Logistik : ROLA to nowhere?

Da waren es nur noch drei. Ende März dieses Jahres wurde die Verbindung zwischen Salzburg und Fernetti/Triest eingestellt. Das Aus kam nicht unerwartet, denn bereits seit Jahren werden die Kapazitäten der Rollenden Landstraße (ROLA) kontinuierlich reduziert. Im konkreten Fall von vier Abfahrten täglich auf zuletzt nur noch drei pro Woche. Die ÖBB, die die ROLA für den Streckenbetreiber, ein türkisches Logistikunternehmen, abwickelten, argumentieren damit, dass die Strecke nicht mehr wirtschaftlich zu führen gewesen sei. Die wöchentlich rund 60 Lkw, die bis dato via Schiene ihren Weg über die Alpen nach Triest und dann weiter nach Griechenland und in die Türkei nahmen, tuckern jetzt wieder über die Tauernautobahn.

Mit dem Wegfall der Verbindung besteht das ROLA-Angebot der ÖBB nur noch aus drei Strecken, nämlich Wels- Maribor, Brenner-Wörgl und Wörgl-Trento. Konkrete Zahlen in puncto Auslastung und ROLA-Anteil am Güterverkehr werden nicht kommuniziert, nur dass die Strecke über den Brenner Jahr für Jahr Zuwächse verzeichnet, wird auf Nachfrage hervorgehoben. Warum dem so ist, erschließt sich allerdings auch ohne ÖBB-Pressestelle. Nachtfahrverbot und Blockabfertigung an der Grenze machen den Güterverkehr auf der Straße so unattraktiv, dass die Schiene trotz Basistunnel-Dauerbaustelle immer noch die bessere, respektive einzige Alternative der Alpenquerung darstellt.

Rasante Talfahrt

Dass sich die ÖBB, ihre ROLA-Aktivitäten betreffend, seit geraumer Zeit in nobler Zurückhaltung üben, war nicht immer so. So etwa präsentierte man im Krisenjahr 2008 stolz die längste Rollende Landstraße Europas, die von Spacva (Kroatien) ins 808 km entfernte ROLA-Terminal Wels führte. 2012 listete die mit der ROLA befasste Ökombi noch zwölf Strecken auf, die allerdings damals schon in Bezug auf Auslastung einen deutlichen Abwärtstrend aufwiesen. Ein Jahr später stellte Rail Cargo die jährliche Leistungsschau ein. In einer vom Verkehrsministerium (BMVIT) in Auftrag gegebenen Studie zu den Marktbedingungen für die Rollende Landstraße heißt es, dass das Beförderungsvolumen der ROLA nach ihrer Blütezeit zwischen 1990 und 2002 – und einem kurzen Aufflackern im Jahr 2010 – kontinuierlich rückläufig, bzw. mittlerweile auf weniger als die Hälfte ihrer ursprünglichen Kapazitäten geschrumpft ist.

„Zuerst wurden die Abfahrten reduziert, dann verschwanden die Strecken ganz einfach“, ärgert sich Peter-Michael Tropper, Geschäftsführer des Fachverbands Güterbeförderung der WKO. Die Wirtschaftskammer habe sich immer für eine Verkehrsverlagerung auf die Schiene stark gemacht. Vor allem der begleitete kombinierte Verkehr (BKV) mache in Anbetracht der klein- und mittelständischen Unternehmerstruktur des Landes Sinn, sagt Tropper: „Der durchschnittliche österreichische Transportunternehmer kann nur via ROLA partizipieren. Der Fahrer stellt sich am Terminal an, fährt rauf und am Zielort wieder runter. Für eine ausgefeilte Logistik, wie sie bei Güterverkehr via Container notwendig ist, hat der gar nicht die Kapazitäten.“

Containerverkehr bevorzugt

Allerdings hätten die ÖBB im Laufe der Jahre aufgrund ihrer „doch recht sprunghaften ROLA-Politik“ den Großteil der Transporteure vergrault. „Und wenn die einmal weg, sprich wieder auf der Straße sind, dann wird es schwer, die wieder zurückzuholen“, sagt Tropper. Derzeit würden jedenfalls von der ÖBB keinerlei Versuche in diese Richtung unternommen werden, der Fokus der Bemühungen liege „ganz eindeutig“ auf dem unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV), kritisiert Tropper. Auch die Förderungen würden sich in Richtung UKV verlagern, zuungunsten der ROLA.

