Kapazitätsplanung : Smoothed Production - so glatt läuft es in der Produktion der Zukunft

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Ausnahmen bestätigen die Regel. Um das zu untermauern, muss Thomas Sobottka nur den Blick nach Leipzig lenken. Der dort mit einem Produktionswerk ansässige Automobilbauer BMW zeigt vor, wie sich mächtige Planungsinstrumente am Shopfloor behaupten. So wissen die Niederbayern für jede Schicht, in der der Zweier vom Band läuft, "wieviel Energie im Mix für diese erforderlich ist", sagt Sobottka. Das kann auch Forschern wie Sobottka Respekt abringen. Denn als Projektleiter für Fabrikplanung und Produktionsorganisation bei Fraunhofer Austria kennt er auch die andere Realität. Statt auf der Basis energetisch durchgerechneter Schichten an den kurzen und langfristigen Energiemärkten kluge Regelenergieabsprachen zu treffen, ist vielen produzierenden Unternehmen völlig unbekannt, "wieviel Energie ihre Einzelprozesse konsumieren", sagt Sobottka. Vielerorts das höchste der Gefühle: Ein grober Einblick in den Gesamtgas- oder Fernwärmeverbrauch. "Runtergebrochen auf Prozess- oder Maschinenebene werden Unternehmen erst langsam mit solchen Analysen warm", sagt der Produktionsforscher.

Flexibler Zukauf von Energie

Ein Versäumnis, denn das Wissen über den energetischen Haushalt von Produktionen zeitigt schöne pekuniäre Folgeeffekte. So ließen sich - ein intimeres Verständnis der eigenen Prozesse vorausgesetzt - etwa Ofenprozesse raffiniert in aufsteigender Temperaturreihenfolge takten. Und - als mächtiger zweiter Hebel - auch neue Abnahmeformen von Energie realisieren. Derzeit nutzen viele in der Industrie fixe Stromtarife. Erprobt sind derzeit bestenfalls einfachere Formen des Lastspitzenmanagements oder Standbybetriebs. Über die Planungsebene selbst wird noch wenig orchestriert durchgegriffen. Ein aktiveres Portfoliomanagement - inklusive Verschiebung zu flexibleren Nutzungs- und Abrechnungsmodellen - wäre aber sinnvoll. "Das Ziel muss lauten, sich langfristig ein Grundniveau zu sichern und zusätzlich den täglichen Bedarf über das Grundniveau auf kurzfristigen Märkten zu beziehen", sagt Sobottka. Und wichtig - gegebenenfalls auch die Produktionsplanung darauf anzupassen.

Vorprojekt stellte Weichen

Eine Simulationsumgebung, die in der Lage ist, Energiesysteme und Materialflüsse verschränkt abzubilden, entstand bereits in einem Vorprojekt (BaMa Balanced Manufacturing) mit Industriepartnern wie Infineon Technologies Austria oder Haas Waffelmaschinen. 8 Projektpartner, fünfeinhalb Millionen Euro Budget: Mit 150 Leuten, peilt Benjamin Mörzinger über den Daumen, hat er am Projekt BaMa zusammengearbeitet. Recht intensiv, darf man behaupten. „Direkt nach dem Studium ins Projekt einzusteigen war sportlich“, sagt er. Mörzinger ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Fertigungstechnik und Hochleistungslasertechnik der TU Wien und kann auf ansehnliche Erfolge im Projekt verweisen. „Simulatoren gibt es tausende“, so der Forscher. Im Projekt aber „simulierten wir parallel die Energie- als auch die Materialfluss-Seite und studierten erstmals die Wechselwirkungen“, so Mörzinger. Auch wenn es wirtlichere Plätze gibt, um Messpunkte zu installieren: Mörzinger musste einen solchen etwa auch in einem Industriekühler – Temperatur: minus 40 Grad – anbringen.

