Ausbildung : So bildet die Industrie Lehrlinge aus

Immer mehr Maturanten entscheiden sich dafür eine Lehre anzufangen, statt auf einer Uni oder Fachhochschule zu inskribieren. Mit gutem Grund: Die Nachfrage nach solchen Lehrlingen ist in den Betrieben groß, vielfach kommt man in den Genuss von höheren Lehrlingsentschädigungen und kann die Lehrzeit unter Umständen um ein ganzes Jahr verkürzen. Wir haben mit drei Maturanten gesprochen, die den Schritt von der Schule in die Berufswelt gewagt haben. Und es nicht bereuen.

Thomas Adelpoller, Lehre zum Gleisbautechniker

Unternehmen: ÖBB

Ort: Wien

Nach der Matura in Wien und dem obligatorischen Bundesheer ist sich Thomas Adelpoller ziemlich bald sicher: Schon wieder sitzen und lernen, kein eigenes Geld verdienen, das ist nicht gerade das, was er in den nächsten Jahren gern machen will. Also arbeiten. Allerdings etwas Anspruchsvolles, etwas das nicht jeder kann. Und etwas das Möglichkeiten eröffnet, je mehr desto besser. Eine Weile denkt Adelpoller: Hätte ich bloß eine HTL gemacht, da wären die Chancen für einen Berufseinstieg besser gewesen. Denn dass es ihn zur Technik hinzog, so viel war ihm schon klar.

Als dann die Entscheidung für eine Lehre fällt, zeigt sich allerdings sehr schnell, dass die AHS-Matura keinen Nachteil darstellt. Im Gegenteil: Gleich mehrere Zusagen bekommt der Wiener schon wenige Wochen nach seinen ersten Bewerbungsgesprächen. Gewählt hat er am Ende die Österreichischen Bundesbahnen, eine, wie Adelpoller sagt, letztlich klare Entscheidung: „Mir war ein Arbeitgeber wichtig, von dem ich sicher sein konnte, dass es ihn in zehn Jahren auch noch geben wird. Und es hat mir gefallen, wie viele Lehrberufe die ÖBB anbieten.“

Um genau zu sein: Es sind 22, davon 17 im technischen Bereich. Dass Thomas Adelpoller die Ausbildung zum Gleisbautechniker wählt, liegt nicht zuletzt darin, dass er gern im Freien ist. Und der Beruf des Gleisbautechnikers findet fast ausschließlich draußen statt. „Das kann ganz schön anstrengend sein, aber mir gefällt es“, sagt er.

Was ihn an seinem Job noch begeistert, ist das Große. Und zwar ganz wörtlich: Gigantische Maschinen, Gleise wie Essstäbchen von Riesen, kilogrammschwere Teile. Das ist wie Eisenbahnspielen, bloß in echt. Mit Großem hat der Beruf, den Thomas Adelpoller erlernt, aber auch in einem anderen Sinn zu tun. Gleisbautechniker sind dafür verantwortlich, dass das gut 5.000 Kilometer lange Schienennetz der ÖBB funktioniert und Menschen wie Güter sicher dort ankommen, wo sie ankommen sollen. So war Thomas Adelpoller bei der Sanierung der Semmeringstrecke ebenso dabei wie beim Bau des Güterterminals Wien-Inzersdorf: „Es ist schon ein tolles Gefühl, Teil eines solchen Projekts zu sein“, sagt er.

Und weil ihn große Projekte interessieren und er dabei in Zukunft noch mehr mitgestalten möchte, hat Adelpoller inzwischen auch das begonnen, was für ihn direkt nach der Matura keine Alternative war: Er studiert an der FH St. Pölten und macht dort den Bachelor-Studiengang Bahntechnologie und Mobilität. Dass man den Studiengang berufsbegleitend absolvieren kann, ist für Adelpoller, wie er sagt, ein großer Vorteil. Und dass sein Arbeitgeber ihn dabei unterstützt: „Das ist nicht überall selbstverständlich.“ Seinen Platz in der Berufswelt hat der Wiener jedenfalls inzwischen gefunden. „Den Weg, den ich eingeschlagen habe, habe ich nie bereut. Mit vierzehn, als es darum ging, eine Lehre anzufangen oder weiter in die Schule zu gehen, wusste ich allerdings noch nicht, was ich will. Das war einfach zu früh.“

Die Hardfacts zum Beruf Gleisbautechniker

Jobprofil: Gleisbautechniker erreichten neue Bahnstrecken und kontrollieren regelmäßig das bestehende Schienennetz. Dabei wird sowohl mit Messfahrzeugen als auch per Hand gearbeitet.

