Justiz : Prozess gegen Siemens in Wien: Koffer mit Bargeld in Richtung Balkan

Der zweite Angeklagte im Siemens-Prozess, ein ehemaliger Abteilungsleiter, arbeitete bei Siemens Österreich im Export von Telekommunikationsanlagen. Er erläuterte am zweiten Prozesstag am Wiener Straflandesgericht Details über die die inkriminierten Beraterverträge, mit denen örtliche Berater etwa am Balkan bis zu zehn Prozent der Auftragssumme kassierten - als Erfolgshonorar und ohne Leistungsnachweis.

Rückblick auf den ersten Prozesstag und die Vorwürfe:

"Schwarze Kassen" bei Siemens Österreich - "Aufträge fallen nicht vom Himmel" >>

"Waren da auch Schmiergeldzahlungen involviert?" wollte die Richterin wissen. "Nein, das wurde ausdrücklich ausgeschlossen", so der Angeklagte. "Am Papier", fügte die Richterin hinzu. Von "schwarzen Kassen" bei Siemens habe er überhaupt nichts gewusst, sondern davon erst im November 2006 erfahren, als es zu Ermittlungen kam, betonte der Angeklagte.

Schmiergeldzahlungen "ausdrücklich ausgeschlossen"

Die Bargeldtransporte, bei denen von den beiden Angeklagten Millionen in Geldkoffern von Siemens Deutschland abgeholt wurden und dann an diverse Berater am Balkan und in Osteuropa weitergegeben wurden, seien alle korrekt aus der Siemens-Hauptkassa in München gekommen und in Deutschland abgerechnet worden, unterstrich der Angeklagte. Das Geld in den Geldkoffern sei nicht aus "schwarzen Kassen" gekommen.

Im Jahr 2005 hatte der Siemens-Konzern seine internen Compliance-Richtlinien verschärft. Die bis dahin üblichen "Business Consultant"-Verträge, bei denen es für externe Berater als Gegenleistung für einen Kaufvertrag oder eine gewonnene Ausschreibung eine Provision ohne Leistungsnachweis gab, waren daraufhin nicht mehr möglich.

Kurzerhand wechselten die Angeklagten auf sogenannte "Agency-Verträge", bei denen weiterhin kein Leistungsnachweis erforderlich war. "Eine Augenauswischerei", meinte die Richterin dazu. Auf diesen Verträgen musste außerdem keine Unterschrift eines Compliance-Verantwortlichen aufscheinen, weil es eben keine "Business Consultant"-Verträge waren.

So lief das mit den Beratern auf dem Balkan ab

Der angeklagte frühere Abteilungsleiter schilderte, wie man mit den "Business Consultants" vorging. Diese seien meist von den örtlichen Siemens-Gesellschaften vorgeschlagen worden. Zunächst wurde ein Rahmenvertrag zwischen Siemens und dem Berater abgeschlossen, die Berater sollten sich dann kundig machen, ob es überhaupt eine Ausschreibung geben werde.

Wenn die Berater dann schon Monate vorher Siemens von einer geplanten Ausschreibung verständigten, wurde ein Annex zum Rahmenvertrag verfasst und darin der Prozentsatz festgelegt, den der Berater von der Auftragssumme bekommen sollte. Die Berater sollten dann für eine aus Siemens-Sicht "faire Ausschreibung" sorgen. Wenn Siemens dann wirklich den Zuschlag bekam, und Geld vom Kunden bei Siemens eintraf, wurde die Provision für den Berater fällig.

Berater in Serbien - mit Leistungen über Firmen in Zypern

Wieso wusste dann der Berater, wann der Kunde an Siemens eine Anzahlung leistete? Der Berater sei sehr nah am Kunden gewesen, meinte der Angeklagte. Für ihn sei es auch nichts Außergewöhnliches gewesen, dass etwa serbische Berater ihre Leistungen über zypriotische Firmen anboten. Das Devisenregime in Serbien sei dubios gewesen, meinte der Angeklagte. "Ohne Consultants zweifle ich, ob es überhaupt zu Abschlüssen gekommen wäre", lobte er heute noch das System.

Einmal habe Siemens für eine extern verfasste Studie zum Tetra-Kommunikationssystem in Hongkong 500.000 Euro gezahlt. Diese technische Studie habe er nie gesehen, er hätte auch nichts damit anfangen können, so der Jurist. "Ich habe immer nur das Beste für Siemens gewollt", beteuerte er. Als die internen Korruptionsermittlungen bei Siemens begannen, habe er im September 2007 "enttäuscht" das Unternehmen verlassen und bei einer einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses noch ein Jahresgehalt erhalten, insgesamt 350.000 Euro.

Das sind die Vorwürfe gegen die ehemaligen Manager von Siemens Österreich

Den zwei Beschuldigten - ein ehemaliger Finanzverantwortlicher und ein ehemaliger Bereichsleiter von Siemens Österreich - wird Untreue in Höhe von über 17 Mio. Euro vorgeworfen, ihnen drohen bis zu zehn Jahre Haft. Die beiden erklärten sich für nicht schuldig.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, Gelder aus dem Siemens-Konzern mittels Scheinrechnungen hinausgeschleust zu haben, um die Summen dann als Schwarzgeld für Bestechungszahlungen verwendet zu haben. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass Verträge im Nachhinein zu konkreten Projekten zugeordnet worden wären, sei "ein kompletter Holler", so der Angeklagte.

Der Prozess soll nächste Woche mit Zeugeneinvernahmen fortgesetzt werden. Für kommenden Dienstag ist Ex-Siemens-Österreich-Chefin Brigitte Ederer als Zeugin geladen.

(APA/red)

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