USA-Expansion : Stoelzle-CEO Georg Feith: "Wir schlagen keine Haken"

Stoelzle-Chef Georg Feith im Office
© Stoelzle

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Feith, beim Ausbruch der SARS-Pandemie 2002 jobbte der heutige Miba-CEO Franz Peter Mitterbauer, mit dem Sie eine Freundschaft verbindet, bei Stoelzle Oberglas im Asien-Vertrieb. Ein teuflischer Job, urteilte ein Weggefährte. Seit 2018 führen Sie die Verpackungsglasgruppe und es gilt neuerlich ein Unternehmen durch die Pandemie zu führen. Wie hart ist das?

Georg Feith: Mitterbauer entwickelte den Markt für Fernost. Ein hartes Pflaster, lokal begrenzt. Heute ist es für alle schwierig, ein Geschäft zu entwickeln. Jeder ist auf heimische Gefilde zurückgeworfen. Erst im vergangenen vierten Quartal nahmen wir wieder die Reisetätigkeiten auf. Im November flog ein fünfköpfiges Team von uns in die USA, um die Akquise eines Produktionswerks in Pennsylvania zum Abschluss zu bringen. Drei dieser fünf Personen infizierten sich mit Covid-19, darunter ich. Die Verlaufe waren glücklicherweise mild.

Was war zu tun, um das internationale Geschäft zu stabilisieren?

Feith: Das Geschäftsjahr 2020 lief trotz aller Verwerfungen gut. Im Segment Pharma lagen wir deutlich über Plan. Schwieriger lief es im Bereich Perfumery & Cosmetics und Spirits. Dort verzeichneten wir Einbrüche. Vorübergehend unterbrachen wir die Produktionen in Masnières und West Yorkshire. Die dortigen Kurzarbeitsmodelle machten es möglich, die Mitarbeiter mit staatlicher Unterstützung ein paar Monate zuhause zu lassen. Aber nicht alle. Eine Glaswanne schaltet man nicht für den Zeitraum von ein oder zwei Monaten ab, die produziert bei laufenden Kosten weiter.

In der Glasgruppe arbeiten etwa 3.000 Mitarbeiter. Kam man ohne personelle Einschnitte durch?

Feith: Nach einer Reduktion des Personalstands im französischen und britischen Werk um fünf Prozent haben wir den vorherigen Personalstand mittlerweile wieder weitgehend erreicht.

Was sprach für den Eintritt in den US-Markt?

Feith: Wir waren seit 2019 am Erwerb dieser Hütte dran. Der Kauf sichert uns Wachstum, vor allem im Bereich Spirituosen. Ende 2019 kamen wir hier nicht zum Abschluss. Da wurde taktiert. Anfang 2020 kam der Private-Equity-Fonds wieder auf uns zurück. Die Due Diligence und die Vertragsverhandlungen für die Übernahme haben, Corona geschuldet, fast ein ganzes Jahr gedauert.

Mit August Grupp, dem mittleren der drei Söhne von Eigentümer Cornelius Grupp, steht dem Amerikageschäft von Stoelzle nun einer vor, der wie gemacht scheint für den Job: Er leitete anderthalb Jahre den Geschäftsbereich Spirits und war von 2010 bis 2019 Mitglied des Stoelzle-Aufsichtsrats.

Feith: August Grupp stieß 2019 operativ ins Unternehmen, nachdem er innerhalb und außerhalb der Gruppe in unterschiedlichsten Positionen tätig war. Mit seiner Erfahrung und seiner exzellenten technischen und wirtschaftlichen Kenntnisse ist er der richtige Mann für den Job.

Zwei der drei Söhne Cornelius Grupp´ arbeiten im Unternehmen, der dritte soll nächstes Jahr eintreten. Was macht ein eigentümergeführtes Unternehmen in mittlerweile sechster und siebter Generation aus?

Feith: Wir schlagen keine Haken. Hier wird nicht nach fünf oder sieben Jahren wieder verkauft, um etwas für sich herauszuholen. In den nächsten vier Jahren wollen wir im Werk Monaca 50 Millionen Dollar investieren.

Wie schnell wird die Eingliederung des Werks Monaca in den Stoelzle-Verbund über die Bühne gehen?

Feith: Wir erwarben das Werk über einen Asset-Deal. Es gilt jetzt Overheadstrukturen aufzubauen. Da denken wir stark in lokalen Strukturen mit einem lokalen Management, wie es in der CAG Holding immer gehandhabt wurde und wird. Wir schicken langfristig keine Österreicher oder Deutsche.