Entschädigung während der Lehre:

1. Lehrjahr: 732 Euro

2. Lehrjahr: 1053 Euro

3. Lehrjahr: 1411 Euro

Einstiegsgehalt nach Lehrabschluss: ab 2096 Euro

Theresa Urbanek, Lehre zur Werkstofftechnikerin

Unternehmen: RHI Magnesita

Ort: Leoben

Die Vorzeichen stehen zunächst einmal nicht gerade auf Lehrberuf. „In meiner Familie“, erzählt Theresa Urbanek, „haben so gut wie alle studiert. Lange Zeit habe ich geglaubt, dass auch ich das tun muss. Ich dachte, meine Eltern erwarten das von mir.“ Dabei ist Urbanek eher praktisch veranlagt. Oder besser gesagt: Theorie interessiert sie, aber davor braucht sie eine praktischen Input, um wirklich Interesse für das ganze System zu bekommen. Das war schon in der Schulzeit so. Heute hilft ihr dieser Zugang bei ihrem Job als Werkstofftechnikerin bei RHI Magnesita. Dort hat sie nach der Matura auch eine Lehre absolviert.

Denn nach einem Gespräch mit ihren Eltern ist der vermeintliche Zwang, studieren zu müssen, auf einmal vom Tisch. „Es stellte sich heraus, dass diese Vorstellung nur in meinem Kopf existierte“, erzählt Urbanek. Und weil sie RHI Magnesita schon von einem Praktikum kennt, ist die Idee, sich dort für eine Lehrstelle zu bewerben, naheliegend. Wie jeder Bewerber mit Matura hätte Urbanek das erste Berufsschuljahr übrigens auslassen können, entschied sich aber dafür, es zu absolvieren, weil im ersten Schuljahr zwar manches vorkam, das sie von der AHS zur Genüge kannte, andererseits aber auch fachspezifische Inhalte auf dem Programm standen, auf die sie nicht verzichten wollte. Dass RHI Magnesita die Internatskosten bezahlte, erleichterte die Sache zusätzlich.

Und die Berufsschule selbst? Allein unter pubertierenden 15- und 16-Jährigen, ein Horror? Nicht wirklich, sagt Urbanek, weil es inzwischen doch auch viele Ältere gibt, die mit einer Lehre beginnen: „Natürlich ist man in der Freizeit dann mehr mit denen zusammen, weil die Interessen einfach eher übereinstimmen.“

Als Werkstofftechnikerin kümmert sich Teresa Urbanek bei RHI Magnesita um die Auswertung von Daten, am Computer, und auch Statistik ist Teil ihres Jobs. Ab und zu steht sie auch im Labor und führt selber im Forschungszentrum von RHI Magnesita in Leoben Versuche durch. Dass sie mit einem akademischen Titel möglicherweise größere Karrierechancen und auch ein besseres Einkommen hätte, findet Urbanek nicht. „Der Weg zu einem Studium steht mir noch immer offen. Mit meiner derzeitigen Ausbildung verdiene ich mein eigenes Geld und bin unabhängig“, sagt sie. Und erzählt, dass, als sie sich entschloss nicht zu studieren – sie war die einzige in ihrer Klasse – die anderen das absolut nicht verstanden haben. „Heute sagen viele: Das war keine dumme Idee, wie du das gemacht hast.“

Was Urbanek freut. Am wichtigsten ist ihr aber, dass sie bei ihrem Beruf etwas Praktisches tun kann, das aber doch einen komplexen Hintergrund hat. Wie schon damals, als sie sich entschied, in der Oberstufe jeden Tag von Leoben in das 30 Kilometer entfernte Eisenerz zu pendeln, um eine Sportklasse des dortigen Gymnasium zu besuchen. Da stand am Anfang ebenfalls zunächst die Begeisterung für die Praxis, nämlich den Laufsport, aus der dann mehr wurde. Am Ende gefiel ihr an der Eisenerzer Schule ganz besonders, dass sie dort nicht nur Sport treiben konnte, sondern auch vieles über die Hintergründe wie etwa die Trainingslehre erfuhr.

Die Hardfacts zum Beruf Werkstofftechniker

Jobprofil: Werkstofftechniker befassen sich mit unterschiedlichsten industriell verwendeten Werkstoffen. Ihre Arbeit umfasst die Prüfung von solchen Stoffen, die Entwicklung neuer Werkstoffe und Werkstoffkombinationen sowie die Erschließung neuer Anwendungsbereiche.

