Industrie 4.0 : Revolution in Raten
Die Stellenausschreibung lässt keine Missverständnisse aufkommen. Hervorragende Fachkenntnisse in den Bereichen industrielles Engineering sieht der neue Arbeitgeber als "besondere Erfordernis" an. Ausgewiesene Erfahrung in den Bereichen Ergonomie, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit sind ebenso Bedingung. Fundierte Kenntnisse im Bereich kooperativer Forschungsprojekte sind immerhin wünschenswert. Wer auch immer bei der Ausschreibung der Stelle zum Universitätsprofessor für "Menschzentrierte cyberphysische Montagesysteme" des Instituts für Managementwissen an der TU Wien letztlich das Rennen macht: Es wird ein Vollprofi sein. „Hochkarätige Bewerbungen aus dem Ausland liegen vor“, vermeldet Institutsvorstand Wilfried Sihn Anfang März. In den ersten fünf Jahren gefördert durch das Technologieministerium sowie FACC, Siemens, Infineon und BRP, ist die ausgeschriebene Stiftungsprofessur Teil einer groß angelegten heimischen Industrie-4.0-Förderoffensive. Und sicher nicht das schlechteste Beispiel dafür, wie der Wissenstransfer zwischen Forschung und Betrieben auf dem Weg ins Zeitalter der Vollvernetzung funktionieren kann.
Neo-Minister Klug baut aus
Aber auch nicht das einzige. Eine Viertelmilliarde Euro reservierte die damalige Technologieministerin Doris Bures für Industrie 4.0 – Gelder für Pilotfabriken, für geförderte Ideenfindung und F&E (FFG) und etwa Innovations- und Investitionszuschüsse (aws). Kurzzeit-Nachfolger Alois Stöger behielt den eingeschlagenen Kurs bei: Mitte Mai startete Stöger eine mit 18 Millionen Euro dotierte Ausschreibung aus dem FFG-Programm "Produktion der Zukunft" zur Industrie-4.0-Forschung. Der neue im Verkehrsministerium, Gerald Klug, will die Technologieoffensive weiter ausbauen. Unter dem gelernten Dreher und Juristen werden die Mittelströme nicht versiegen. Rund 125 Millionen Euro pro Jahr investiert das bmvit in die Forschung und Entwicklung neuer Fertigungsprozesse. Damit ist das bmvit der größte Fördergeber für Industrie 4.0 in Österreich. "Wir müssen es weiterhin schaffen, die vierte industrielle Revolution als Chance für unseren Standort zu begreifen und unsere Industrie und unsere Forschungseinrichtungen noch stärker miteinander vernetzen", heißt es seitens Klug programmatisch. Dass an der Produktindividualisierung und der kontinuierlichen Effizienzsteigerung zur Absicherung des Standorts kein Weg vorbeiführt, darüber herrscht allerorts Konsens. Aber greifen die (Förder-) Werkzeuge zur Schaffung digitaler Vormacht bereits?
Reger Zulauf der Industrie
Von der Förder- und Finanzierungsbank der Republik Österreich, der Austria Wirtschaftservice (aws), eine Industrie-4.0-Zwischenbilanz mit spektakulären Ergebnissen einzufordern, hieße das Pferd von hinten aufzuzäumen: Das aws-Programm Industrie 4.0, das Zuschüsse bis zu 500.000 Euro gewährt und noch kein Jahr alt ist, legt den Fokus eben nicht auf die F&E-Phase, sondern auf die Implementierungsphase neuer Produktions- und Logistikmethoden. "Dafür ist es für eine Zwischenbilanz wirklich noch zu früh", gibt aws-Geschäftsführerin Edeltraud Stiftinger zu Protokoll. Mehr kann sie über das 2014 angelaufene Programm ProTRANS Industrie 4.0 sagen, bei dem es bisher zwei Calls für die Konzeptionalphase von Industrie 4.0 (genauer Wortlaut: "Entwicklung und Realisierung von Produktfindungsstrategien von KMU im Kontext mit Produkt-, Prozess- oder Dienstleistungsinnovationen") gab. Beim ersten Call im Herbst 2014, mit 24 unterstützten Antragstellern und 50 Projekteinreichungen annähernd doppelt überzeichnet, wurden laut aws rund zwei Millionen Euro ausgeschüttet. Beim zweiten Call erhielten von 60 Anträgen 34 Projekte eine Förderzusage (Gesamtvolumen: rund vier Millionen Euro). Protrans soll auch 2016 fortgeführt werden. Mit einem Abflauen des Interesses der Industrie an förderbaren Industrie-4.0-Maßnahmen rechnet aws-Chefin Stiftinger vorerst jedenfalls nicht: "Ich sehe eine große Leidenschaft für das Thema und Politiker, die für das Thema einstehen", sagt sie.
