Energiewende : Salzburg AG-Chef: Doppelt so viele Kapazitäten zur Stromerzeugung nötig

Österreich soll seinen Strombedarf bis 2030 im Jahresschnitt bilanziell zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien decken. Das sieht die aktuelle Energiestrategie der Bundesregierung vor. Das Wort "bilanziell" ist in diesem Zusammenhang entscheidend: Es bedeutet, dass die Versorgung nur unter dem Strich komplett über Erneuerbare stattfindet. In der Realität wird es auch in Zukunft nicht ohne Verbrennungskraftwerke gehen - und ohne Stromimporte aus dem Ausland wahrscheinlich auch nicht.

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Aber auch um dieses Ziel zu erreichen, wird ein massiver Ausbau nötig sein. Einige Zahlen dazu nannte Leonhard Schitter auf dem Jahreskongress des europäischen Branchenverbands Eurelectric in Laibach (Ljubljana). Schitter ist Chef des heimischen Versorgers Salzburg AG und derzeit Präsident des Interessensverbands Oesterreichs Energie.

Salzburg AG-Chef: Wir müssen Kapazität zur Stromerzeugung verdoppeln

"Unser Strombedarf wird von derzeit rund 72 Milliarden Kilowattstunden in den nächsten zwölf Jahren auf rund 88 Terawattstunden steigen. Das bedeutet eine Steigerung der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien bis 2030 um 35 TWh.“ Anmerkung: Eine Milliarde Kilowattstunden (kWh) entspricht einer Terawattstunde (TWh).

Um das zu erreichen, ist der Zubau von Windenergie mit einer installierten Leistung von 475 Megawatt, von Photovoltaik mit 1125 Megawatt und Wasserkraft mit einer installierten Leistung von 125 Megawatt erforderlich. Damit steigt die installierte Leistung der Stromerzeugungsanlagen in Österreich von 17,9 Gigawatt auf 38,5 Gigawatt.

Massiver Ausbau aller Erneuerbaren

Konkret bedeutet das einen Ausbau der Wasserkraft um 6 bis 8 TWh. 1.700 neue Windkraftanlagen müssten gebaut, beziehungsweise Teile der bestehenden 1.200 einem Repowering unterzogen werden. Die Photovoltaik müsste vervierzehnfacht werden. Das bedeutet einen Zubau von rund 200.000 Photovoltaikanlagen à 5 KWpeak pro Jahr.

Das ist zu schaffen, aber eine große Herausforderung. Schitter: „100 Prozent erneuerbare Energie bedeuten bis 2030 jeden zweiten Tag ein neues Windrad und alle 80 Sekunden ein neues PV-Dach." Österreichs E-Wirtschaft komme damit dem Ziel der Dekarbonisierung des Wirtschaftssektors einen Riesenschritt näher, so Schitter. Mehr dazu: Heimische Energiewirtschaft: Strom nur aus Erneuerbaren bis 2030 wird schwierig >>

Stromüberschüsse in die Erzeugung von Gas

Der Chef des Salzburger Versorgers erwartet in Zukunft im Sommer und an Tagen mit viel Wind hohe Stromüberschüsse, die zur Erzeugung von Gas genützt werden können, das bei Bedarf in thermischen Kraftwerken eingesetzt wird. Schitter: „Mit einer weiteren Steigerung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wäre dann der gesamte Stromsektor in Österreich dank „grünem Gas“ klimaneutral. Mehr dazu: Österreichs Gaswirtschaft: Haushalte komplett mit "grünem" Gas versorgen >>

Bei optimaler Nutzung der Speicher ist Klimaneutralität der E-Wirtschaft schon bald nach 2030 erreichbar. Österreichs E-Wirtschaft wäre dann bereits in gut einem Jahrzehnt der erste große dekarbonisierte Wirtschaftssektor.“ Gelingt es, das Ziel von 2030 zu erreichen, kann Österreich bis 2050 insgesamt eine Dekarbonisierung von 90 bis 95 Prozent erreichen. Schitter: „Elektrizität wird zum entscheidenden Faktor der Entwicklung, aber wir stehen vor einer gewaltigen technischen und auch politischen Herausforderung.“

Energiebranche auf Dekarbonisierungs-Kurs

Die europäische Energiebranche halte eine "vollkommene Dekarbonisierung" bereits vor dem Jahr 2050 für möglich, so Kristian Ruby, Generalsekretär von Eurelectric. Notwendig seien aber "erhebliche Investitionen in saubere Energiegewinnung aus unterschiedlichen Quellen.“ Sauberer Strom sei der Schlüssel beim Umbau des gesamten Energiesystems, der nur mit dem Umbau von Sektoren wie Transport, Wärme und Industrie möglich sein werde.

(red)

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