Klare EU-Prioritäten

Bis 2030 will die EU im Rahmen ihres Mobilitätspakets 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über 300 Kilometer auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagern. Aktuell entfallen 75 Prozent der insgesamt 2.300 Tonnenkilometer an Beförderungsmengen, die Jahr für Jahr quer durch Europa gekarrt werden, auf die Straße.

Entsprechend viel Arbeit kommt deshalb auch auf die EU-Verkehrsminister zu, zumal es gleichzeitig auch die klimapolitischen Ziele, Stichwort CO2-Reduktion, der Union zu berücksichtigen gilt. Erreichen will man das hierzulande „insbesondere durch die Verlagerung des Straßengüterschwerverkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger wie die Schiene“, sagt Lisa Anderluh, Leiterin der Abteilung „Kombinierter Verkehr“ im BMVIT. Die Rollende Landstraße spiele bei diesen Vorhaben eine wichtige Rolle, denn „diese ist auch für Kleinunternehmen eine jederzeit nutzbare Alternative zum reinen Straßengüterverkehr“. „Studien haben gezeigt, dass die ROLA als einfaches Verlagerungsinstrument nicht durch den aufwendigeren UKV substituierbar ist, für den nicht nur eigenes Equipment vom Frächter angeschafft werden muss, sondern auch die Umstellung der gewohnten Logistikprozesse erforderlich ist“, sagt Anderluh und ergänzt: „Wenn das ROLA-Angebot sinkt, dann sind diese Verkehre wieder rückverlagert auf die Straße.“

Dass genau das seit einigen Jahren (nicht nur) in Österreich passiert, quittiert Anderluh damit, dass „die Wahl der angebotenen ROLA-Relationen von den Betreibern, konkret der ÖBB-Tochter Rail Cargo Operator, getroffen und der Nachfrage und Marktsituation entsprechend angepasst werden.“

Anreize schaffen

„Reine Willensbekundungen der Politik genügen nicht, um die angestrebten Ziele zu erreichen“, sagt Ralf-Charley Schultze, Generaldirektor der in Brüssel ansässigen Internationalen Vereinigung für den kombinierten Verkehr Schiene-Straße (UIRR). Man müsse dafür auch entsprechend Geld in die Hand nehmen, denn wirtschaftlich rentabel sei die ROLA nicht: „Ganz ohne Subventionen ist die ROLA nicht überlebensfähig.“ Zudem müsse die ROLA an sich modernisiert und die Fahrpläne optimiert werden. Zahlreiche Terminals entsprächen nicht mehr den Anforderungen, neues Wagenmaterial müsse angeschafft werden, kurzum: das Angebot attraktiviert und erweitert werden.

„Man kann nicht alles durch Verbote regulieren, es müssen darüber hinaus auch finanzielle Anreize geschaffen werden“, sagt Schultze, der sich in Bezug auf zukunftsweisende Konzepte für den kombinierten Verkehr „sehr viel von Herrn Hofer“ erwartet: „Österreich war ein Vorreiterland bei der ROLA. Mit der EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte hat das Land jetzt die Möglichkeit, sich erneut wegweisend zu positionieren.“

Derweil hat Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer freilich ganz andere Sorgen. Bis 2023 muss er mit zwei Milliarden Euro weniger als ursprünglich veranschlagt auskommen. Die einschneidenden Kürzungen bei den ÖBB, der auch zahlreiche Infrastrukturprojekte zum Opfer fielen, sind, wie Hofer Ende März in einer Pressekonferenz verriet, der größte Einsparungseinzelposten im Budget der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Die Rollende Landstraße (ROLA) hat schon bessere Zeiten erlebt, die Verkehrszahlen sind seit Jahren rückläufig. Macht es da eigentlich noch Sinn, sich eine ROLA zu halten?

