Prozessindustrie : Siemens streicht auch im Wiener Werk Jobs

Vom Jobabbau in der Antriebssparte des deutschen Elektrokonzerns Siemens ist auch das Wiener SIMEA-Werk betroffen. Das sagte ein Siemens-Sprecher auf Anfrage der Austria Presse Agentur. Wie viele Stellen in Österreich gestrichen werden, sei noch nicht bekannt. Im SIMEA-Werk arbeiten knapp 600 Menschen, insgesamt beschäftigt der Konzern in Österreich 10.200 Personen in der Zentrale "Siemens City" und in sechs weiteren Werken.

Auch eine Größenordnung, wie viele Jobs in Wien wegfallen, nannte der Sprecher nicht. Man müsse dies erst im Hinblick auf die Marktgegebenheiten analysieren und mit dem Betriebsrat diskutieren. Andere österreichische Siemens-Standorte als das SIMEA-Werk seien jedenfalls nicht betroffen.

Siemens hat Probleme in der Sparte Prozessindustrie und Antriebe. Der Konzern gab bekannt, weltweit 2.500 Arbeitsplätze zu streichen, davon rund 2.000 in Deutschland und hier schwerpunktmäßig in Bayern.

Währenddessen rittert Siemens Österreich um einen U-Bahn-Auftrag der Wiener Linien. Zugleich verweist Konzernchef Wolfgang Hesoun darauf hin, dass die Stimmung in den Unternehmen oft genug schlechter sei "als die Realität".

Herber Schlag für bayerische Regionen

Für die betroffenen bayrischen Regionen ist der neuerliche Stellenabbau bei Siemens ein herber Schlag. An Standorten wie Ruhstorf nahe Passau und Bad Neustadt/Saale gehört Siemens zu den größten Arbeitgebern. Genau dort sollen jeweils Hunderte Jobs wegfallen - ein "schmerzhafter Hieb", der auch eine "massive Deindustrialisierung des Standortes Deutschland" bedeute, so die IG Metall Bayern.

Sie will gemeinsam mit Siemens-Gesamtbetriebsratschefin Birgit Steinborn um den Erhalt möglichst vieler Jobs kämpfen. Siemens aber wehrt sich gegen die Vorwürfe der Arbeitnehmervertreter.

Diese Woche hatte das deutsche Unternehmen den Abbau und die Verlagerung von rund 2.500 Jobs in der Sparte Prozessindustrie und Antriebe angekündigt - davon rund 2.000 in Deutschland und schwerpunktmäßig in Bayern. Ob Siemens auch in Österreich Jobs streicht, war vorerst nicht bekannt.

Hintergrund des Stellenabbaus sind Nachfrageschwäche und Überkapazitäten in der vom Ölpreisverfall getroffenen Sparte, die zurzeit deutlich hinter den Margenvorgaben von Konzernchef Joe Kaeser zurückbleibt. Einschnitte wie diese in teils strukturschwachen Regionen hatte es bei dem weit verzweigten Konzern mit deutschlandweit rund 300 Standorten immer wieder gegeben, zuletzt vor allem in der Stromerzeugungssparte, wo zahlreiche Jobs abgebaut werden.

Die scharfe Kritik von Arbeitnehmervertretern an den Plänen will man bei dem Elektrokonzern dennoch nicht gelten lassen: Natürlich seien die Einschnitte schmerzhaft. Doch habe man sich ausdrücklich vorgenommen, Projektbelastungen und andere Baustellen im Konzern frühzeitig anzugehen, heißt es. Seit Jahren liege zudem die Beschäftigtenzahl in Deutschland stabil bei etwa 114.000 - und das trotz aller Stellenstreichungen durch Konzernumbau und Einsparungen in mehreren Geschäftsfeldern. Und an Standorten wie Cuxhaven, wo Siemens eine neue Fabrik für Windkraftturbinen baut, entstünden auch neue Produktionsjobs.