Simulation als Basis

Auch der Optimierungsalgorithmus für die Kurzfristperspektive - also einen Planungshorizont bis zu einigen wenigen Tagen - entstand im Projekt BaMa. Rund 8000 Megawattstunden Jahresenergieverbrauch wurden im Projektkonsortium – mit an Bord waren unter anderem Infineon Österreich, Berndorf Band, Haas Waffelmaschinen und GW St.Pölten – dank selbstentwickelter Optimierungssoftware eingespart. „Die Einsatzszenarien bei den Projektpartnern stehen stellvertretend für viele ihrer jeweiligen Branchen“, so Mörzinger. Die so entstandenen Softwarebausteine – maßgeblich entwickelt von der Grazer Softwareschmiede AutomationX und Siemens – ließen sich gut auf andere umlegen, so der Techniker. Wer angesichts notorisch niedriger Energiepreise abwinkt, sollte bedenken: Auch ansehnliche Outputsteigerungen bei Bestandsanlagen und Verbesserungen der Arbeitseffzienz wurden erzielt. Freilich: Anders als beim Vorgängerprojekt BaMa, als das Energieeffizienz noch nicht in nationales Recht gegossen war und eine gewisse Unruhe über die Schärfe der Effizienzvorgaben anzutreffen war, ist nun bei den Energiepreisen - aber auch im emotionalen Haushalt vieler - "eine gewisse Entspannung eingekehrt", weiß Fraunhofer-Austria-Forscher Thomas Sobottka. Das müsse perspektivisch aber nicht so bleiben. "Könnnen Unternehmen jetzt vielleicht noch recht entspannt zusehen, wie Klimaziele verfehlt werden, wird der Druck auf die Energiepreise mittelfristig sicher deutlich heftiger", sagt er.

Langfrist-Sicht im Fokus

Ohnedies fasst man den Rahmen in der aktuellen Arbeit weiter. Die Herausforderung im aktuell laufenden Projekt ASPeCT, bei dem die Unternehmen Handl Tyrol, die Maschinenfabrik Liezen und das Kunststoffunternehmen Miraplast beteiligt sind: "Den Regelkreis in die Langfristplanung, also in jene Szenarien, in denen Energie über deutlich weiter in die Zukunft liegende Zeiträume zugekauft wird, zu überführen", sagt Sobottka. Oder anders ausgedrückt: Es soll gelingen, bei einer "stark über den Tag fluktuierenden Verfügbarkeit von Energie" den eigenen Verbrauch besser zu steuern.

Was längerfristige Planungsszenarien - egal, ob zu Energieverbrauch oder Parameter wie Maschinenauslastung - eint: Auch große Mittelständler erledigen diese häufig noch recht grob in Exel-Tabellen. Ein Glättungstool, das die Produktion "smoother" macht, ist also nicht nur ein Lockmittel für KMU. "Nachfrageschwankungen nicht ungebremst auf die Produktion zurasen zu lassen, ist das Ziel", sagt Sobottka. Der Projektpartner AutomationX, ein Hersteller von Produktionssteuerungssoftware, will die Ergebnisse des Projekts in seine Software einarbeiten.

Planung größer denken

Sinnvoll mit der Bereitstellung von Energieformen kombiniert, könnte daraus ein mächtiges Planungstool entstehen. "Noch gibt es keine wirklichen Standardtools, die plug & play-fähig sind", heißt es im Projektteam. Die Zielgruppe? Die Kurzfristplanung liegt derzeit zumeist in den Händen der Produktionsleiter, die Mittelfristplanung ist häufig von der Tagesproduktion losgelöst. Sie sitzt nicht selten direkt beim Vertrieb. "Das Thema Planungsverantwortung größer zu denken, ist sicher kein Fehler", sagt Sobottka. So könnten altbekannte Strategien zur Flexibilisierung der Produktion neue Interpretation erfahren. Stellehebel für die Glättung der Produktion sind etwa ein gezielter Auf- und Abbau von Pufferbeständen an „günstigen“ Stellen der Produktion, um kostspieligere Prozesse gleichmäßiger auszulasten. Ein Placet müsste es jedenfalls abteilungsübergreifend geben, sagt Sobottka. Beim Fragen des Energie- und Produktionsmanagements, etwa dem von Beständen, sei "man auf Abteilungsebene schnell konfliktären Interessen gegenübergestellt", weiß er.