Green Logistics : So wird die Logistik grün

Es sind nur einige wenige Handgriffe. Dann entfaltet sich der Hunderte Quadratmeter große Zugdrachen und steigt vom Bug des Frachtschiffs in die Höhe. Bis zu 400 Meter hoch, je nachdem, wo der Wind gerade günstig ist. Der Gedanke: Fährt ein Frachtschiff mit dem Wind, soll der in Achterschleifen fliegende Zugdrachen einen Teil des Vortriebs übernehmen. Bei idealen Bedingungen, heißt es seitens des Bremer Herstellers SkySails, könne das im Grunde simple System helfen, bis zu 35 Prozent der Emissionen eines Schiffes einzusparen.

Die ersten mit Zugdrachen ausgestatteten Frachtschiffe sind auf Testrouten unterwegs. „Die Idee, die Naturenergie Wind zu nutzen, um Emissionen in der Seefracht zu reduzieren, finde ich spannend“, sagt Anna Krenn, bei DB Schenker in Österreich für Umweltmanagement zuständig. Kleine Einschränkung: „Ob und wann derartige Projekte marktreif werden, ist aber noch nicht absehbar.“

Eine Einschränkung, die allenthalben auftaucht. Während das Thema „Green“ in der Logistik längst etabliert ist, lassen die großen technologischen Durchbrüche auf sich warten. Das Risiko, Geld in genialische Ideen mit unbekannter Wirkung zu stecken, scheuen die Unternehmen. Stattdessen stehen die Zeichen auf Optimierung. Wolfram Senger-Weiss, Vorstand der Gebrüder Weiss, sieht genau hier noch zahlreiche Möglichkeiten der Verbesserung. „Aber echte Veränderungen geschehen nun einmal nicht von alleine, dazu bedarf es einerseits des Erfolges im Markt, aber andererseits auch der Rechtssicherheit.“

Straße: Wann kommt der Durchbruch bei den Antrieben?

Beispiel Straßentransport. Wohl kein Bereich steht so stark unter ökologischer Beobachtung wie die klassische Logistik per Lkw. Was wohl daran liegt, dass sie einfach am sichtbarsten sind. Und unzweifelhaft hat sich in den vergangenen Jahren bei der Motorenentwicklung viel getan – siehe Euro-Klassen.

Doch die wirklich großen Sprünge bleiben aus. Hybridantriebe? Wasserstoff? Lange nichts gehört. Vieles geht hier einfach zu langsam, sagt Wolfram Senger-Weiss: „Wenn man sich ansieht, wie schleppend im Grunde die Entwicklung der Elektromobilität im Pkw-Bereich vor sich geht, muss man sich nicht wundern, dass im Bereich der Lkw fast gar nichts passiert. Dabei wäre doch zumindest bei den Klein-Lkw einiges möglich. So jedoch bleiben wir meist im Bereich von Sonderprojekten, also umgebauten Serienfahrzeugen.“ Kritik am Gesetzgeber? Aber klar: „Ein Beispiel unter vielen“, sagt Senger-Weiss, „ist die Tatsache, dass die relativ schwere Batterie eines Klein-Lkw dessen höchstzulässige Nutzlast senkt. Würde die Nutzlast davon unabhängig berechnet, könnte dies die Entwicklung wohl beschleunigen.“

So bleibt es einerseits bei – immerhin zahlreichen – Praxistests bestehender Technologien: DB Schenker setzt auf eine kontinuierliche Erneuerung des Fuhrparks – hier werden laufend Verbesserungen erzielt wie die Reduktion des Treibstoffverbrauchs durch bessere Aerodynamik, Antriebstechnik oder Gewichtsreduktionen der Fahrzeuge, erzählt Anna Krenn.

Doch auch im Straßentransport gibt es kleine, feine Ideen, die in Summe derzeit mehr zu bewegen scheinen als große Sprünge. Das Kärntner Unternehmen GreenBox etwa bietet eine Technologie an, das über auf Kfz montierte Feinstaubfiltersysteme ermöglicht, Partikel aus der aufgewirbelten Umgebungsluft zu filtern. Ein ähnliches System befindet sich derzeit im Praxistest besonderer Art: Bei im Konvoi fahrenden Lkw soll jeweils das folgende Fahrzeug Emissionen der Vorderfahrzeuge filtern.

