VW-Skandal : Sammelklagen des VKI gegen Volkswagen - Autohersteller widerspricht

Vor drei Jahren wurden Abgasmanipulationen bei VW-Dieselfahrzeugen bekannt. Nach österreichischem Recht drohen damit erstmals Schadenersatzansprüche von VW-Kunden zu verjähren. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat nun 16 Sammelklagen gegen VW wegen des Abgasskandals eingebracht. Der Streitwert in 9.872 Fällen beläuft sich auf rund 60 Mio. Euro.

"Es hat keinerlei Bereitschaft für eine außergerichtliche Entschädigung durch VW gegeben", sagte VKI-Rechtsexperte Thomas Hirmke bei einer Pressekonferenz in Wien. Er rechnet mit einem jahrelangen Rechtsstreit. Die Abgasmanipulationen durch Volkswagen seien "unglaublich", sagte Sozial- und Konsumentenschutzministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bei dem gemeinsamen Pressetermin mit Arbeiterkammer (AK), VKI und dem deutschen Prozessfinanzierer Roland.

Volkswagen: Darstellungen "völlig einseitig"

VW weist die Vorwürfe des VKI zurück. Es gebe in Österreich kein rechtskräftiges Urteil, in dem Fahrzeugeigentümer mit ihrer Klage gegen die Volkswagen AG Erfolg gehabt hätten. "Die Darstellungen des VKI zu Problemen nach der Umrüstung sind völlig einseitig", hieß es in einer VW-Stellung gegenüber der APA. Die vom VKI befragten Konsumenten hätten sich der Sammelklage angeschlossen. "Diese Darstellungen sind daher in keiner Weise repräsentativ für die Gesamtheit der betroffenen Kunden", betonte der VW-Konzern. Den Kunden würden keine Nachteile durch die technischen Maßnahmen beim Diesel-Softwareupdate entstehen.

"Die zuständigen Behörden haben ausdrücklich bestätigt, dass sich die Durchführung der technischen Maßnahme nicht negativ auf Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen, Motorleistung, maximalem Drehmoment sowie die Geräuschemissionen auswirken wird", erklärte der Autobauer.

Größter Teil der Fahrzeuge in Österreich schon umgerüstet

Laut VW sind mit heutigem Stand über 92 Prozent der betroffenen Fahrzeuge in Österreich umgerüstet. Die Serviceaktion werde "weiter mit Hochdruck" forciert. "Die ganz überwiegende Mehrzahl" der Kunden sei mit der technischen Maßnahme zufrieden. Nur "bei einigen Promille" aller umgerüsteten Fahrzeuge komme es nach dem Software-Update zu Beanstandungen. Es habe aber bisher nicht nachgewiesen werden können, dass diese in einem Zusammenhang mit dem Update stehen.

Am Dienstag (18. September) jährt sich das Auffliegen des VW-Dieselskandals zum dritten Mal. Nach österreichischem Recht drohen damit erstmals Schadenersatzansprüche von VW-Kunden zu verjähren. In Österreich gibt es 360.000 betroffene Fahrzeuge. Volkswagen hat mehrfach erklärt, dass dem Konzern das Ausmaß der Strafzahlungen in den USA erst am 18. September 2015 bewusst geworden sei, als die US-Umweltbehörde mit dem Abgasskandal an die Öffentlichkeit ging und eine Strafe von bis zu 18 Mrd. Dollar androhte. Als nach eigenen Nachforschungen klar wurde, dass weltweit millionenfach Dieselautos durch eine Abschalteinrichtung manipuliert worden waren, hat Volkswagen die Börse am 22. September 2015 in einer Pflichtmitteilung informiert und die Gewinnziele kassiert. Die Aufarbeitung des Betrugs hat den Konzern bereits mehr als 27 Mrd. Euro gekostet.

Arbeiterkammer: Hohes Prozessrisiko

Für den Arbeiterkammer-Direktor Christoph Klein ist in dem VW-Abgasskandal "die Zeit der Samthandschuhe vorbei". Es habe in der Causa "keinerlei Einsicht" von VW gegeben. Klein appellierte an die Bundesregierung, in Österreich Verbraucher-Gruppenklagen möglich zu machen. Derzeit seien die Sammelklagen mit einem hohen Prozessrisiko verbunden. In Deutschland gebe es ab 1. November die Möglichkeit einer Gruppenklage.

Für die betroffenen Autobesitzer fordert der VKI bei den zivilrechtlichen Sammelklagen rund 55 Mio. Euro Entschädigung. Bei den Sammelklagen, die an 16 Landesgerichten eingebracht wurden, klagt der VKI einen Schaden von 20 Prozent des Kaufpreises ein. Der VKI wurde in der Causa vom Sozialministerium und der Arbeiterkammer beauftragt, die Sammelklagen zu organisieren. Der Streitwert für die Feststellung der Haftung für Folgeschäden beläuft sich auf zusätzlich 4,5 Mio. Euro. Beispielsweise könne sich durch mögliche Dieselfahrverbote in Österreich der Gebrauchtwagenwert von Dieselfahrzeugen weiter reduzieren.

Bei den VKI-Sammelklagen ergibt sich ein durchschnittlicher Streitwert von rund 6.000 Euro pro Fall. Die deutsche Roland ProzessFinanz AG hat die Finanzierung der Prozesskosten und das Prozessrisiko für die 16 Sammelklagen gegen VW übernommen. Die Erlösbeteiligung für den Prozessfinanzierer im Erfolgsfall beträgt zwischen 20 und 37 Prozent, je nachdem wie lange der Rechtsstreit dauert. Die Verbraucher tragen bei den Sammelklagen kein Prozessrisiko.

Auch Prozessfinanzierer Cobin Claims will Geld sehen

Auch andere Sammelklagen gegen VW sind in Österreich anhängig. Die private Wiener Plattform Cobin Claims vertritt mehr als 6.400 Fälle und hat bereits mehrere Sammelklagen gegen VW eingebracht. "Gutgläubige Kunden haben um mindestens 20 Prozent zu viel für ein vermeintlich nicht-manipuliertes Qualitätsprodukt bezahlt, aber in Wahrheit ein gar nicht zum Verkehr zulassungsfähiges Auto bekommen", so Cobin Claims in einer Aussendung. Eingeklagt werden 20 Prozent oder mehr des Kaufpreises des Wagens. (apa/red)