Arbeitsorganisation : So verändern Konzepte von „New Work“ die Innovationsfähigkeit von Knapp

New Work
© Fotolia / IM Grafik

Unter "New Work" ist mehr zu verstehen, als großzügig ein Auge zuzudrücken, wenn der Controller freitags lieber aus dem Home Office arbeiten will. Neue Markt- und Produktlogiken erfordern die schnelle Maximierung von Kreativmitteln, ein Ausruhen auf Skaleneffekten ist nicht mehr zeitgemäß. Allerdings braucht ein angstfreier Raum für Innovation ein Aufbrechen althergebrachter, hierarchischer Strukturen.

Das rüttelt am Fundament klassischer Organisationen. Bisher erwartete man von CEOs Sicherheit, Stabilität, den langfristigen Plan. "Heute braucht es mehr als einen Wortführer, um die digitalen Möglichkeiten auch nur annähernd auszuschöpfen", sagt ein CEO eines heimischen Maschinenbaubetriebs. Die Zerlegung von Abläufen in definierte, wiederholbare Schritte nährte bisher zuallererst die Kaste der Controller, die "mit hochgezogenen Augenbrauen die Welt gegenüber dem Plan beurteilen", sagt Engelbert Wimmer, Geschäftsführer des Beratungshauses e&Co. Jetzt sollen Unternehmen zur Flaniermeile junger Innovationsathleten werden, das Management agil "an unendlich vielen Stellen Feedback zulassen", beobachtet Wimmer.

"Es gibt keine KPIs, keinen Druck zu liefern"

Doch den Firmentyrannen bleiben die jungen Wilden heute ohnehin nicht lange treu. Genauso wie im Silicon Valley, wo sich Entwickler den attraktivsten Arbeitsplatz aussuchen und nicht jenen mit dem größten Despoten, suchen sich längst auch in der Industrie Vertreter der Generation Y ein gestaltbares Umfeld.

Gerald Hofer, CEO des Lagerautomatisierers Knapp, versucht Mitarbeitern ein solches zu bieten: Seinem früheren Leiter des Geschäftsbereichs Vision, Peter Stelzer, schuf er im steirischen Dobl ein Start-up-Umfeld, in dem er mit einer 25-köpfigen Entwicklertruppe Innovationen nach seinen Vorstellungen treiben darf. Auch Stelzers 40-minütigen morgendlichen Entspannungsübungen, in denen er sich „zentriert“ (O-Ton Stelzer), sind für Hofer kein Problem. Auch Vorstandskollege Franz Mathi denkt ähnlich. In einem Technologiepark in Klagenfurt eröffnete Knapp ein Planungsbüro und heuerte acht neue Mitarbeiter an. „Hart bei Graz ist nicht der Nabel der Welt“, begründet CTO Mathi den Schritt. Man könne nicht voraussetzen, „dass jemand seinen Lebensmittelpunkt verlagert, nur weil es uns hier gibt“.

Eine Unternehmenskultur, die auch Peter Puchweins Zehn-Uhr-Meeting mit dem Vorstand an einem Märztag vor ziemlich genau zwei Jahren ziemlich kurz ausfallen lässt: Puchwein, seit über sieben Jahren Entwicklungschef bei Knapp, seit mehr als 13 Jahren im Unternehmen tätig, umreißt im Vorstandsbüro im Headquarter in der Günter Knapp-Straße 5-7 seine Idee: Sogenannte Future Teams, aus freiwilligen Mitarbeitern der Organisation zusammengestellt, sollen sich in kleinen agilen Einheiten abseits des Tagesgeschäfts mit Zukunftsfragen beschäftigen.

Ohne ständig Statusberichte an ihn, den obersten Entwickler, abliefern zu müssen, dafür vielmehr in enger Selbstabstimmung. Der Vorstand gibt nach kurzer Diskussion grünes Licht. Nur Wochen später nehmen die ersten Teams ihre Arbeit auf. Doch die Arbeit in den Kleinstteams geht nicht so recht voran.

Der eigens geschaffene Kreativraum, wenige Gehminuten von der Unternehmenszentrale entfernt – eine frühere Halle für Testaufbauten –, entpuppt sich nur als bedingt optimal: Die gemischten Teams aus Entwicklern, Logistikern und Vertriebsprofis können hier zwar für mehrere Wochen am Stück ihren entwicklerischen Träumen nachhängen.

Auch der Ergebnisdruck auf die einzelnen Mitglieder ist überschaubar (O-Ton Puchwein: „Es gibt keine KPIs, keinen Druck zu liefern“). Aber die Future Teams fremdeln mit ihrem neuen Arbeitsplatz. Die Kollegen der angestammten Abteilung werden schmerzlich vermisst. Eine Abstoßungsreaktion, die in klassischen Organisationen das Management veranlassen würde, die Reißleine zu ziehen. Doch die Knapp-Mitarbeiter bekommen die Möglichkeit, ihr Umfeld aktiv zu verändern. „Sie passten die Organisationsform immer wieder an ihre Bedürfnisse an“, schildert Puchwein.

"Wir challengen Statussymbole"

Am Ende stellte sich ein Modus, bei dem eine Hälfte der Woche in der angestammten Abteilung, die andere im Innovationsraum gearbeitet wird, als Königsweg heraus. Mittlerweile 15 Teams schickte Knapp in den zwei Jahren auf diese kurzen Innovationsreisen.

Das funktioniert so gut, dass eine Idee sogar zum Geschäftsmodell wurde. „Wir holen das Zukunftsteam nun als Kernmannschaft einer neuen Abteilung namens ‚Robotics & Machine Learning‘ in die Hauptorganisation zurück“, sagt Puchwein.

Ein neues Verständnis einer Organisation, mit dem man ganz bewusst Statussymbole herausfordert: Die organisatorische Zuordnung der Abteilung innerhalb der Knapp-Welt war zweitrangig, “es geht um die Inhalte und um den Spaß, an neuen Ideen zu arbeiten”, heißt es im Unternehmen. Damit zieht sich das Knapp-Management bewusst aus Entscheidungsbereichen zurück, so wie es auch immer mehr andere Unternehmen tun.

„Wir werden durch unsere Erfahrungen natürlich gewitzter“, sagt ein Industrievorstand. „Aber das ändert nichts daran, mit unserer Führungskultur in den 80er- und 90er-Jahren sozialisiert worden zu sein. Solche Konzepte greifen dort, wo die jungen Wilden am Werk sind, aber nicht“, sagt der Vorstand.

Hier geht es zum gesamten Artikel

Lesen Sie hier mehr zum Innovationsmanagement bei Knapp

Dieses Duo hebt den Datenschatz bei Knapp

So setzt Knapp künstliche Intelligenz im Unternehmen ein

Aktuelles zu Knapp

Sattes Gewinnplus: Logistiker Knapp erreicht sein "Limit des Wachstums"