Geschäftsmodellerweiterung : Servitization: Wie Produktionsunternehmen mit digitalen Services endlich Geld verdienen

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Geschäftsmodelle, die Maschinenleistungen zum Festpreis abrechnen. Oder Anlagen, deren Wartung virtuell erfolgt. Vor ein paar Jahren hätte man all das in vielen Branchen der Industrie noch als Spinnerei abgetan. Heute setzen immer mehr Unternehmen auf die digitale Karte. Die Möglichkeiten, traditionelle Dienstleistungen zunehmend um daten- oder sensorikbasierte Services zu ergänzen, erscheinen endlos. Und das ist zwar nicht falsch, führt die Unternehmen aber an einen kritischen Punkt: Nämlich zu der nicht gerade trivialen Frage "des richtigen Geschäftsmodells und der optimalen Verwertungsstrategie", sagt Othmar Schwarz, Partner und Gesellschafter bei der globalen Strategie- und Marketingberatung Simon-Kucher & Partners.

Viele Fragen

Dabei geht es um mehrere Prioritätensetzungen: Was biete ich eigentlich an – Software, Datenbereitstellung oder Serviceleistungen? Wie soll das Angebot strukturiert sein? Wie sieht ein dazupassendes Preismodell aus? Häufig existieren keine vergleichbaren Angebote am Markt und speziell "bei softwarezentrierten Serviceleistungen spiegeln die anfallenden Kosten nicht ansatzweise den geschaffenen Mehrwert wider". "Klassisches Cost-Plus-Pricing ist also keine Option", sagt Christoph Franke, Manager bei Simon-Kucher & Partners.

Der Strategie- und Marketingberater hat diese Thematik in der im Vorjahr erschienenen Global Pricing & Sales Study untersucht. Das Ergebnis: 75 Prozent der digitalen Innovationen zielen auf Topline-Wachstum ab, aber lediglich weniger als ein Viertel dieser Initiativen haben einen merklichen Einfluss auf das Topline-Ergebnis. Somit stellt sich die Frage: Welche Maßnahmen müssen Unternehmen ergreifen, um mit ihrem digitalen Serviceangebot auch Geld zu verdienen?

Ein japanischer Konzern macht es vor

Als Erfolgsbeispiel, wo im Zuge der Innovation auch das Erlösmodell komplett umgestellt wurde, wäre hier der Mischkonzern Hitachi zu nennen: Durch den Einsatz modernster Big-Data-Technologien schafft es das japanische Unternehmen in der Zugsparte, die Ausfallrate erheblich zu reduzieren und somit das Leistungsniveau deutlich zu steigern. Um diesen Mehrwert entsprechend zu monetarisieren, schloss Hitachi – gemäß dem Motto „Train as a Service“ – einen Deal mit UK Rail Networks. Die Züge verbleiben dabei im Eigentum von Hitachi und die britische Eisenbahn zahlt lediglich für die Nutzung pünktlicher Züge. Dadurch konnte mittels des geeigneten Preismodells – je geringer die Ausfallraten, desto höher der Subscription-Beitrag – eine Win-Win-Situation erreicht werden.

Daraus folgend, empfiehlt Simon-Kucher & Partners sechs Schritte, die branchenübergreifend zum Erfolg führen:

1. Evaluieren Sie den Kundennutzen!

Führen Sie eine Wert- beziehungsweise Kundennutzenanalyse durch: Welcher substanzielle Mehrwert ist aus Kundensicht durch Services gegeben? Wie bezahlt machen sich einzelnze Features?

2. Erstellen Sie homogene Kundencluster!

Machen Sie sich mit dem Thema Kunden- und Servicesegmentierung vertraut. Clustern Sie Ihre Kunden in homogene Gruppen bezüglich Kundenbedürfnissen und Zahlungsbereitschaft – nicht alle Kunden haben den gleichen Service-Bedarf oder die gleiche Kaufkraft.

3. Definieren Sie Ihr Serviceangebot und -design!

Definieren Sie Ihr künftiges Serviceangebot und -design - etwa Bundling oder modulare Angebote - auf Basis des unterschiedlichen Kundennutzens je Kundensegment. Vor allem bei digitalen Services hat die Flexibilität der Freischaltbarkeit einzelner Features einen erheblichen Einfluss auf das Angebotsdesign.

4. Bestimmen Sie ein Preismodell!

Wählen Sie das passende Preismodell, um gemäß Ihrer Strategie die beste Kombination aus Kundenbindung und Profitabilität sicherzustellen. Im Zuge des Servicegedanken entfernt man sich somit vom klassischen Preis-pro-Stück hin zu kontinuierlichen Erlösströmen, die beispielsweise durch Subscription Fees, Pay-Per-Use oder andere Preismetriken erreicht werden können. Die grundlegende Idee hierbei: Sich an den Kundenbedürfnissen zu orientieren und beim Kunden mittels „Value Sharing“ - der Aufteilung des geschaffenen Mehrwerts zwischen Unternehmen und Kunden - Zweifel an Ihrer Serviceleistung zu nehmen. Das zuvor erwähnte Beispiel von Hitachi ist Value Sharing "at its best".

5. Ermitteln Sie das optimale Preislevel!

Wenden Sie sich der Preisdifferenzierung zu: Ermitteln Sie für das definierte Angebotsdesign - inklusive Abstufungen zwischen einzelnen Optionen - den passenden Preislevel differenziert nach Kundensegmenten. Hierbei empfiehlt es sich, auf dem quantifizierten Kundennutzen aufzusetzen, um dann die Zahlungsbereitschaft je Kundensegment abzuschätzen. Mittels unterschiedlicher Methoden (Simon-Kuchers PriceStrat, Van Westendorp, Conjoint etc.) lassen sich somit differenzierte Preislevel ableiten.

6. Führen Sie umfassende Markttests durch!

Verproben Sie Angebotsdesign, Preismodell und -level in einer breit angelegten Kundenbefragung, um Ihr Offering finalisieren zu können. Um das große Potenzial ihrer Innovationen nicht zu verschenken, müssen Unternehmen nach der Definition von Angebotsdesign, Preismodell und -level auch sicherstellen, dass der Vertrieb entsprechend geschult ist. Nur wenn die Vertriebsmitarbeiter den Kundennutzen - etwa höhere Effizienz, längere Wartungszyklen, kürzere Ausfallzeiten - verstehen und den Mehrwert entsprechend kommunizieren, sind Unternehmen mit Ihren digitalen Services auch erfolgreich. Denn: "Gerade in traditionellen Industrien ist die Umstellung von klassischem Produktverkauf zu Serviceverkauf ein nicht zu unterschätzender Change Prozess", weiß Othmar Schwarz, Partner und Gesellschafter Simon-Kucher & Partners.