Ihre eigene Laufbahn führte Sie 1993 in die Firmengruppe von Cornelius Grupp: Sie starteten bei Stoelzle als Assistent von Vorstand Otto Mayer, übernahmen später den CEO-Posten beim Aluminiumverarbeiter Neuman, dann folgten sechs Jahre als CEO bei Glanzstoff, ehe Sie in die Holding und schließlich zu Stoelzle wechselten. Weil es den Montanisten in Ihnen nicht nur zurück ins operative Geschäft, sondern auch zurück ins Glasbusiness zog?

Feith: Wir greifen in der CAG zu, wo es notwendig ist. Mit dem Weggang von Johannes Schick war die Stelle nachzubesetzen. Mit jemanden von außen oder intern, letztlich wurde es die zweite Variante. Das ist die eine Erklärung. Die andere: Glas ist ein Werkstoff, der einen packt und nicht mehr loslässt. Es hat etwas archaisches, wenn das geschmolzene Glas in die Form hineinschießt.

Wie frei ist man in seinen operativen Entscheidungen in der CAG?

Feith: Die CAG ist sehr dezentral organisiert, in der Holding sitzen nur eine Handvoll Leute. Es gibt große Freiheiten in der operativen Führung. Das macht uns in der Umsetzung sehr schnell. Und das zeigt sich im Wachstum der Gruppe, die old economy ist und, öffentlichkeitsscheu wie wir sind, eher im Verborgenen blüht: In 20 Jahren hat sie ihren Umsatz mehr als verdreifacht.

Welche Investitionen gehen Sie neben der USA an?

Feith: Wir wollen in allen Segmenten wachsen und nehmen dafür auch Geld in die Hand. In Frankreich investierten wir im Vorjahr 20 Millionen Euro in eine neue Glaswanne. Im ersten Quartal 2022 errichten wir auch in Polen eine neue Glaswanne. Und in Köflach erfolgt der Bau einer neuen Wanne mit ebenfalls 20 Millionen Euro Investitionsvolumen noch heuer im vierten Quartal.

Was kann diese neue Technologie?

Feith: Es erfolgt ein sukzessives Umschichten von Gas auf Strom. Bei den neuen Wannen liegt das Verhältnis bei 60 Prozent Gas und 40 Prozent Strom. Natürlich mit dem Ziel, auf erneuerbare Energie zu setzen. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch das EU-Projekt Schmelzwanne der Zukunft, in dem wir dabei sind: Dort soll im Zusammenschluss fast aller europäischer Player eine Hybrid-Oxyfuel-Schmelzwanne entstehen, die zu 80 Prozent mit Strom aus Erneuerbaren betrieben wird.

Denn das ist die Achillesferse der Glasindustrie: Die Erzeugung. Was das Recycling betrifft, ist Glas unschlagbar. Manche Almdudler-Flasche etwa, wie wir sie noch aus den 70ern kennen, wird heute noch befüllt. Sie ist dann vielleicht nicht mehr sehr ansehnlich, aber ihre Energiebilanz ist top.

Wie digitalisierbar sind die Prozesse der Glaserzeugung?

Feith: Wir begannen vor drei Jahren, die Vernetzung der Produktionsmaschinen selbst in die Hand zu nehmen. Von unserem englischen Werk aus rollen wir die Technologie und die Prozesse auf die anderen Standorte aus. Auch aus Gründen des Know-how-Schutzes. Und das durchaus in kurzen, schnellen Sprints.

Bis Oktober des Vorjahrs waren Sie Vorsitzender des Cartellverbands. In dieser Rolle kritisierten Sie die Dauer österreichischer Genehmigungsverfahren und andere Knüppel, die man Unternehmern zwischen die Beine wirft. Wie lautet ihre Zwischenbilanz der Pandemie-Arbeit der Regierung?

Feith: Im internationalen Vergleich schlagen wir uns wacker. Zu kämpfen hatten die letzten Monate alle. Aber Österreichs Industrie, die es sicher wegen der Tourismusorientierung eine Spur härter erwischt hat, steht wieder sehr gut da. Und die durch die spezielle Förderung ausgelösten 38 Milliarden Euro Investitionen, die jetzt den Aufschwung stützen sollen, werden sicher nicht nur Mitnahmeeffekte sein.

ZUR PERSON

Georg Feith, 59,

ist seit 2018 CEO der Stoelzle Glasgruppe. Der ausgebildete Montanist und MBA (UC Berkeley) startete seine Laufbahn nach 3 Jahren als Berater bei Bain & Company in 1993 als Assistent bei Stoelzle Oberglas, ehe er die Position des CEO beim Aluminiumverarbeiter Neuman und später jenen bei Glanzstoff übernahm. 2016 wechselte er in die Geschäftsführung von Cornelius Grupp´ CAG Holding. Feith ist Aufsichtsrat bei der Austria Glas Recycling GmbH und Unirat der Montanuniversität. Der gebürtige Wiener ist verheiratet und Vater von einer Tochter und zwei Söhnen.