Meinung : Siegfried Wolf: Politik und Patronage

Siegfried Wolf konnte sich stets der Bewunderung der Öffentlichkeit sicher sein. Als einer der fähigsten Manager seiner Generation machte der gelernte Werkzeugmacher die Alpenrepublik wieder zur Automobilherstellernation.

Mit der ihm eigenen, anpackenden Art plante er einen Coup, der den Automanager in die Wirtschaftsgeschichte hätte eingehen lassen: Die Übernahme der Traditionsmarke Opel durch den Zulieferer Magna, die letztlich nur am Widerstand aus Washington scheiterte. Mit seinem Engagement beim russischen Automobilhersteller Russian Machines, an dem Siegfried Wolf selbst zehn Prozent hält, bewegt sich der steirische Bauernbub sogar am Rande der großen Weltpolitik.

Wie viele Self-Made-Männer ist Siegfried Wolf zutiefst überzeugt zu wissen, was gut für andere ist: Die eigene Karriere dient dem gelernten Werkzeugmacher, der die HTL über eine Abendschule absolvierte, als Argument dafür, dass der amerikanische Traum auch in Österreich gelebt werden kann. Würden die jungen Menschen nur endlich „die Hände aus den Hosentaschen nehmen“, wie der Vater zweier Töchter immer wieder betont.

Wie viele Self-Made-Männer glaubt Siegfried Wolf auch an einfache Rezepte für die Welt. “Ein bisschen mehr Putin“ würde sich der Südsteirer, wie er selbst bekundet derzeit „in der europäischen Politik wünschen“.

Die Bestellung Siegfried Wolfs zum Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖIAG wirft ein Schlaglicht auf das Wesen des 57-Jährigen. Und, auch wenn ausgeprägtes Demokratieverständnis keine Grundvoraussetzung für die Qualifikation zum obersten Kontrolleur des Tafelsilbers dieser Republik ist: Siegfried Wolfs tiefes Verständnis für russische Strukturen ist weniger spleenige Vorliebe für autokratische Führung sondern eher Merkmal seines Charakters und Managementstils.

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So ist ihm das Gefühl für Unvereinbarkeiten völlig fremd. Als etwa der ÖIAG-Aufsichtsrat (dem er damals angehörte) im Jahr 2003 den Verkauf des Stahlkonzerns Voestalpine an den Automobilzulieferer Magna Holding (deren CEO er war) vorbereitete, war er zwar offiziell nicht in der mit dem Verkauf befassten Task Force, doch gründlich über die Verkaufsabsichten informiert. Er trug diese mit - und war nach dem Platzen des Deals verwundert, dass Kritiker ihm Insidergeschäfte zu Lasten der Republik vorwarfen.

Die Art und Weise, in der Siegfried Wolf zum Aufsichtsratsvorsitzenden der ÖIAG wurde - und das Biotop von persönlichen Beziehungen, das den Aufsichtsrat der Verstaatlichtenholding jetzt prägen zeigen zudem: Management bedeutet für Wolf immer auch Politik und Patronage. Mit seinem Netzwerk macht Wolf seit je her Karriere und Karrieren.

Bei der OMV, der größten und wichtigsten Beteiligung der ÖIAG, könnte Wolf in den kommenden Monaten wieder die Möglichkeit bekommen, Karrieren zu machen. Der Vorstandsvorsitzende des Mineralölkonzerns, Gerhard Roiss scheint als Führungsperson völlig diskreditiert, das System Roiss in der OMV gilt als gescheitert. Auch wenn in der nächsten Aufsichtsratssitzung der OMV Ende Oktober wohl noch nicht über seine Ablöse entschieden wird, stehen da schon weitreichende Entscheidungen zur Neuausrichtung des Geschäftes des Mineralölkonzernes an.

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Just in dieser Situation ist Siegfried Wolf mittendrin. Wenn etwa, wie angedacht, das Gasgeschäft der OMV veräußert werden soll. Wenn Schlüsselpositionen wie jene des Explorationsvorstandes und – wohl erst im kommenden Jahr – auch des Vorstandsvorsitzenden neu bestellt werden.

Zumindest für das Gasgeschäft (vor allem die Infrastruktur und Läger) interessiert sich die russische Gazprom. Für die zuletzt eher stiefmütterlich behandelte Division Refining und Marketing angeblich jener russische Ölmulti, der derzeit den russischen Konzern Bashneft feindlich zu übernehmen sucht. Und mit Thomas Winkler sitzt Bashnefts Finanzchef als Wolfs Stellvertreter sogar im Aufsichtsrat der ÖIAG.

Dass Siegfried Wolf, der Manager mit besten Kontakten in die russische Oligarchie im Fall des Falles keine Unvereinbarkeit erkennen wird können, davon darf man heute schon getrost ausgehen.

Doch dass der Eigentümer der Verstaatlichtenholding, die Politik in Personam von Reinhold Mitterlehner und Werner Faymann nicht erkennen, dass ein Mann vom Schlage Wolfs – bei aller Managementqualifikation – in dieser Situation nicht die optimale Besetzung für den Posten des Aufsichtsratspräsidenten darstellt, ist unverzeihlich.

Es wird Zeit, dass der Eigentümer handelt. Siegfried Wolf hätte es - wäre er Eigentümer der ÖIAG - längst getan.