Rechtstipp : Selektiver Luxus

Aufgrund des Pierre Fabre-Urteils (EuGH 13.10.2011, C 439/09, Pierre Fabre) des EuGHs schien es zweifelhaft, ob die Notwendigkeit, das Image einer Marke zu schützen, ein selektives Vertriebssystem rechtfertigen könne. Im Urteil Coty (EuGH 6.12.2017, C 230/16, Coty) stellte der EuGH nunmehr klar, dass ein Drittplattformenverbot im selektiven Vertriebssystem von einem pauschalen Verbot des Internetverkaufes zu unterscheiden ist und die Qualifikation der Waren Bedeutung hat.

In Coty ging es um die Frage, ob ein Hersteller von Luxusparfums (Coty) seinen zugelassenen Händlern verbieten kann, die Produkte im Internet über Drittplattformen wie Amazon, eBay, etc. anzubieten. Coty befürchtete, dass das exklusive Image seiner Parfums durch diesen Vertrieb gefährdet werde.

Unstrittig ist, dass die Einrichtung und der Betrieb eines selektiven Vertriebssystems kartellrechtskonform sind, wenn die Auswahl der Händler aufgrund objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, die einheitlich festgelegt und diskriminierungsfrei angewendet werden. Die Eigenschaften des vertriebenen Erzeugnisses müssen zur Wahrung seiner Qualität sowie zur Gewährleistung des fachgerechten Gebrauches die Einrichtung eines solchen Vertriebsnetzes erfordern und die festgelegten Kriterien dürfen nicht über das erforderliche Maß hinausgehen (EuGH 25.10.1977, C 26/76, Metro I).

Auch ein primär auf die Sicherstellung des Prestigecharakters von Luxuswaren gerichtetes selektives Vertriebssystem ist grundsätzlich kartellrechtskonform. Aus seiner markenrechtlichen Rechtsprechung leitet der EuGH ab, dass „die Qualität von Prestigewaren nicht alleine auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht“, beruht, weshalb der Schutz dessen der Wahrung der Qualität des Produktes dienen kann (EuGH 23.4.2009, C 59/08, Copad).

Auch das Verbot, Waren über Drittplattformen zu verkaufen, ist bei Einhaltung der oben dargestellten sogenannten „Metro Kriterien“ innerhalb eines selektiven Vertriebssystems kartellrechtskonform. Nur so kann der Hersteller sicherstellen, dass seine Produkte ausschließlich von zugelassenen Händlern verkauft werden und dass ihm die Kontrolle darüber verbleibt, dass seine Waren in einer entsprechenden Umgebung angeboten werden. Das Verbot ist auch nicht überschießend, da der sonstige Verkauf der Produkte über das Internet weiter möglich ist.

Sollte ausnahmsweise doch eine Wettbewerbsbeschränkung vorliegen, so hält der EuGH auch eine Freistellung nach der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung für möglich, da keine Kernbeschränkung vorliegt. Damit wird auch ein starkes Signal gesendet, dass keine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliegt.

Gilt das nur für „Luxuswaren“? Der EuGH setzt sich mit der Definition nicht auseinander. Generalanwalt Wahl (Schlussanträge GA Nils Wahl 26.7.2017, C 230/16) ist hier wesentlich breiter und verweist auf „qualitativ hochwertige Verbrauchsgüter“. Ähnlich auch die Europäische Kommission und deutsche Gerichte.

Jedenfalls wird die Freiheit bei der Gestaltung von selektiven Vertriebssystemen etwas größer. Unterstützt werden Hersteller, die nicht über Drittplattformen vertreiben wollen, es sei denn, sie tun es selbst, dann werden sie es auch ihren Händlern nicht untersagen können. Ob die Marktmacht von Drittplattformen etwas anderes gebietet, ist eine davon unabhängige faktische Überlegung. Im Rahmen der vertikalen Gruppenfreistellungsverordnung sollten auch andere Produkte als Luxuswaren profitieren können.

Mag. Dieter Hauck ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte. Er ist Experte im Kartellrecht.

„Kartellverstöße passieren im Geheimen und Hinweisgeber/Hinweisgeberinnen haben Sorge, mit Repressalien zu rechnen, wenn sich diese mit Hinweisen an die Bundeswettbewerbsbehörde wenden“, so die BWB auf ihrer Website. Ähnliche Systeme gibt es schon bei den Staatsanwaltschaften für Wirtschaftsstrafsachen und bei deutschen Behörden. Die BWB hat freilich immer schon die Anonymität ihrer Hinweisgeber gewahrt. Ziel des neuen Systems ist es jedoch, trotz der Anonymität eine weitere Kommunikation zwischen dem Whistleblower und der BWB zu ermöglichen. Das Risiko, dass untersuchte Unternehmen aus Art und Inhalt der BWB-Untersuchungen Rückschlüsse auf Whistleblower ziehen können, besteht naturgemäß immer. Über die Anonymität hinausgehende Vorschriften zum Schutz von Whistleblowern sind im Gesetz aber nicht vorgesehen. Für Unternehmen besteht das Risiko, dass sie – weil der Whistleblower schneller war – um die Möglichkeit gebracht werden, selbst einen Kronzeugenantrag mit strafbefreiender oder reduzierender Wirkung zu stellen.

Es bleibt abzuwarten, welchen Effekt das neue Hinweissystem der BWB auf deren bereits hochaktive Ermittlungstätigkeit haben wird. Ebenso interessant werden die Wechselwirkungen zum seit längerem bestehenden Kronzeugensystem sein.