Michael Süß : Siemens trennt sich vom Energie-Vorstand

Mitten im Übernahmepoker um die Alstom-Energiesparte wechselt Siemens-Chef Joe Kaeser seinen Energietechnikvorstand aus. Michael Süß müsse demnächst seinen Posten räumen, hieß es am Dienstag von zwei mit dem Vorgang vertrauten Personen. Seine Nachfolge solle eine amerikanische Managerin antreten. Siemens wollte sich dazu nicht äußern.

Die Personalie dürfte wie die Alstom-Pläne die Präsentation der Konzernstrategie von Kaeser überschatten, die für den Mittwoch geplant ist. Der Siemens-Aufsichtsrat trifft sich am Dienstagabend. Auf der Agenda stehen neben der Strategie die aktuellen Quartalszahlen.

Intern werde Süß zur Last gelegt, er habe den Bereich dezentrale Energieerzeugung vernachlässigt, sagten die Insider. Während er vor allem auf riesige Turbinen setzte, die sich vor allem in Europa schleppend verkaufen, fehle es im Siemens-Angebot an einer breiten Auswahl kleinerer Stromerzeuger. Zudem trage er als früherer Divisionschef Mitverantwortung für das kostspielige Ende der Partnerschaft mit dem französischen Atomkonzern Areva. Süß war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Überraschendes Timing

Der Wechsel kommt zeitlich überraschend. Siemens hat ein Angebot für die Energietechniksparte des französischen Rivalen Alstom angekündigt, um den US-Konkurrenten GE auszustechen. Unter Experten herrscht Skepsis, ob Kaeser diesen Plan mit aller Konsequenz verfolgt oder zunächst vor allem den Bitten der französischen und deutschen Politik nachkam.

Unterdessen erhöht der französische Staat den Druck auf die drei Firmen. In der jetzigen Form sei das Angebot der Amerikaner für Alstom nicht akzeptabel, sagte Präsident Francois Hollande dem Radiosender RMC. Auch Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg machte in einem Brief an GE-Chef Jeff Immelt deutlich, dass der vorliegende Vorschlag nicht die Zustimmung der Regierung findet. Gleichzeitig zeigte er auf, wie eine Einigung ohne Siemens erzielt werden könne: Neben der angepeilten alleinigen Übernahme der Energiesparte durch GE müsse auch eine Zusammenlegung des Zuggeschäftes erwogen werden, erklärte der Minister.

Alstom lässt die Türe offen

Alstom prüft derzeit das mehr als 12 Milliarden Euro schwere GE-Gebot für seine Energie-Abteilung. Trotzdem hat Alstom selbst die Tür für Siemens offengelassen. Die Münchner signalisierten, die Energiesparte von Alstom zu übernehmen und im Gegenzug die Produktion von ICE-Zügen an den Hersteller der TGV-Züge abzugeben. So könnten zwei europäische Marktführer im Energie- und im Transportbereich entstehen und die dem französischen Staat zunächst unliebsamen Avancen der Amerikaner abgewehrt werden.

Im Eisenbahnbau gibt es in Europa seit Jahren nur noch wenig Konkurrenz. Fast ausschließlich Siemens und Alstom buhlen um Bestellungen von Schnellzügen, U-Bahnen oder Trams. Die kanadische Bombardier hat sich weitgehend zurückgezogen und tritt vorwiegend noch als Zulieferer auf. Nur selten wagen sich japanische Rivalen mit einem Angebot in das risikoreiche Geschäft auf den Kontinent.

In dem Schreiben Montebourgs, das Reuters in Kopie vorlag, hieß es, das GE-Offert lasse die Alstom-Zugsparte ins Hintertreffen geraten. GE erklärte als Reaktion, der bisherige Vorschlag sei gut für Frankreich, für Alstom und für GE. Man sei aber auch offen für eine Fortsetzung des Dialogs. Die französische Regierung hatte zwar erklärt, eine Übernahme nicht zu blockieren, wenn ihr Einfluss auf das Atomgeschäft von Alstom erhalten bleibe. Sind strategische Interessen berührt, hat der Staat das Recht, Firmenübernahmen zu verhindern. Frankreich deckt drei Viertel seines Energiebedarfs mit Kernkraftwerken.

Schlechte Erfahrungen in Frankreich

Siemens hat in den letzten Jahren vorwiegend schlechte Erfahrungen in Frankreich gemacht. In ihren Zugsparten lieferten sich Alstom und die Deutschen einen erbitterten Rechtsstreit, nachdem der Auftrag für neue Eurostar-Züge für den Tunnel unter dem Ärmelkanal an Siemens ging. Die abrupte Auflösung der Atom-Kooperation mit Areva kostete Siemens fast 650 Millionen Euro Strafe. Mit dem Nuklearkonzern streitet sich das Unternehmen bis heute: In Finnland müssen beide Partner den einzigen Atomreaktorneubau Europas noch gemeinsam fertigstellen, der Betriebsstart verzögert sich seit Jahren. Der örtliche Betreiber TVO, Siemens und die Franzosen schieben sich reihum die Schuld zu und verlangen Unsummen Schadenersatz voneinander.

"Kantiger" Manager

Die teure Panne mit der Areva-Trennung kurz vor dem Siemens-Komplettausstieg aus der Atomenergie wurde auch Manager Süß angelastet. Er ist zudem der letzte verbleibende Siemens-Vorstand, der kein ursprüngliches Eigengewächs des Elektroriesen ist. Der 50-jährige Maschinenbauingenieur kam erst vor einigen Jahren vom Triebwerksbauer MTU. Zuvor hatte er den größten Teil seiner Karriere in der Automobilindustrie verbracht, unter anderem bei BMW und Porsche. Im Frühjahr 2011 hatte ihn Kaesers Vorgänger Peter Löscher zum Chef des Sektors Energietechnik befördert, nachdem Wolfgang Dehen zur abgespaltenen Osram wechselte. Löschers Vertraute Brigitte Ederer, Barbara Kux und Peter Solmssen haben Siemens bereits kurze Zeit nach dem Aufstieg Kaesers zum Vorstandschef den Rücken gekehrt. Süß galt als kantiger Manager in der Siemens-Spitze. Der Münchner ging selten einem Konflikt aus dem Weg. (APA/Reuters)