Hinzu kämen kräftige Investitionen in Forschung und Entwicklung, Produktivität und Vertrieb, die ebenfalls für neue Jobs sorgen sollen - auch in Deutschland. "Für die direkt Betroffenen ist das natürlich kein Trost", räumt Siemens-Personalchefin Janina Kugel in einem internen Interview ein, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. "Aber mit Abwarten wäre keinem geholfen. Der Markt wartet nicht auf uns, wir haben als Management die Pflicht zu handeln, wenn sich die Rahmenbedingungen in einzelnen Geschäften so nachhaltig ändern, dass die Wettbewerbsfähigkeit in Frage gestellt ist." Dies sei in der betroffenen Sparte leider der Fall. Man wolle aber sozialverträgliche Lösungen finden.

Der Ruhstorfer Bürgermeister Andreas Jakob (CSU) scheint unterdessen immer noch um Fassung zu ringen: "Das ist eine Hiobsbotschaft, die man sich im Leben eines Bürgermeisters weiß Gott nicht wünscht". Seit klar ist, dass Siemens in der kleinen Gemeinde im Süden von Passau 700 der insgesamt 1.000 Arbeitsplätze abbauen will, schrillen im örtlichen Rathaus die Alarmglocken. "Zusammen mit einem Motorenwerk gehört Siemens doch zum Ortsbild. Siemens ist ein wichtiges wirtschaftliches Standbein für die ganze Region", sagt Jakob.

Und auch die vom Stellenabbau betroffenen Beschäftigten im Nürnberger Siemens-Werk an der Vogelweiher Straße wirken entsetzt und ratlos: "Das ist ein Schlag ins Kontor", schimpft Bernd Fey Donnerstagfrüh am Werkstor. Ärgerlich finden der Ingenieur und viele seiner Kollegen aber vor allem, dass sie von dem geplanten Abbau der 600 Stellen in ihrem Werk erst aus den Medien erfuhren haben. Andere, die an diesem frostigen Morgen den "Personaleingang 12.3a" passieren, wirken dagegen sichtlich erleichtert. Sie entwickeln oder fertigen Bahnmotoren. "Dieser Bereich läuft noch gut", berichtet ein Ingenieur in schwarzer Daunenjacke.

Die Hiobsbotschaft aus der Münchner Siemens-Zentrale weckt unterdessen bei Betroffenen und Kommunalpolitikern in Nürnberg Erinnerungen an die Krisenjahre zwischen 1990 und 2005. In der Zeit waren in der Stadt reihenweise große Industriebetriebe pleite gegangen oder verlagert worden: Neben Grundig und AEG waren darunter auch weniger bekannte Firmen wie Adtranz, Cebal und Alsthom Power. Rund 100.000 Industriearbeitsplätze seien in dieser Zeit verloren gegangen, berichtet der 2. IG-Metall-Bevollmächtigte Rudi Lutz. Seitdem sei es mit der Metallindustrie aber wieder aufwärts gegangen, der Jobverlust zu 70 Prozent kompensiert worden.

Eine Mischung aus Ohnmacht und Verärgerung herrscht auch im Rathaus von Neustadt an der Saale. Bürgermeister Bruno Altrichter (Freie Wähler), sieht in dem nach seinen Informationen geplanten Abbau von 370 Arbeitsplätzen im örtlichen Siemenswerk "einen massiven Eingriff". Dass der Jobabbau sozialverträglich gestaltet werden soll, wie Siemens-Vertreter ihm zugesagt hätten, klinge zwar zunächst beruhigend, sei es aber nicht. "Denn damit sind die Arbeitsplätze für die Zukunft weg", klagt das Stadtoberhaupt. Auch verliere Siemens womöglich als wichtiger Ausbildungsbetrieb an Bedeutung. Die Folge: Die Region verliere an Attraktivität, die Menschen zögen in die Zentren. Am Donnerstag hatten 1500 Beschäftigte mit Trillerpfeifen und Protestplakaten ihrem Unmut Luft gemacht. (apa/dpa/red)