklärte Mitterlehner über seinen Sprecher.

Die deutsche Bundesnetzagentur nannte am Montag in einer Aussendung die Einführung der Engpassbewirtschaftung an der Grenze mit Oktober 2018 "eine sinnvolle und nachhaltige Maßnahme". Denn der uneingeschränkte Handel zwischen Deutschland und Österreich habe in der Vergangenheit immer wieder Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Systemsicherheit erforderlich gemacht und zu Einschränkungen beim Handel mit anderen Nachbarländern beigetragen. Die Engpassbewirtschaftung sei nötig, da die Austauschkapazität selbst bei Umsetzung des geplanten Netzausbaus auch langfristig nicht ausreichen könne, um Handelsspitzen zwischen den beiden Ländern zu transportieren. Der Kompromiss der beiden Regulierer muss nun noch mit andern europäischen Staaten und der EU-Kommission konsultiert werden.

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Was Voestalpine-Chef Eder dazu meint - und warum die Entscheidung ein direkter Faktor für oder gegen den Bau eines neuen Edelstahlwerks im steirischen Mürztal ist >>>

Der Kompromiss zwischen Deutschland und Österreich betreffend grenzüberschreitendem Stromhandel sorgt nur für ein leichtes Aufatmen in der Industrie. "Mit der heute präsentierten Entscheidung ist zwar nicht der 'worst case' eingetreten, aber dennoch muss für die Zukunft von einer Erhöhung der Stromkosten für die voestalpine-Standorte in Österreich ausgegangen werden", so CEO Wolfgang Eder zur APA.

Dank der erzielten Einigung zwischen den Regulatoren der beiden Länder, der deutschen Bundesnetzagentur und der österreichischen E-Control, werde der "unbegrenzte Stromhandel zwischen den beiden Märkten zwar nicht gänzlich gekappt, aber dennoch einschränkt", sagte der voestalpine-Chef am Montagnachmittag.

Für den Bau eines neuen Edelstahlwerks im steirischen Mürztal bedeutet der Kompromiss offenbar jedenfalls noch nicht automatisch grünes Licht. "Wie weit sich aus der heutigen Entscheidung konkrete Auswirkungen auf den geplanten Bau eines neuen Edelstahlwerkes der voestalpine ergeben, wird - wie bereits mehrfach dargelegt - bis Herbst 2017 zu entscheiden sein", meinte Eder vorsichtig.

Erst kürzlich hatte er das Investment in Kapfenberg - immerhin 250 bis 300 Mio. Euro zwischen 2019 und 2021 - an die künftige Strompreisentwicklung geknüpft und dabei von befürchteten Erhöhungen von 40 Prozent und mehr gesprochen. "Das Schlüsselhindernis im Moment ist, wohin geht der Strompreis", hatte Eder vor knapp zwei Wochen vor Journalisten in Wien gesagt.

Die Gefahr größerer Strompreiserhöhungen wäre jetzt einmal gebannt - die Stromzonentrennung zwischen Deutschland und Österreich, die fast zwei Jahre lang drohte, kommt dank der heutigen Einigung zwischen den beiden Ländern nicht in der befürchteten Dimension. An der Investitionsentscheidung der voestalpine hängen 3.000 Arbeitsplätze in der Steiermark. (APA/red)