Hintergrund : So schlagen sich österreichische Firmen in der Türkei

Die türkische Wirtschaft geht trotz innen- und außenpolitischer Unstimmigkeiten ihren Weg, und das ohne große Abstriche, so lautet das aktuelle Fazit von Georg Karabaczek, österreichischer Wirtschaftsdelegierter in der Türkei. Einzig der Tourismus habe mit 30 Prozent Einbruch unter den Terror- und Bombenanschlägen 2015 und 2016 gelitten, so der Experte am Mittwoch vor Journalisten.

Die Hotelpreise in Städten wie Istanbul seien um 40 bis 50 Prozent gesunken, einige Hotels an der Küste hätten wegen der geringen Auslastung geschlossen. "Der Tagungstourismus ist auf null zurückgegangen, der Kreuzfahrtentourismus ebenso", sagte Karabaczek. "Tourismus ist Vertrauenssache und es wird Jahre dauern, das Vertrauen zurückzugewinnen." Karabaczek hält es dennoch für möglich, dass österreichische Touristen last minute in die Türkei kommen, weil Griechenland und Spanien ausgebucht seien.

In diesen Branchen gibt es Chancen für Österreichs Hersteller

Österreichische Unternehmen, die bereits in der Türkei tätig sind und überwiegend türkisches Management haben, investieren weiter, neue Unternehmen zögern jedoch, in die Türkei zu expandieren. "Die Lage vor Ort ist anders, als wenn man sie nur aus den Medien beobachtet", gibt Karabaczek zu bedenken.

Chancen für österreichische Unternehmen böten sich in der Baustoff- und der Verpackungsindustrie. Laut Wirtschaftsbarometer sei die Stimmung so gut wie lange nicht. "Nach dem Verfassungsreferendum im April 2017 sind Unternehmer und Konsumenten unabhängig vom Ausgang optimistisch geworden, weil wieder Stabilität eingekehrt ist", sagt Karabaczek. "Die Menschen sagen: Jetzt ist wieder eine Ruh'."

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Die Türkei stehe derzeit wieder mitten im Wahlkampf für die Wahlen, die 2019 geplant sind. Die Politik des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei auf wirtschaftliches Wachstum ausgerichtet, zeigte sich Karabaczek überzeugt: "Die Regierung ist nicht wirtschafts- und ausländerfeindlich, weil sie Wachstum will, um an der Macht zu bleiben."

Diese Macht soll Erdogan die wachsende Mittelschicht sichern, die unter seiner jahrelangen Führung erst entstanden sei. Politische Ereignisse, wie die zunehmende Beschneidung der Meinungsfreiheit und Festnahmen von politischen Gegnern und Andersdenkenden nach dem Putschversuch im vergangenen Jahr, hätten keinerlei Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben, - auch weil der Ausnahmezustand in der Türkei nicht der erste dieser Art sei, schildert Karabaczek seine Erfahrungen vor Ort.

Wachstum geht weiter

Das belegen auch Zahlen zum Wirtschaftswachstum: Als Mitglied der G-20 sei die Türkei unter den 20 größten Volkswirtschaften der Welt und verzeichne mit 3,2 Prozent in den Jahren 2014 bis 2016 ein Wirtschaftswachstum über dem OECD-Schnitt.

Heuer soll sich dieser Trend laut Konjunkturexperten fortsetzen, sagte Karabaczek. Hinter dem Wachstum stehen angezogener Konsum, aber auch die Industrie. Vor allem die Automobilindustrie liefere Top-Qualität. Sie sei auch nicht so sehr von der stetigen Abwertung der türkischen Lira betroffen, weil in diesem Segment re-exportiert werde, so Karabaczek.

Exporte aus Österreich in die Türkei sinken

Exporte aus Österreich in die Türkei sind im Vorjahr um 5,7 Prozent zurückgegangen, Erholung ist aber in Sicht. Die Türkei bleibt unter den 20 wichtigsten Exportmärkten für Österreich, das bei ausländischen Direktinvestitionen (FDI) in die Türkei auf Platz 3 liegt. Das gespannte Verhältnis zwischen den Ländern bestehe hauptsächlich auf politischer Ebene, sagte Georg Karabaczek. Nach der Drohung österreichischer Politiker, die EU-Verhandlungen mit der Türkei abzubrechen, hatte die Türkei ihren Botschafter in Wien abgezogen. Mittlerweile ist sein Nachfolger wieder im Amt. "Die Türkei hat keinen Plan B zum EU-Beitritt. Die Beitrittsverhandlungen sind noch immer der wichtigste Motor für Reformen", so Karabaczek. (APA/red)