Industriekonjunktur : Seitwärtsbewegung bei der deutschen Wirtschaft

Das deutsche Wirtschaftswachstum hat Ende des letzten Jahres erneut einen Dämpfer erhalten. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im vierten Quartal. Für heuer treibt dies den Unternehmen Sorgenfalten auf die Stirn.

Für das Gesamtjahr 2019 hatten die Statistiker das BIP-Wachstum bereits Mitte Jänner vor allem wegen einer sinkenden Industrieproduktion mit 0,6 Prozent beziffert - deutlich weniger als die 1,5 Prozent des Jahres 2018 und die 2,5 Prozent von 2017. Für das Schlussquartal 2019, für das zu diesem Zeitpunkt noch keine genauen Angaben gemacht worden waren, hatten sie damals indes die Möglichkeit einer leichten Erholung angedeutet. Nun vermeldeten sie aber lediglich 0,0 Prozent Veränderung im Vergleich zum Vorquartal.

Grund dafür ist dem Bundesamt zufolge, dass aus dem Inland "gemischte Signale" kamen. Sowohl die privaten als auch die staatlichen Konsumausgaben hätten nach einem sehr starken dritten Quartal zum Jahresende deutlich an Dynamik verloren. Die Unternehmen investierten deutlich weniger in Ausrüstungen - die Bauinvestitionen und die Investitionen in sonstige Anlagen dagegen legten weiter zu.

Exportiert wurde "etwas weniger" als im dritten Quartal; die Importe von Waren und Dienstleistungen dagegen stiegen im Vergleich zum Vorquartal an.

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Für das Gesamtjahr 2019 beträgt das preisbereinigte BIP-Wachstum aber weiterhin 0,6 Prozent. Im dritten Quartal fiel der Zuwachs auf Grundlage neuer Berechnungen mit 0,2 Prozent um 0,1 Prozentpunkte etwas stärker aus als zunächst vermeldet. Im ersten Quartal hatte es im vergangenen Jahr noch einen vergleichsweise schwungvollen Jahresauftakt mit einem Wachstum von 0,5 Prozent gegeben; im zweiten Quartal ein Minus von 0,2 Prozent.

"Die deutsche Wirtschaft strauchelt und steht ganz im Schatten der Industrierezession", kommentierte Konjunkturexperte Nils Jannsen vom Institut für Wirtschaftsforschung (IfW) Kiel. "Maßgeblich hierfür sind einbrechende Ausrüstungsinvestitionen sowie ein schwaches Auslandsgeschäft, was nicht nur die Industrie belastet, sondern zunehmend auch auf die unternehmensnahen Dienstleistungen durchschlägt."

Auch im ersten Quartal 2020 werde das BIP seiner Einschätzung nach "keine großen Sprünge machen". Bestenfalls in der zweiten Jahreshälfte sei mit einer Belebung in der Industrie und damit auch gesamtwirtschaftlich zu rechnen.

Mittlerweile drohten aber "zusätzliche Belastungen aus dem außenwirtschaftlichen Umfeld", erklärte Jannsen. Die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus könne auch wirtschaftlich weitaus negativere Auswirkungen haben als zunächst erwartet. Dies belaste nicht nur deutsche Absatzmärkte, sondern auch die heimische Produktion, da asiatische Zulieferbetriebe nicht wie geplant arbeiten könnten und Lieferketten unterbrochen seien. "Dies könnte letztlich das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2020 ins Minus drücken."

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Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, mahnte, in der schwachen Wachstumszahl stecke "auch eine klare Warnung für das laufende Jahr". Die deutsche Exportwirtschaft und damit viele Schlüsselbranchen der Industrie hätten neben den noch wenig absehbaren Auswirkungen des Coronavirus "weiterhin mit den gravierenden Handelskonflikten und den noch ungeklärten Folgen des Brexit zu kämpfen".

Die Unternehmen bräuchten "dringend Entlastungssignale im Inland", forderte Wansleben. "Planungsbeschleunigung bei Investitionsvorhaben und Steuersenkungen sollten ganz oben auf die Agenda der Bundesregierung rücken."

Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung betonte hingegen, dass Bau und Privatkonsum weiterhin Stützen der Konjunktur seien. "Ohne diese beiden Wachstumspfeiler hätte die deutsche Wirtschaft 2019 eine Rezession erlebt", erklärte IMK-Direktor Sebastian Dullien und verwies hierbei auf die "robuste" Einkommensentwicklung. "Sollte sich das gute Lohnwachstum der vergangenen Jahre massiv verlangsamen, würde auch der Privatkonsum in Deutschland in Gefahr geraten" warnte er. (afp/apa/red)