Kautschukindustrie : Semperit: Ab in die Nische?

Beim heimischen Gummi-Konzern Semperit bleibt kein Stein auf dem Anderen. In einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung Ende Jänner holte sich der Vorstandsvorsitzende Martin Füllenbach das Plazet des Kontrollgremiums, neben vielen Produktions- und Prozessoptimierungen auch die „aktuellen Produktionsfootprints“ auf den Prüfstand zu stellen. Damit kann Füllenbach über die Zukunftsfähigkeit der insgesamt vier Produktgesellschaften und 13 Erzeugnisgruppen – von Handschuhen bis Seilbahntechnik – disponieren. Im Verlauf des Jahres werde „der Vorstand Schritt für Schritt entscheiden, ob es Änderungen im Portfolio der bestehenden Segmente sowie weitere Anpassungen geben werde“, wie es aus dem Unternehmen heißt. Damit ist denkbar, sowohl Unternehmen zuzukaufen als auch Geschäftsteile abzustoßen. Im Herbst ließ Füllenbach mit einem niederschmetternden Urteil aufhorchen: „„Semperit ist im Heute nicht angekommen und für morgen nicht richtig aufgestellt“, meinte er damals in einem Gespräch mit der Wiener Tageszeitung „Kurier“.

Unternehmensbeschleunigung.

Mit der Berufung des deutschen Ex-Offiziers Martin Füllenbach holte der Semperit-Aufsichtsrat einen Troubleshooter ins Haus, der den bis dahin dümpelnden Semperit-Alltag befeuern soll. Die sukzessive Erneuerung des Vorstandes seit 2016 und der überraschende Hinauswurf von Ex-CEO Thomas Fahnemann waren klare Hinweise, dass Kontrolleure und Aktionäre die Geduld verlieren.

Darben im Stillen.

Öffentlichkeit und Wirtschaftsmedien nahmen bis dahin nur zögernd zur Kenntnis, dass Semperit in den letzten Jahren sukzessive ins Hintertreffen geraten ist. Die ersten Analyseergebnisse der von Füllenbach bestellten Beratungsunternehmen sprechen von einer „strategischen Disbalance“ des Unternehmens. Der österreichische Konzern matcht sich in wichtigen Produktbereichen mit thailändischen und indonesischen Konkurrenten. Gummihandschuhe und viele medizinische Kautschukprodukte sind - von hochwertigen Chirurgieutensilien abgesehen - in Summe Commodities. Asiatische Mitbewerber liefern in diesem Segment gleiche Qualität zu besseren Preisen. Trotz malaysischer Billigstandorte schlägt bei Semperit die Abhängigkeit von oszillierenden Rohstoffpreisen voll durch – und macht die wichtige Sempermed-Division mit 40 Prozent des Umsatzes zum konzerninternen Verlustbringer. Semperit hat nach Lesart des neuen Managements und der Aktionäre in den letzten Jahren sukzessive an Dynamik verloren.

Industrie als Kernsegement.

Martin Füllenbach ist angetreten, Semperit aus der Komfortzone zu holen. Die Richtung der Reise sei aber auch nach der überraschend angesetzten Aufsichtsratssitzung im Jänner noch nicht fixiert, so eine Unternehmenssprecherin. Aus dem Aufsichtsrat ist zu hören, dass nach den ersten Analyseergebnissen die Produkte und Standorte aus dem medizinischen Bereich (Sempermed) sowie der Bereich der Sempertrans die schwächsten Karten haben. Sempertrans produziert in erster Linie Förderbänder für den Kohlebergbau und ist mit rund 17 Prozent des Umsatzes der kleinste der vier Semperit-Bereiche. Gummihandschuhe wie Transportbänder fallen unter die Kategorie „dumme Produkte“, wie Füllenbach in einem APA-Interview die Commodities umschrieb. Semperflex, wo insbesondere Hydraulikschläuche hergestellt werden (25 Prozent des Gruppenumsatzes), attestiert Füllenbach "ein hochprofitables Geschäft" mit voll ausgelasteter Produktion und einer speziellen Marktstellung. Semperform, wo knapp ein Fünftel des Umsatzes (18 Prozent) gemacht wird, zählt ebenfalls zu den kleinen, aber hochprofitablen Unternehmensdivisionen. Produkte wie spezielle Fensterprofile bescheren dem Konzern Alleinstellungsmerkmale, die in der künftigen Nischenpolitik allen Semperit- Produkten zu eigen sein soll. "Wenn ich heute auf die Semperit draufschaue, ist für mich die Semperform möglicherweise der Nukleus für das große Semperit von morgen", zeigt Füllenbach Vorlieben.

Comeback als Zulieferer.

Seit der Aufteilung von Semperit in einem Kautschuk- und einen Reifenhersteller Mitte der 80er-Jahre galt für die übriggebliebene Rest-Sempert die Zulieferbranche als feindliches Territorium. In der aktuellen Situationsanalyse heißt es unterm Strich, dass dies nicht sehr klug sei. Martin Füllenbach ließ bereits durchklingen, dass die - trotz aller Umbrüche - hochprofitable Branche wieder als Kundensegment ins Auge gefasst werden wird. Die Auswirkungen der umfassenden Umbaupläne auf die 6500 Jobs (800 davon in Österreich) und 22 Produktionsstandorte werden vom Management aktuell nicht kommentiert. Standortschließungen hat Füllenbach im Herbst aber ausgeschlossen.

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