Troubles in Aspern
Die offenkundig hohe Überzeichnungsrate bei Industrie-4.0-Förderinstrumenten könnte die Industrie demnach noch länger begleiten. "Wir haben zwei Projekte im FFG-Programm Produktion der Zukunft eingereicht – beide Anträge wurden abgelehnt" ist eine Mitarbeiterin eines außeruniversitären Forschungsinstituts enttäuscht. Ein Problem, das auch ein Institutsvorstand an der Technischen Universität ortet: "Es werden Projekte nicht gefördert, obwohl man sie für gut befindet", beobachtet er. Dass es für Österreichs erste Industrie-4.0-Pilotfabrik immer noch keine unterschriebenen Mietvertrag zwischen der TU Wien mit der Wirtschaftsagentur der Stadt Wien gibt, macht im Übrigen auch keinen schlanken Fuß. "Die Industriepartner kratzen an den Türen und wir können nicht viel tun", ärgert sich ein Wissenschaftler. "Wir sind im Endspurt", heißt es dazu bei der Wirtschaftsagentur.
Programm Industrie 4.0
Was: Zuschuss für Investitionen zur Implementierung neuer Produktions- und Logistikmethoden. Förderbar sind die horizontale Integration über Wertschöpfungsnetzwerke, Datenintegrität über die gesamte Wertschöpfungskette, vertikale Integration und vernetzte Produktionssysteme, neue Arbeitsmodelle und cyberphysikalische Produktionssysteme.
Umfang: Gewährt werden Zuschüsse bis zu 500.000.
Anlaufstelle: aws Austria Wirtschaftsservice
Programm ProTRANS – 4.0
Was: Zuschuss für Entwicklung und Realisierung von Produktfindungsstrategien von KMU im Kontext mit Produkt-, Prozess- oder Dienstleistungsinnovationen.
Förderbare Projekte: Konkrete F&E-Projekte von innovationsaffinen KMU, die zur Entwicklung bzw. Verbesserung von Unternehmensstrategien und von betrieblichen Innovations- und Wissensmanagementsystemen zur Optimierung der Produktionssysteme und/oder des Produkt- und Dienstleistungsportfolios im Sinne der Zielsetzungen des Programms beitragen.
Umfang: Fördervolumen Bis zu 300.000 Euro.
Anlaufstelle: aws Austria Wirtschaftsservice
Programm Produktion der Zukunft
Was: Gefördert werden die effiziente Ressourcen- und Rohstoffnutzung sowie die flexible Produktion.
Umfang: Die Förderquote kann bis zu 85 Prozent betragen, bei maximal zwei Millionen Euro Fördergeld und einer Laufzeit von höchstens 36 Monaten.
Anlaufstelle: Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft (FFG)
Programm Smart and Digital Services (Dienstleistungsinitiative)
Was: Mit der Initiative „Smart and Digital Services“ des BMWFW werden zukunftsträchtige Entwicklungen mit Zuschüssen unterstützt. Seit 2014 besteht der Schwerpunkt "Industrie 4.0".
Umfang: Gewährt werden Zuschüsse über die Schiene „Dienstleistungsinnovationen“ in den Basisprogrammen und die Schiene „COIN“.
Anlaufstelle: FFG – Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
Programm Research Studios Austria (RSA)
Was: Zuschuss für Betrieb von Research Studios zur Generierung prototypischer Entwicklungen über Auftragsforschung, Technologietransfer und Förderung von Spin-off-Gründungen. Bei der Ausschreibung 2016 wird ein Schwerpunkt „Informations- und Kommunikationstechnologien für Industrie 4.0“ lauten.
Umfang: Gewährt werden Zuschüsse bis EUR 1.300.000. Die maximale Förderungsquote beträgt 70 % der förderbaren Gesamtkosten, die Laufzeit vier Jahre.
Anlaufstelle: FFG – Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft
Programm Forschungskompetenzen für die Wirtschaft
Was: Zuschuss für Unternehmen (primär KMU) im systematischen Aufbau und in der Höherqualifizierung ihres vorhandenen Forschungs- und Innovationspersonals. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Förderung der Verankerung unternehmensrelevanter Forschungsschwerpunkte an österreichischen Universitäten und Fachhochschulen sowie die Impulsgebung für eine höhere sektorale Mobilität. Seit 2014 besteht der Schwerpunkt "Industrie 4.0".
Umfang: Gewährt werden Zuschüsse für Qualifizierungsseminare bis max. 50.000 Euro, Qualifizierungsnetze bis max. 500.000 Euro und Innovationslehrgänge bis max. 1.000.000 Euro.
Anlaufstelle: FFG – Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft