Teststrecke : Selbstfahrende Autos bald in Deutschland unterwegs

Im Mai schickte Daimler erstmals einen selbstfahrenden Lastwagen in den öffentlichen Straßenverkehr: Der zur US-Tochter Daimler Trucks North America gehörende Lkw-Hersteller Freightliner stellte einen Laster mit Autopilot im Praxistest auf der Straße vor. Nun erhielt Daimler auch die Genehmigung der Behörden, selbstfahrende Lastwagen in Deutschland zu testen. Mit der Serienreife teilautonomer Lkw sei in zwei bis drei Jahren zu rechnen, sagte Daimler-Vorstand Wolfgang Bernhard noch im Juli. Bis die teilautomatisierten Laster allerdings in den freien Verkauf und dann in großen Mengen auf deutschen Straßen auftauchen könnten, wird noch viel Zeit vergehen: Zunächst müssen Millionen an Testkilometern gefahren werden, bevor weitere Zulassungs-Hürden genommen werden müssen. "Das dauert noch sehr, sehr lang", sagte Christoph Hecht vom Autoclub ADAC.

Genau genommen handelt es sich bei den selbstfahrenden Lastwagen, die bald auf deutschen Straßen unterwegs sind, um "teilautonome" Fahrzeuge. Sie werden zwar vom Autopiloten gesteuert. Ein Fahrer muss aber weiter auf dem Fahrersitz sein, um gegebenenfalls doch eingreifen zu können. Wann die im ganzen Bundesgebiet möglichen Testfahrten auf Bundesstraßen und Autobahnen losgehen, ist noch unklar.

Ein Sprecher von Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann wies darauf hin, dass das Unfallrisiko durch verbesserte Fahrassistenz- und Sicherheitssysteme sinke. "Solche Forschung ist wünschenswert und wichtig, das unterstützen wir." Zugleich betonte er, es gehe nicht darum, mehr Laster auf die Straße zu bringen, sondern die vorhandenen Fahrzeuge sicherer zu machen.

Prinzipiell kann ADAC-Experte Hecht dem Thema durchaus positive Seiten abgewinnen. Die meisten schweren Lasterunfälle auf Autobahnen resultierten aus Ablenkung oder Einschlafen der Fahrer, sagte Hecht. Die Automatisierung beim Lasterfahren könne die Sicherheit "entscheidend verbessern". Fraglich sei aber, ob der Markt die Autopilot-Fahrzeuge überhaupt annehmen werde. "Es fehlt noch der wirtschaftliche Anreiz für die Unternehmer, weil sie die Fahrer ja weiterhin bezahlten müssten, unabhängig davon, ob das Fahrzeug automatisiert oder manuell gesteuert wird."

Fahrende Laster ganz ohne einen Menschen auf dem Fahrersitz bleiben hingegen reine Zukunftsmusik, das macht auch Baden-Württembergs Verkehrsministerium deutlich. Das sei "auf absehbare Zeit noch nicht realisierbar", hieß es aus dem Ministerium. Dafür sei der Verkehr zu komplex und oben drein seien die Straßen dafür nicht angelegt.

Wiener Abkommen im Weg

Die Technologie von selbst fahrenden, autonomen Autos und Lastwagen basiert vor allem auf Sensoren und Kameras, die die Umgebung erfassen und die Daten in Sekundenschnelle verarbeiten. Einparkhilfen oder Stauassistenten funktionieren bereits so. Autobauer setzen bei dieser Technologie vor allem auf Luxusfahrzeuge, die zumindest mit teilautomatisierten Elementen noch in diesem Jahrzehnt auf dem Markt erwartet werden. Beim Lkw ist eine Markteinführung der neuen Technologie hingegen noch nicht absehbar.

Verglichen mit dem Pkw-Bereich ist das Autopilot-Fahren bei Lastern nur in einer abgespeckten Version geplant, und zwar in "teilautonomen" oder "teilautomatisierten" Systemen. Während die Autofahrer wohl auch auf dem Beifahrersitz oder auf der Rückbank Platz nehmen könnten, wenn der Autopilot angeschaltet ist, muss der Lasterfahrer auf jeden Fall auf dem Fahrersitz bleiben. Dort könnte er aber theoretisch lesen oder sich anderweitig beschäftigen, zugleich muss er aber jederzeit zum Steuer greifen können.

Bevor das Auto komplett die Kontrolle übernehmen darf, muss das Wiener Übereinkommen über den Verkehr aus dem Jahr 1968 geändert werden. Denn dort ist festgeschrieben, dass jedes Fahrzeug einen Fahrer haben soll. Aus diesem Grund müssen Autofahrer bisher immer wieder das Lenkrad berühren, wenn das Auto - zum Beispiel beim Stauassistenten - schon heute übernommen hat. (apa/dpa)

So kann der in Deutschland in Wuppertal ansässige US-Autozulieferer Delphi das automatisierte Fahren praktisch vor der eigenen Haustür weiterentwickeln. Es ist eine von wenigen Teststrecken in Deutschland - bisher wurden einige Autobahn-Abschnitte für autonomes Fahren freigegeben.

In Wuppertal kann der Testbetrieb im nächsten Jahr starten, das Land hat die Weichen dafür gestellt. Thomas Aurich, der Sprecher von Delphi, betont, die mit Technik vollgestopfte Autos seien keine Geisterfahrzeuge. "Es geht um Fahrzeuge, wo weiterhin ein ausgebildeter Ingenieur, der speziell geschult ist, am Steuer sitzt." Dieser Fachmann ist eine Art Fahrlehrer für das selbstfahrende Auto: Er kontrolliert und greift dann ein, wenn der Wagen von alleine nicht so fährt, wie er soll.

Tests bisher nur in den USA möglich

Wuppertals Oberbürgermeister Peter Jung ist ein unbedingter Befürworter des Projekts und hat die Landesregierung an seiner Seite. Denn bisher fehlt dem Autozulieferer Delphi, mit immerhin 700 Arbeitsplätzen am Ort, schmerzlich eine Probestrecke, wo die Technik vorgeführt und erprobt werden kann. Bisher müssen Kunden dafür in die Vereinigten Staaten fliegen.

International sind bisher vor allem die USA das Testfeld für selbstfahrende Fahrzeuge. Für Google etwa ist seit über fünf Jahren eine Flotte Roboter-Wagen durch Kalifornien und Nevada unterwegs. Seit einigen Wochen fahren vom Internet-Konzern entwickelte kleine Zweisitzer durch dessen Heimatstadt Mountain View. Auch Audi und Mercedes schickten ihre selbstfahrenden Fahrzeuge auf US-Straßen. Die deutschen Autobauer wollen Google keinen Vorsprung lassen.

Straßen sind anders als in den USA

Delphi ließ in den USA vor einigen Monaten einen Wagen autonom das Land durchqueren. Jetzt geht es darum, die Technik unter Alltagsbedingungen in Deutschland zu erproben. Denn hier unterscheidet sich viel von den geräumigen Verhältnissen in den USA: Die Straßen sind nicht so breit, die Kreuzungen sehen anders aus, der Verkehr ist dichter, zum Teil wird aggressiver gefahren. "Wie verhält sich das System?", ist die spannende Frage.

Ängsten vor dem Auto-Roboter im Verkehr tritt der Wuppertaler Oberbürgermeister entgegen. "Also, das Gros der Fahrer wird gar nicht merken, dass da einer dazwischen ist, der automatisch fährt", meint Jung. Sicherheitsbedenken seien nach menschlichem Ermessen aus dem Weg geräumt. Bei Google gab in all den Jahren rund ein Dutzend Auffahrunfälle: An keinem sei das Roboter-Auto schuld gewesen, heißt es. Meist seien Menschen auf den umsichtig bremsenden Google-Wagen von hinten aufgefahren, etwa auf Kreuzungen.

Schon 2020 im regulären Straßenverkehr?

In den Testwagen, die vollgestopft sind mit Kameras, Sensoren und Radargeräten, kommt innerhalb kürzester Zeit eine riesige Menge von Daten zusammen. Daraus müssen im Bruchteil von Sekunden Entscheidungen entstehen: ob das Auto gebremst wird, oder ob es ausweichen soll. Was zu tun ist, wenn ein Fußgänger über die Straße geht.

In der Branche wird damit gerechnet, dass selbstfahrende Fahrzeuge zum Jahr 2020 regulär auf die Straße kommen. Dafür müssen aber neben technischen Verbesserungen vor allem rechtliche Fragen wie Haftung bei Unfällen oder Versicherungsregeln geklärt werden. Für die Wuppertaler Polizei jedenfalls ist die Sache klar: Der verantwortliche Fahrzeugführer ist der Ingenieur. Ob er die Hände am Lenkrad hat, oder nicht.