Data Scienece : So krempeln Data-Miner die Industrie um

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Sie stehen auf große Datenmengen und deren Homogenisierung ist ihnen ein Hochamt. Sie legen Beziehungen zwischen Informationsschnipseln offen, die jeder andere schlicht übersehen hätte. Und sie sind in der Industrie, die Daten über stabilere Prozesse oder Zusatzdienstleistungen endlich zu Geld machen will, gefragter denn je: Data-Scientists.

Jedoch: „Die Rolle des Data-Scientist ist im produzierenden Mittelstand noch deutlich unterrepräsentiert“, beobachtet Michael T. Sander, CEO proALPHA Software Austria. Dies liege daran, dass im Mittelstand häufig aus budgetären oder personellen Gründen einzelne Mitarbeiter in mehrere Rollen zugleich schlüpfen müssten. Sander findet das zu kurz gedacht: „Erst durch Data-Mining oder Echtzeitdatenanalysen würden Unternehmen mitunter Differenzierung zum Wettbewerb erzielen. Doch ein Umdenken – etwa auch beim Lackdrahthersteller Schwering & Hasse – hat bereits eingesetzt. In welchen wissenschaftlichen Sphären tummeln sich die Data-Scientists – und wie ticken sie wirklich?

Deepak Dhungana, Siemens: Der Perfektionist

Er strebt nach der perfekten Datenanalyse und träumt von Losgröße-1: Deepak Dhungana tigert sich aus Überzeugung in Datenberge hinein.

Die ersten Monate fern der Heimat? Behauptete sich Deepak Dhungana tapfer, auch wenn Linz mit seinem Geburtsort, einem kleinen Nest 300 Kilometer westlich von Kathmandu, auf den ersten Blick nicht allzu viele Gemeinsamkeiten aufweist. Eine Verkettung mehrerer – letztlich nicht unglücklicher – Umstände führte Dhungana 2001 zum Informatikstudium in die oberösterreichische Stahlstadt.

Da war das Zeitalter der Kurzfristigkeit, der immer kürzeren Technologiezyklen längst eingeläutet – „von Big Data war damals aber noch nicht so breit die Rede“, schmunzelt Dhungana. 2009 erlangte er den Doktortitel in der Disziplin Computer- und Informationswissenschaft, 2011 dockte er bei Siemens an.

Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Die Möglichkeiten der Digitalisierung lappen heute quasi ins Unendliche. Dafür braucht es Unternehmen wie den deutschen Industrieelektronikriesen, die über die Initiationsschwelle der Digitalisierung treten. Und es braucht Menschen wie Dhungana, die Sätze wie die folgenden sagen: „Ich bin kein Domänenexperte. Als Datenanalytiker ist es mir aber vergönnt, tagtäglich mit ihnen zu arbeiten – das gibt dem Alltag Würze.“

Streben nach Perfektion

Daten – etwa mit intelligenten Algorithmen zur Zeitreihenanalyse oder Musterkennung – zu analysieren, die Ergebnisse aber auch so in Form zu bringen, dass sie für Mitarbeiter aus dem Siemens-Reich oder Kunden Nutzen stiften – das treibt Deepak Dhungana an. In dem einen oder anderen Projekt zum Siemens-eigenen Cloud-IoT-Betriebssystem (MindSphere) war er schon involviert. Gebäudedaten der Seestadt Aspern liefen ebenfalls schon durch seine Tools.

Oftmals geht es aber einfach auch nur um Troubleshooting. Um die Schadensursache für den Ausfall eines Reglermoduls an Bahnstationen zu erheben, half ein – zugegebenermaßen sehr aufmerksamer – Blick in die Welt der Daten: Als Störquelle entpuppte sich ausgerechnet ein zweites, in nächster Nähe zum ersten positioniertes Rechnermodul. Künftig will Dhungana, der derzeit auch im TU- Wien-Innovationslehrgang zur Digitalen Transformation (Digitrans 4.0) seine Expertise einbringt, noch stärker den digitalen Zielsetzungen der Industrie zuarbeiten: Wie lässt sich die Datenanalyse soweit perfektionieren, dass „beispielsweise mit wenigen Handgriffen die Losgröße-1-Produktion realisierbar wird?“, sagt er. Und in der Freizeit?

Widmet sich Dhungana, der zumindest einmal im Jahr versucht, in seine Heimat zu reisen, gern auch dem Selbststudium. Der Technologiekonzern Google etwa liefere immer wieder interessantes Anschauungsmaterial: mit seiner Programmbibliothek für künstliche Intelligenz (TensorFlow) etwa.

