Zinsentwicklung : Prognose: Leitzinserhöhung im April "In Stein gemeißelt"

Den Zeitpunkt hätte Eduard Wünscher wohl kaum besser wählen können. Im Februar 2011 besorgte der Vorstand der Grazer Knapp AG dem Logistikunternehmen mit einer Anleihe über 10 Millionen Euro frische Liquidität am Kapitalmarkt. Der fixe Kupon von 4,875 Prozent für die fünf Jahre laufende Schuldverschreibung scheint nur auf den ersten Blick nicht besonders attraktiv. „Wir könnten heuer bereits drei Zinserhöhungen der europäischen Zentralbank sehen und 2012 bei den Geldmarktzinsen schon wieder ein Niveau von etwa 3 Prozent erreichen“, sagt Helmut Bernkopf Vorstand Corporate & Investmentbanking von der UniCredit Bank Austria. Variabel verzinste Bankdarlehen dürften aber nicht nur wegen der steigenden Leitzinsen deutlich teurer werden. Aufgrund der neuen Eigenkapitalvorschriften von Basel III haben Banken auch schon sehr konkrete Pläne zur Anhebung der Kreditmargen in den Schubladen. Und auch für restriktivere Vergabekriterien. Günstig sichern. In den letzten beiden Jahren herrschte Ebbe in der heimischen Unternehmensfinanzierung. 2009 waren die Bankkredite an die heimische Wirtschaft um 2,55 Prozent rückläufig, im Jahr 2010 erreichten sie mit gut 133 Milliarden Euro wieder knapp das Niveau von 2008. „Wir rechnen für heuer mit einem Kreditwachstum im heimischen Industriebereich von 3 bis 7 Prozent“, sagt Helmut Bernkopf von der UniCredit Bank Austria. Ernsthafte Sorgen über eine künftig ausreichende Liquiditätsversorgung der österreichischen Mittelstandsbetriebe macht sich Johann Moser, Geschäftsführer der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (AWS). „Basel III wird zwar keine Kreditklemme verursachen, die Banken dürften aber restriktiver in der Vergabe werden“, sagt Moser. In Anbetracht steigender Zinsen und weniger finanzierungsfreudiger Banken sollten sich Unternehmen ihre Liquiditätslinien jetzt noch günstig sichern. Erstaunlich einig.Dass die europäische Zentralbank am 7. April 2011 die Leitzinsen erstmals seit knapp drei Jahren um 0,25 Prozent auf 1,25 Prozent erhöhen wird, gilt in Expertenkreisen als in Stein gemeißelt. „Wir rechnen mit Anhebungen auf 2 Prozent bis zum Jahresende“, sagt Gottfried Steindl, Währungsanalyst in der Raiffeisen Zentralbank. Neuerdings dürfte die europäische Zentralbank zudem sehr berechenbar geworden zu sein. Die vom Industriemagazin befragten Experten sind sich hinsichtlich der weiteren Zinsentwicklung erstaunlich einig (siehe Kasten). Tief in die Tasche. Eigentlich wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt von variablen auf fixe Kreditzinsen umzusteigen. Die sofortigen Mehrkosten von 1,50 bis 2,50 Prozent gegenüber den schwankenden Euriborbindungen schrecken jedoch viele Unternehmer kostenseitig ab. „Die Betreibe sind sich der Gefahr steigender Zinsen meist bewusst. Die kurzfristigen Zusatzaufwendungen bei Fixzinsvereinbarungen sind aber des Öfteren ein Hemmnis“, sagt Helmut Bernkopf von der UniCredit Bank Austria. Usance sind fixe Zinszahlungen dagegen bei Unternehmensanleihen. Dementsprechend müssen heimische Industriebetriebe bei den Kuponterminen derzeit von vorneherein tief in die Tasche greifen. Die Voest bezahlt für eine im Februar 2011 emittierte 500 Millionen Anleihe über die nächsten sieben Jahre jeweils 4,75 Prozent an Zinsen. Der Holzverarbeiter Egger aus St. Johann in Tirol hat die sich im März 2011 für einen ebenfalls siebenjährigen 200 Millionen Bond zur Zahlung von 5,625 Prozent verpflichtet. Fortsetzung auf Seite 2.

Zinscaps. Zumindest kurzfristig mit weniger Cash Flow Belastung können sich heimische Unternehmen mittels derivaten Finanzinstrumenten gegen steigende Kreditzinsen absichern. Am beliebtesten dabei sind sogenannte Zinscaps. Hiermit sichern sich Kreditnehmer eine Zinsobergrenze für eine gewisse Laufzeit und erreichen damit eine kalkulierbare Maximalbelastung. Eine Obergrenze beim 3-Monats-Euribor mit maximal 4 Prozent über 10 Jahre Laufzeit kostet derzeit jährlich rund 0,75 Prozent des abgesicherten Volumens. Die niedrigen variablen Kreditzinsen laufen bei dieser Variante wie bisher weiter. Industriebetriebe, die ein Absicherungsderivat zeichnen wollen sollten sich jedoch nicht nur wegen der steigenden Zinsen beeilen. Derartige Produktabschlüsse nach dem 30. September 2011 sind nach aktueller Gesetzeslage von der neuen Vermögenszuwachssteuer betroffen. Damit wären 25 Prozent etwaiger Ausgleichszahlungen bei entsprechend hohen Zinsen an den Finanzminister abzuführen. Basel III. Definitiv kein Zurück mehr gibt es von Basel III. Im Dezember 2010 wurden als Konsequenz der Finanzmarktkrise schärfe Richtlinien für Banken in der Endfassung veröffentlicht, ab 2013 sollen sie sukzessive in Kraft treten. „Sehr vereinfacht ausgedrückt wird durch Basel III der Rohstoff der Banken - das Kapital - verteuert“, sagt Christoph Raninger, Vorstand Corporates & Financial Markets in der Bawag/PSK Gruppe. Wenig überraschend werden die höheren Kapitalkosten primär auf Kreditkunden übergewälzt. „Wir rechnen mit einer Anhebung der Kreditmargen von bis zu 2 Prozent“, sagt Johann Moser, Geschäftsführer der Förderbank AWS. Eine gute Nachricht gibt es zumindest für Unternehmen mit guter Bonität: Experten sehen keine Margenerhöhungen nach dem Gießkannenprinzip sondern ein weiteres Auseinanderklaffen der Konditionenschere. Kapitalstarke Unternehmen werden von Basel III kaum betroffen sein – kapitalarme Unternehmen dafür doppelt. Ronald Felsner