IOT-Plattformen : PTC-Manager Philipp Kesten: "Sind kein closed shop"

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Kesten, haben Sie es eilig?

Philipp Kesten: Inwiefern?

Mehrere hundert Firmen wollen am Plattform-Markt mitmischen und die bevorstehende Konsolidierung überleben. Braucht es da Zug zum Tor? Ein schnelles Hochskalieren, den schnellen Erfolg bei Referenzkunden?

Kesten: Dann ist die Antwort klar. Wir haben es eilig. Sehr eilig. Allersdings agieren wir aus einer Position der Stärke heraus. Wir sind am Plattformmarkt sicher ein Vorreiter. Schon alleine wegen unserer Markentradition. In den Achtzigern waren wir Pionier für das Management des Produktlebenszyklus, PLM. Quasi Vorreiter einer frühen Verson des digitalen Zwillings. Doch damals erkannten wir, dass uns das noch lange nicht komplett macht. Systeme wurden von der Industrie auf den Markt geworfen und fertig - dadurch verlor man Einsicht in diese.

Mit machine-to-machine-Kommunikation wurde versucht, den Kreis zu schließen. Wir arbeiteten auch an einer eigenen Plattform, kauften dann aber zu: Mit Axeda und Thingworx erfolgte der frühe Einstieg ins Plattform-Geschäft. Heute haben wir uns selbst vor Riesen wie Microsoft nicht zu verstecken.

Und die die Strategie ist in Blei gegossen? Sie beobachten nicht lieber erst noch ihre Mitbewerber, welche Fehler die sich in dem neuen lukrativen Geschäft leisten?

Kesten: Natürlich beobachten wir. Aber unsere grundsätzliche Strategie steht auf einem festen Fundament. Auch wenn wir sie da und dort nachschärfen. Beim Cloud-Hosting etwa wechselten wir kürzlich von einer Lösung von Amazon auf eine von Microsoft.

Der Grund?

Kesten: Im Grunde sind wir schon agnostisch. Unsere Lösung ist eine der wenigen, die beispielsweise für eine Installation "on premise" - also für den Eigenbetrieb - ausgelegt ist. Welchen Cloud-Host man hat, ist nicht spielentscheidend. Aber bei Themen wie Augmented oder Mixed Reality, also auch den Einsatz der Datenbrille HoloLens, passt Microsoft sehr gut zu uns. Es lassen sich tolle Business-Cases entwickeln, wenn man unsere und Microsoft-Technologien übereinanderlegt. Strategische Allianzen, bei denen wir nicht die Unabhängigkeit verlieren, machen uns nur stärker.

Warum sollte man als Automobilist oder Anlagenbauer 2019 und beispielsweise nicht erst 2023 in eine IoT-Plattform investieren?

Kesten: Die Frage hören wir oft. Und natürlich haben wir zur Beantwortung dieser nicht nur unsere Vetriebsmitarbeiter, sondern einen stattlichen akademischen Unterbau. Unser CEO Heppelmann etwa erklärt das im Gespann mit Harvard-Business-School-Professor Michael E. Porter ganz gern so: Durch die neuen Möglichkeiten, Produkte zu verbinden, stehen Firmen vor der strategischen Entscheidung, wie sie diese Fähigkeiten einsetzen. Etwa zur Produktdifferenzierung oder Kostensenkung im Bereich des Engineering. Es liegt an ihnen: Je nach Firmenstrategie spielen sie hier den Vorreiter oder entscheiden sich erstmal, abzuwarten.

Braucht es dazu im Management auch andere Kaliber? Antreiber wir Klöckner-Chef Gisbert Rühl, der den Stahlhandel kurzerhand digitalisierte?

Kesten: Es braucht die Mischung. Natürlich ist es einfach, eine Digitalstrategie mit allem was dazugehört top-down zu implementieren. Aber auch ein start-small-Ansatz ist voll ok. Mit kleinen quick wins anzufangen, die Organisationen in ihren Plänen bestätigen, ist ein richtiger Schritt. Solange diese ausbaufähig sind.

PTC ist auch Hersteller von Konstruktionssoftware. Bauen CAD-Tool-Anbieter die besseren IoT-Plattformen?

Kesten: Es ist gewiss kein Nachteil, hier ein kräftiges Standbein zu haben. Denn wir haben uns sukzessive in Richtung Offenheit weiterentwickelt. Früher hat man simuliert, ohne echtes Feedback aus dem Feld zu erhalten. Heute lassen sich live gesammelte Daten ins Engineering einbetten. Ich betone an dieser Stelle: Wir sind kein closed shop. Unsere IoT-technologien funktionieren mit CAD-Tools, Standards und Schnittstellen anderer Hersteller. So soll es bleiben. Es ist nicht unser Anspruch, das Rad immer neu zu erfinden.

ZUR PERSON

Philipp Kesten, 49,

ist Senior Director AR und IoT Field Engineering bei PTC. Er ist seit 2015 im Unternehmen.