Gerhard Nachtmann & Martin Schipek, Knapp: Die Warenweltverbesserer

Der eine analysiert Daten des Konzerns, der andere formt aus diesem Substrat Software für das Lager der Zukunft: Die Knapp-Datenprofis Gerhard Nachtmann und Martin Schipek funktionieren im Duett.

Sie wurde als Anwärter auf den „Sexiest Job“ im 21. Jahrhundert gehandelt: Die Stelle des Data-Scientists, zu Deutsch Datenforscher. Haben die Umfragen recht behalten? Ist Gerhard Nachtmann gar in einem Glamourbusiness gelandet? Die Frage ernsthaft zu beantworten, untersagt ihm sein berufliches Ethos. Aber es stimme schon, gibt er 37-Jährige – seit heuer im Unternehmen tätig – zu: Daten gewinnen selbst in einem Unternehmen wie beim Lagerautomatisierer Knapp an Bedeutung, der einen großen Vorsprung aufgrund von Softwarekompetenz herausgearbeitet hat.

Das kann auch er bestätigen: Martin Schipek. Der Softwarearchitekt, seit 1999 bei Knapp, hat den Wandel des Unternehmens vom klassischen Maschinen- und Anlagenbauer zum Softwarehersteller hautnah miterlebt – und entscheidend mitgeprägt: „Vom ersten sogenannten Statistik-PC bis zu den heutigen Big-Data-Lösungen war es immer eine aufregende Zeit“, sagt Schipek. Eine der Herausforderungen heute: „Mit Erkenntnissen unserer Da- tenforscher Algorithmen unserer Software zu verbessern“, sagt er.

Schürfen im Datengebirge

Daten aus dem Anlagendesign oder dem operativen Lagerbetrieb in einen gemeinsamen Topf zu werfen und übergreifend mit spezialisierten Tools zu analysieren, ist folglich eine der Aufgaben von Nachtmann. Dass sich in seiner beruflichen Laufbahn – er arbeitete unter anderem bei der Statistik Austria und hat einen Lehrauftrag an der BOKU – immer größere Datenmengen anhäufen, nimmt er sportlich. Die Aufbereitung der

Daten sei die größte Herausforderung. In seiner unmittelbaren Arbeit sekundär für ihn: „Wo die Daten herkommen“, sagt er. Ziel von Knapp ist es, gemeinsam mit den Kunden durch Data-Science einen Mehrwert für logistische Lösungen zu generieren.

Robert Schoßleitner, Stiwa: Der KI-Fan

Er orchestriert die Data-Science beim Industrieautomatisierer Stiwa: Robert Schoßleitner will sich behutsam dem Thema künstliche Maschinenintelligenz nähern.

Den Mut und Vorwärtswillen, Dinge einfach einmal auszuprobieren und sich zu Neuem vorzutasten, fordert Robert Schoßleitner wie selbstverständlich auch heute noch von seinem Entwicklerteam ein. Klar ist aber auch: Der Attnang-Puchheimer Industrieautomatisierer Stiwa hat als einer der Pioniere in den letzten Jahren erstaunliche Landgewinne bei der Entwicklung von industriespezifischen Algorithmen erzielt. Explorative Algorithmen rücken deshalb in den Hintergrund, „immer öfter sind robuste Algorithmen, die Prozesse wie etwa das Ultraschallschweißen effizienter machen, gefragt“, sagt Schoßleitner.

Er ist Geschäftsbereichsleiter Manufacturing Software und kennt die Anforderungen der Industrie sehr genau: Zustandsüberwachte Maschinen sollen natürlich nur im Ernstfall Alarm schlagen; dies sicherzustellen sei – neben den Domänenexperten – eine Aufgabe von Data-Scientists. Ein Kollege, sehr stark in der Algorithmik, habe ursprünglich bei Stiwa Roboterbahnen berechnet, jetzt optimiert er etwa mittels Kraftmesswerten Schweißprozesse – „mathematisch ein ganz anderes Eck“, so Schoßleitner.

Mit KI zur Supermaschine

Aber wie wissen die Datenforscher, welche Daten einer breiteren Masse verfügbar und entsprechend aufbereitet werden sollen? Antizipation allein ist es nicht, stellt Schoßleitner klar. Ohne intensive Zusammenarbeit und den ständigen Austausch von Erfahrungswerten mit anderen Abteilungen läuft praktisch nichts. Die Aufgabenstellung wird, je näher man sich mit Konzepten der Unschärfelogik (Fuzzylogik) oder jenem neuronaler Netze an echte künstliche Intelligenz, also etwa an eine sich selbst nachregelnde Maschine, heranwagt, nicht gerade trivialer. „Aber auch mit Standardabweichung oder Mittelwert, also Instrumenten der statistischen Klasse eins, „lässt sich einiges bewegen“, sagt Schoßleitner.