Bahnindustrie : Siemens mit Bombardier: 8 zentrale Eckdaten zu Fusionsgesprächen

(1) Die Eckdaten: Wer, wann und mit wem?

Siemens-Finanzchef Ralf Thomas wollte sich dazu diese Woche zwar nicht näher in die Karten schauen lassen - aber klar ist für ihn, dass es zu weiteren Umwälzungen in der Branche kommen wird. Angesichts der massiven Wettbewerbsverschärfung könne "der Konsolidierungsprozess zwangsläufig nicht an der bestehenden Stelle stehen bleiben", sagt der Manager gegenüber Medien zur Halbjahresbilanz.

Siemens-Vorstand: Ganz viele Kombinationsmöglichkeiten

Wer am Ende mit wem, das werde sich zeigen, da seien "mannigfaltige Kombinationsmöglichkeiten" denkbar. Indes müssen die Kartellwächter mitspielen - und an die sendet Thomas deutliche Signale. "Ich glaube, dass die Kartellbehörden sich den weltweiten Wettbewerb in der Branche ansehen sollten", sagte Thomas diese Woche in einem Fernsehinterview in München. "Eine weitere Konsolidierung des Marktes wird seit langem erwartet und sollte auch kartellrechtlich mit einer globalen Sicht auf die Veränderungen betrachtet werden."

Neue Konkurrenz aus China

Starker Treiber ist die Konkurrenz aus China. Dort haben sich die beiden größten Zughersteller zum neuen Giganten CRRC zusammengetan, der alleine größer ist als die Sparten von Siemens, Bombardier und Alstom zusammen.

Diese Fusion ist der jüngste und stärkste Auslöser des aktuellen Konsolidierungsprozesses in der Branche.

(2) Wie sind die Zugsparten der beiden Unternehmen aufgestellt?

Nach Problemen in den vergangenen Jahren, etwa durch die verspätete Auslieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn, ist das Zuggeschäft von Siemens inzwischen wieder in der Spur. Heute kommt die Sparte mit Standorten unter anderem in Krefeld, Erlangen, Berlin, München und Wien auf einen Jahresumsatz von fast acht Milliarden Euro und eine Rendite von knapp neun Prozent.

Beide Hersteller haben große Standorte in Wien

Anders sieht es bei Bombardier aus. Die Bahnsparte des kanadischen Anbieters, der auch Flugzeuge baut, ist zwar ähnlich groß. Aber der Konzern steckt in den roten Zahlen und hatte im Bahngeschäft den Abbau von weltweit rund 5.000 Jobs angekündigt.

Unklar ist, wie stark dies die deutschen Standorte mit 8.500 Beschäftigten treffen wird, darunter Hennigsdorf, Görlitz, Bautzen, Kassel, Mannheim, Braunschweig und Siegen.

Bombardier: Wiener Werk von Kürzungen nicht betroffen

Das Management will seine Pläne im Juli vorstellen. Bombardier hatte erst vergangenes Jahr 1.430 Arbeitsplätze in Deutschland gestrichen, um die Standorte profitabel zu machen. Das Werk von Bombardier in Wien sei von den Sparplänen nicht betroffen, hieß es zuletzt im Februar dieses Jahres.

(3) Wie könnte eine Fusion aussehen - und was würde sie bringen?

Bei den jetzt laufenden Verhandlungen ist offenbar zum ersten Mal die Form eines Joint Venture im Gespräch. Dieses Gemeinschaftsunternehmen soll Eingeweihten zufolge den Bau von Zügen und die Signaltechnik umfassen.

Schon jetzt arbeiten die Zughersteller bei verschiedenen Projekten zusammen, so beim ICE 4, der neuesten Generation des Hochgeschwindigkeitszuges. Bei einer Fusion gebe es noch größere Synergie- und Einsparpotenziale, sagen Analysten. Etwa durch gemeinsame Forschung und Entwicklung sowie Lieferketten und die Zusammenführung der Produkte.

Die problematische Frage nach der Macht

Eines der Probleme in den Verhandlungen: Die Frage nach der Macht. Weder Siemens noch Bombardier sind offenbar bereit, die Kontrolle abzugeben - beide wollten das geplante Gemeinschaftsunternehmen voll in die eigene Bilanz einbeziehen, so Eingeweihte.

(4) Ist es die erste Fusionsfantasie in der Bahnindustrie Europas?