Besonders spannend sind laut Anna Krenn perspektivisch gesehen die Hybrid-Technologien: „Langfristig wird es wahrscheinlich einen Mix aus alternativen und konventionellen Antrieben geben. Auch das Thema der elektrischen Antriebe ist derzeit neben der Optimierung und Effizienzsteigerung von konventionellen Motoren stark im Fokus.“

Selbst in Sachen Aerodynamik ergeben sich immer wieder kleine Verbesserungen, die Wolfram Senger-Weiss allerdings mit leichtem Sarkasmus kommentiert: „Leider stoßen wir auch hier immer wieder an die Grenzen der Gesetzgebung, obwohl es sehr oft – siehe Anpassung der Nutzlast – eigentlich nur um Kleinigkeiten geht. Ähnliches gilt ja für die maximale Länge von Lkw und damit die Möglichkeiten zur Verbesserung der Aerodynamik. Die Form heutiger Lkw ist auf die bestehenden Gesetze optimiert und nicht auf Aerodynamik.“ Auf das Reizthema Gigaliner geht er in diesem Zusammenhang gar nicht erst näher ein. Nur so viel: „Das ist für mich ein typisches Beispiel dafür, dass unsere Politik nicht unbedingt die Ökologisierung des Transports im Fokus hat.“

See: Extreme Ideen versus Entdeckung der Langsamkeit

Dass es gerade im Bereich der Seefracht besonders kühne Ideen gibt, ist angesichts des massiven Footprints in diesem Bereich eigentlich naheliegend. Die Pläne gehen über Zugdrachen weit hinaus. So wird immer wieder der klassische Segler als Alternative ins Spiel gebracht, und seit einigen Wochen halten sich hartnäckige Gerüchte, der VW-Konzern plane in dieser Richtung Größeres.

Am weitesten geht wohl das norwegische Unternehmen Lade AS, das einen extremen Entwurf vorlegt und derzeit Financiers dafür sucht: Ein Frachtschiff, dessen hoch aus dem Wasser ragender Korpus selbst Ähnlichkeit mit einem Segel aufweist – und somit als ganzes vom Wind (mit)angetrieben werden soll.

Analog zur Aerodynamik gibt es auch im jahrtausendealten Schiffsbau immer noch Weiterentwicklungen in der Hydrodynamik. So wurde etwa in den vergangenen Jahren der Wulstbug stetig weiterentwickelt, eine Art Rammsporn, der entgegen seiner Anmutung den Widerstand des Wassers immer weiter senken hilft. Auch im Bereich der Seefracht bleibt es jedoch vor allem bei Optimierungen. Das „Slow Steaming“ etwa gilt derzeit als sinnvollste Methode, den massiven Schwerölverbrauch der Ozeanriesen einzudämmen. Laut Anna Krenn führt eine Halbierung der Geschwindigkeit dazu, dass nur noch rund ein Zehntel der Leistung und damit des Kraftstoffs benötigt würden. Immer mehr Reedereien, erzählt sie, optimieren ihre Flotten derzeit auf Slow Steaming.

Luft: Abkürzungen und neue Triebwerke

Selbst im Luftfrachtbereich – aerodynamisch wohl weitgehend optimiert – gibt es noch technische Weiterentwicklung. Moderne Triebwerke etwa, die im Vergleich mit den herkömmlichen um bis zu 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen. Und selbst in der Luft gibt es so etwas wie Routenoptimierung. „Unter strengen Sicherheitsauflagen“, erzählt Anna Krenn, „ist es Piloten beim Fliegen von geplanten Abkürzungen erlaubt, weniger Kerosin an Bord zu nehmen. Dadurch wird das Flugzeug leichter und die Emissionen sinken.“ Hinzu kommen Gleitanflugtechniken, mit denen der Schub vermindert werden kann.

Schulterschluss?

In Senger-Weiss’ Augen schlägt sich Österreich im Feld der Green Logistics übrigens nicht ganz so gut, wie es das könnte. „Gerade als kleines Land könnten wir hier wirklich Vorreiter sein. Wir haben hier eine breite Basis an hoch innovativen Industrie- und Logistikunternehmen.“ Allerdings bedürfe es eines Schulterschlusses zwischen Industrie und Logistikern und eines politischen Willens, der das entsprechende Umfeld schafft.

Und er weist darauf hin, dass eine Technologie in diesem Zusammenhang meist übersehen werde: „Eine in diesem Sinne ‚grüne’ Technologie kann auch die IT sein: Bessere Auslastung, Bündelungen, betriebsübergreifende Optimierung – all das sind wohl die besten Mittel, um Emissionen zu vermeiden.“

(bf)