Entschädigung während der Lehre:

1. Lehrjahr: 629 Euro

2. Lehrjahr: 855 Euro

3. Lehrjahr: 1.131 Euro

4. Lehrjahr (zusätzliches Spezialmodul): 1.533 Euro

Einstiegsgehalt nach Lehrabschluss: ab 1960 Euro

Sandra Mack, Lehre zur Mechatronikerin und Elektrotechnikerin

Unternehmen: Infineon Österreich

Ort: Villach

Sandra Mack will einen Beruf erlernen, in dem sie viel mit Kindern zu tun haben würde. Die Ausbildung an der Bildungsanstalt für Elementarpädagogik in Klagenfurt, einer BHS mit Matura, scheint da die absolut richtige Wahl zu sein. Ist es am Ende aber nicht. Nachdem Mack die Schule erfolgreich absolviert hat, kommt sie während eines Au-pair-Aufenthalts zu einer für sie nicht mehr ganz überraschenden Erkenntnis: Kinderbetreuung ist ganz nett, ihr ganzes Leben möchte sie das aber nicht tun.

Also doch etwas anderes versuchen, etwas Technisches. Denn von klein auf war die Kärntnerin fasziniert, wenn sie erkennen konnte, warum bestimmte Maschinen so funktionieren, wie sie funktionieren. Eine ordentliche Portion Begeisterung für Computer und Computerspiele gesellte sich bald hinzu. „Vielleicht liegt das daran, dass ich als einziges Mädchen mit vier Jungs, den Kindern unserer Nachbarn, aufgewachsen bin“, sagt sie. Und erinnert sich: „Schon damals habe ich daran gedacht, eine HTL zu besuchen, statt die Kindergärtnerinnen-Ausbildung zu machen, hab mir das aber nicht zugetraut.“

Nach der ernüchternden Au-pair-Zeit ist, ist der Moment für eine Kurskorrektur aber gekommen: Eine Weile überlegt Sandra Mack, Maschinenbau zu studieren, entscheidet sich aber letztlich dagegen. Aus zwei Gründen: „So ganz ohne technischen Ausbildungshintergrund kam mir das doch etwas zu mutig vor. Außerdem wollte ich eine Ausbildung, bei der ich nicht die ganze Zeit nur dasitze und lerne, sondern eine, bei der ich gleich Dinge ausprobieren kann.“ Der Ort an dem sie eine solche Ausbildung bekommen kann, ist schnell ausgemacht: Infineon Österreich, der auf Halbleiter- und Systemlösungen spezialisierte Weltkonzern aus Villach.

Eine Doppel-Lehre Mechatronik und Elektrotechnik bietet Infineon in Villach an, etliche der dortigen Lehrlinge haben wie Sandra Mack ihre Lehre erst nach der Matura begonnen. Was aus der Sicht der Kärntnerin aber noch viel mehr für das Unternehmen spricht: In Kooperation mit der Technischen Akademie St. Andrä setzt Infineon in seiner Lehrlingsausbildung auf das Beste vom Besten, eine eigene Industrie 4.0 Lernfabrik eingeschlossen. Und: Im Konzern selbst sind die Arbeits- und Aufstiegschancen fast unendlich. „Ich habe schon während der Lehre an Entwicklungsprojekten mitarbeiten können“, erzählt Mack.

Inzwischen hat sie ihre Lehre abgeschlossen, will es dabei aber nicht bewenden lassen und studiert berufsbegleitend an der FH Kärnten. Das Praktische dabei: Ihre Abschlussarbeit kann sie gleich im Unternehmen schreiben. „Das ist eben das Besondere an Infineon – wenn man wirklich will, geht hier fast alles. Das war während der Lehre so, das ist jetzt so.“ Und möglicherweise steht auch noch einiges bevor. Denn für viele, die Sandra Macks Weg seit Längerem beobachten scheint es ziemlich zu sein: Hier wächst eine Führungskraft von morgen auf, eine, die davon profitiert, das sie ihren Beruf nicht nur studiert, sondern auch tatsächlich gelernt hat.

Die Hardfacts zum Beruf Doppellehre Mechatroniker und Elektrotechniker

Jobprofil: Die Doppellehre zum Mechatroniker und Elektrotechniker bereitet auf die Arbeit mit modernen Produktionsanlagen vor, in denen Mechatronik, Informatik und Elektrotechnik eng ineinander greifen. Absolventen dieser Doppellehre bauen, prüfen, programmieren und warten solche Anlagen und Maschinen.

Entschädigung während der Lehre (Werte gelten für Lehrlinge, die vor Lehrbeginn die Matura absolviert haben):

1. Lehrjahr: 799,- Euro

2. Lehrjahr: 1080,- Euro

3. Lehrjahr: 1332,- Euro

4. Lehrjahr: 1547,- Euro

Einstiegsgehalt nach Lehrabschluss: ab 1960,- Euro