Nein. Schon beim Übernahmepoker um Alstom hatte Siemens versucht, seine Zugsparte mit der des französischen Konkurrenten zusammenzubringen.

Und Mitte 2015 wurde auch schon einmal über eine Fusion der Zugsparten von Siemens und Bombardier spekuliert. Doch damals hatten die Kanadier dementiert, dass es Verhandlungen gab.

(5) Warum kommen Fusionsgespräche ausgerechnet jetzt?

Die europäischen Hersteller zittern vor allem vor der Konkurrenz aus China. Dort haben sich die beiden größten Zughersteller zum neuen Giganten CRRC zusammengetan, der alleine größer ist als die Sparten von Siemens, Bombardier und Alstom zusammen.

Die eigene Konkurrenz hochgezüchtet

Die bittere Ironie dabei: Die Bahnindustrie des Westens hat selbst jahrelang tatkräftig dabei geholfen, die Bahnindustrie in China aufzubauen - und sich mit dem Transfer von Technologie die eigene Konkurrenz von heute hochzuzüchten.

Die Gründung des neuen Bahnindustrieriesen sieht auch die Bahnindustrie mit Interesse. Zum Beispiel die Deutsche Bahn: Vor eineinhalb Jahren eröffnete die DB demonstrativ ein Einkaufsbüro in China. Die Auswirkungen liegen auf der Hand: Die DB sondiert jetzt neue Produkte der Bahntechnikhersteller aus China und erhöht so den Druck auf die europäischen Hersteller - und diese reichen ihn an ihre Mitarbeiter in den Werken weiter.

Die Auswirkungen: Bahnbetreiber - Hersteller - Mitarbeiter

"Wir suchen weltweit nach Lieferanten mit innovativen und qualitativ hochwertigen Produkten", ließ Deutsche-Bahn-Chef-Einkäufer Uwe Günther damals wissen. Eine Anmerkung am Rande: Die DB gehört weiterhin dem deutschen Staat.

(6) Welche Hürden gibt es bei einer Zusammenlegung?

Vor allem das Kartellrecht gilt als Hindernis für eine Zug-Allianz in Europa. Denn derzeit wird der Markt in Europa von nur drei Anbietern beherrscht: Siemens, Bombardier und dem französischen Hersteller Alstom.

Falls sich zwei von ihnen zusammenschließen, könnte das gravierende Folgen für Kunden wie die ÖBB oder die Deutsche Bahn haben, so dass hohe Auflagen zu erwarten wären.

Siemens macht keinen Hehl daraus, dass man diese Spielregeln für nicht mehr zeitgemäß hält. "Eine weitere Konsolidierung des Marktes wird seit langem erwartet und sollte auch kartellrechtlich mit einer globalen Sicht auf die Veränderungen betrachtet werden", sagte kürzlich Ralf Thomas, FInanzvorstand bei Siemens.

(7) Wann ist mit Neuigkeiten zu rechnen?

Das ist momentan unklar - zumal Siemens-Finanzchef Thomas zuletzt auch jeden Kommentar zu dem Thema ablehnte. Zuletzt hieß es, die Gespräche seien bereits weit gediehen und auch die deutsche Bundesregierung involviert.

(8) Wie sehen die Vertreter der Mitarbeiter eine mögliche Fusion?

Im Werk in Wien habe die Belegschaft naturgemäß ohne Freude, aber auch mit einer gewissen Gelassenheit auf das Bekanntwerden der Gespräche reagiert, berichtete kürzlich ein Insider von Siemens gegenüber INDUSTRIEMAGAZIN.at. Ein möglicher Grund dafür: Mehrmals sind Gespräche über eine Zusammenlegung des Zuggeschäfts, etwa mit Alstom, ohne Ergebnis geblieben.

Auch an anderen Werken war von offenem Widerstand der Arbeitnehmervertreter in den vergangenen Wochen nichts zu spüren - was auch daran liegen dürfte, dass ein weiteres Erstarken der Chinesen deutlich schlimmere Folgen für die Belegschaft haben könnte als eine mögliche Allianz von Siemens und Bombardier.

Eine Allianz dürfte bei den Vertretern der Mitarbeiter wohl nur dann auf Zustimmung stoßen, wenn Siemens die Oberhand im neuen Unternehmen behielte, hieß es zuletzt aus Deutschland. Wie sich eine Fusion auf die Jobs auswirken würde, bliebe abzuwarten.

(Industriemagazin.at mit Material von dpa, Reuters, APA)

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