Handelswege : So denken Entscheidungsträger über die Neue Seidenstraße

China will sich Europa wirtschaftlich nähern. Als Bindeglied soll dabei die Neue Seidenstraße, ein Geflecht aus Handelswegen zu Land, zu Wasser und in der Luft, fungieren. Allein China will über 900 Milliarden US-Dollar in das Projekt investieren. Bis 2049 soll „The Chinese Dream“ umgesetzt sein, für die Neue Seidenstraße selbst gibt es keine Deadline. Welche Hoffnungen Österreichs Transport- und Logistikbranche damit verknüpft, hat die FH des Bfi Wien (Studiengang Logistik und Transportmanagement) in einer brandaktuellen Studie erhoben.

Österreich könnte profitieren

Die Ausgangslage könnte an sich besser nicht sein. Für Österreich ist China drittwichtigster Handelspartner für Importe, „als offene und relativ kleine Volkswirtschaft könnte Österreich von einem Ausbau der Transportmöglichkeiten im besonderen Ausmaß profitieren“, ist Andreas Breinbauer, Studienautor und Leiter des FH-Studienganges Logistik und Transportmanagement an der FH des BFI Wien überzeugt: „Anhand der geografischen Lage und starker Wirtschaftsbeziehungen mit Osteuropa und dem Westbalkan könnte Österreich eine bedeutsame Rolle als Verkehrsknotenpunkt der Neuen Seidenstraße einnehmen. Folgerichtig bekennt sich die offizielle Politik zu einer Partizipation an der Belt and Road-Initiative (BRI).“ Allerdings wären die konkreten Umsetzungspläne mit Relevanz für Österreich immer noch relativ vage gehalten.

Gut fürs Unternehmen

Mit einer Online-Befragung unter Entscheidungsträger der österreichischen Transport- und Logistikbranche wollte man sich Klarheit darüber verschaffen, wie Wirtschaftstreibende das Thema Neue Seidenstraße beurteilen. Zwischen Jänner und April dieses Jahres wurden deshalb Fragebögen, bestehend aus offenen und geschlossenen Fragen, ausgeschickt. Von 139 erhaltenen Responses wurde 121 verwertbare Antworten einer Analyse unterzogen.

„Die zentrale Frage nach der Wirkung der Neuen Seidenstraße wird eindeutig beantwortet“, sagt Breinbauer. Demnach beurteilten 90 Prozent der Befragten die Auswirkungen der BRI auf den Standort Österreich (innerhalb der nächsten zehn Jahre, Anm.) als sehr, bzw. eher positiv. Beachtliche 85 Prozent erachten es als sehr wichtig, über das Thema Neue Seidenstraße regelmäßig auf dem Laufenden zu sein, knapp 75 Prozent fühlen sich aktuell über die Initiative sehr gut informiert – einerseits durch Fachmedien und Veranstaltungen, andererseits durch Geschäftspartner und Interessensverbände.

Schiene hoch im Kurs

Und: Man übt sich in Zuversicht. „Es ist beachtenswert, dass, mit Ausnahme des Bereichs Luftfracht, die Chancen gegenüber den Risiken eindeutig überwiegen“, sagt Breinbauer. Besonders hoch im Kurs steht übrigens die Schiene. 88 Prozent der Befragten gaben an, dass sich innerhalb der nächsten zehn Jahre in diesem Bereich Perspektiven auftun würden. Große Hoffnungen setzt man dabei auf eine mögliche Verlängerung der Breitspurbahn vom slowakischen Kosice in den Großraum Bratislava-Wien. „Dieses Vorhaben wir als ein sehr wichtiges Infrastrukturprojekt wahrgenommen, da es einen zusätzlichen Eisenbahnkorridor zwischen Europa und China schafft“, sagt Breinbauer und verweist in diesem Zusammenhang auf eine bestehende Kooperationsvereinbarung zwischen den ÖBB und den Russischen Eisenbahnen, welche unter anderem gemeinsame Bemühungen, die russische Breitspurbahn zu verlängern, beinhalte.

Gesteigertes Transportvolumen erwartet

Insgesamt würden Österreichs Logistikdienstleister, so geht aus den offenen Fragen hervor, damit ein gesteigertes Transportvolumen, die Positionierung Österreichs als Logistik-Hub, eine Verbesserung von Transportverbindungen, eine Stärkung der Handelsbeziehungen zu Asien und eine Verkehrsverlagerung zur Schiene verknüpfen. Als potenzielle Risiken wurden eine Intensivierung bzw eine Verzerrung des Wettbewerbs und ebenfalls eine Verkehrsverlagerung zur Schiene genannt.

Tenor der Befragung: Generell wird der Neuen Seidenstraße eindeutig eine positive Wirkung bescheinigt, die damit verbundenen Chancen stehen im Vordergrund. Für 75 Prozent der Befragten, ist die inhaltliche Beschäftigung mit der BRI-Initiative für den Erfolg des eigenen Unternehmens wichtig. Weitere Erfolgsfaktoren: Digitalisierung, Fachkräftequalifizierung, innovative Technologien und neue Geschäftsmodelle.

Kaum Strategierelevanz

Im Widerspruch dazu steht allerdings, dass lediglich 22 Prozent der Befragten die Neue Seidenstraße expliziert in ihrer Unternehmensstrategie thematisieren, 25 weitere Prozent das Thema zumindest berücksichtigen. „Für die Mehrheit der Befragten besitzt die Neue Seidenstraße keine ausgeprägte Strategierelevanz“, sagt Breinbauer. Ebenfalls bemerkenswert: Eine intensive Auseinandersetzung mit BRI findet primär auf Ebene des Top-Managements statt.

Fazit der Studienautoren: Positives überwiegt in der Wahrnehmung der befragten Unternehmen, Risiken werden wahrgenommen, die Nachfrageseite wird allerdings weitgehend ausgeblendet.

Geänderte Kundenanforderungen, also etwa gesteigerte Erwartungen an Transportzeiten und -zuverlässigkeit, würden Investitionen in innovative Transport- und Logistiklösungen bedingen, heißt es. Mitunter stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob das auch allen Beteiligten bewusst sei.

Trends differenziert betrachten

„Letztendlich ist festzuhalten, dass sich die Befragten der österreichischen Transport- und Logistikbranche bei der Beantwortung der Fragen auf das Kerngeschäft konzentrierten und langfristigen Auswirkungen auf das wirtschaftliche, soziale und ökologische Umfeld weniger Beachtung schenkten“, sagt Breinbauer. Dies sollte allerdings jedoch unbedingt mitbedacht werden, zumal China mit seiner Strategie primär Eigeninteressen, nämlich die Stärkung seiner internationalen Wettbewerbsfähigkeit, speziell im High-Tech-Bereich – Stichwort „Made in China 2025“ – zum Ziel habe. Seine Empfehlung: „Es ist ratsam, dass Trends rund um die Neue Seidenstraße aus einer ganzheitlicheren Sicht verfolgt und differenziert werden.“

Veranstaltungshinweis: Am 5. November 2018 tagt das Österreichische Seidenstraßen-Forum in Wien. Adresse: Arcotel Kaiserwasser, Wagramer Straße 8, 1220. Thema: „Die Belt-Road-Initiative (BRI) – Chancen für Österreich. Genauere Infos gibt es beim Verein Netzwerk Logistik Steyr unter der Telefonnummer: 07252/98 281 6100