Ralf-Charley Schultze Natürlich macht es Sinn, eine ROLA zu haben. Und zwar dort, wo es zusätzliche Gründe dafür gibt. Also etwa bei Strecken mit natürlichen Hindernissen, wie eben dem Brenner. Wenn für den Güterverkehr auf der Straße dann auch noch Nachtfahrverbot und Blockabfertigung an der Grenze dazukommen, macht das die ROLA noch attraktiver. Ein weiterer Aspekt ist, dass es via ROLA möglich ist, die gesetzlichen Ruhezeiten für Lkw-Fahrer einzuhalten. Vorausgesetzt, dass die Strecke entsprechend lang ist. Für kurze Strecken macht die ROLA keinen Sinn.

Kritiker sagen, dass weder ökonomische noch ökologische Gründe für die ROLA sprechen.

Schultze Eines ist klar: Ganz ohne Subventionen ist die ROLA nicht überlebensfähig. Schließlich zahlt man zweimal den Verkehrsträger, also Lkw und Fahrer, und dann auch noch die Schiene. So etwas kann per se nicht wirtschaftlich sein. In der Schweiz besteht ein Verfassungsauftrag und ein Gesetz darüber, den Transitverkehr durch die Alpen auf die Schiene zu verlagern. Das ist eine politische Willensbekundung, die in erster Linie ökologisch begründet ist. Man will die Lkw von der Straße bekommen. Auch Österreich hat in dieser Frage immer schon eine Vorreiterrolle eingenommen, insofern bin ich gespannt, welche Schritte in Richtung kombinierter Verkehr während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs ab Mitte des Jahres gesetzt werden. Ich erhoffe mir diesbezüglich sehr viel von Ihrem Verkehrsminister Hofer.

Das mit der Totlast sehen Sie nicht als Problem?

Schultze Es werden mittlerweile auch Alternativen angeboten, um nur den Sattelauflieger ohne Zugmaschine zu transportieren mittels vertikalem oder horizontalem Umschlag. Es gibt viele Nischen, die eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Die ROLA kann ein guter Einstieg in den kombinierten Verkehr sein, um den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu bekommen. Großartiges Wachstum ist da allerdings nicht zu erwarten. Es gibt auch kaum neue Projekte. Mittelfristig wird sich der unbegleitete kombinierte Verkehr mit intermodalen Ladeeinheiten durchsetzen.

Wenn sich der unbegleitete kombinierte Verkehr durchsetzt, dann hat sich der Verlagerungsgedanke für einen Großteil der österreichischen Transportunternehmen erledigt, argumentiert man bei der Wirtschaftskammer. Ein durchschnittliches mittelständisches Unternehmen könne allein schon den logistischen Aufwand nicht stemmen.

Schultze Seit 20 Jahren wird prophezeit, dass die Kleinen untergehen, geschluckt werden. Ich muss sagen: Für einen Totgesagten hält sich der Mittelstand erstaunlich wacker. Damals meinte man, dass die Branche auf eine Handvoll Big Player zusammenschrumpfen wird. Das ist in der Form nicht eingetreten. Klar sind die Großen größer geworden, aber die sind, zumal meistens ohne Flotte, genau auf die KMU angewiesen. Die brauchen jemanden, der für sie fährt. Mit der Digitalisierung kommen jetzt wieder große Veränderungen auf die Branche zu. Und selbstverständlich ist jeder Unternehmer gut beraten, sich neu aufzustellen und diese Veränderung als Chance zu nutzen. Jetzt hat man noch die Möglichkeit der Mitgestaltung, in zehn Jahren ist das vielleicht nicht mehr der Fall.