Helden des Shopfloors : Produktionswettbewerb Fabrik2020: So lief die Evaluierung bei Evva

Evva Fabrik2020
© Evva

Umbrüche und Zeitenwenden gab es in der 101-jährigen Geschichte am Wienerberg immer wieder. "Seit 1919 ein Start-up" - das auf Schließsysteme spezialisierte Unternehmen aus Wien-Meidling, das nach seinen Anfängen als feinmechanischer Gewerbebetrieb bald ins Geschäft mit Schließzylindern fand, weiß um seine Wandlungsfähigkeit. Nicht nur das absatzmäßig stärkste Segment, jenes der mechanischen Sicherheitszylinder mit einer Jahresproduktion von zwei Millionen Stück, berechtigt am Stammsitz in Meidling zu Stolz. 2014 gelang mit dem Einstieg in die Segmente elektronischer Zutrittssysteme am Markt eine Punktlandung, "ein ganz, ganz wichtiges Jahr", sagt Michael Kiel, der hiesige Produktionschef, in der Rückschau.

300.000 elektronische Komponenten wie Wandleser und e-Zylinder sowie 100.000 elektronische Identifikatonsmedien fertigt Evva, von Nicole und Stefan Ehrlich-Adám seit den Neunzigern in dritter Generation geführt, heute im Jahr. Mit Traditions- und Standortverbundenheit, wie man sie inmitten der Großstadt nicht mehr oft erlebt - drei Gehminuten vom Meidlinger Bahnhof und einer waschechten Shoppingmeile entfernt.

Aber auch internationaler Spannweite - man unterhält zehn Niederlassungen -, Erlöskraft (Umsatz 2019: 84 Millionen Euro) und Innovationsstreben. Was wäre also naheliegender, nach dem Jubiläumsjahr auch noch das Finalticket für Fabrik2020, Österreichs härtesten Produktionswettbewerb einzulösen? Anfang Juli ging die ganztägige Vor-Ort-Evaluierung durch ein vierköpfiges Fraunhofer-Expertenteam über die Bühne - INDUSTRIEMAGAZIN war mit dabei.

Hier gibt´s alle Informationen zum großen Finale von Fabrik2020

Soviel vorweg: Produktionsexzellenz wird am Standort - man sieht es in der Arbeitsvorbereitung, der Kleinteileproduktion auf kurvengesteuerten Drehmaschinen oder in der Elektronikfertigung - groß geschrieben. Das hat Gründe. Für die Jahre 2012 bis 2023 verordnete sich der Standort einen Change Prozess, jedes Jahr brachte seither einen neuen Schwerpunkt der Optimierung. Was am Anfang "hart und herausfordernd für uns war" (O-Ton Michael Kiel), hat zu durchschlagenden Verbesserungen geführt, von denen das Unternehmen noch lange zehren wird können.

Etwa den Meriten des abgestimmten Kennzahlensystems, 2013 eingeführt. Der Einführung des Wertstromgedankens 2014. Oder dem Fokus auf Automatisierung, der seither 160 Projekte, 120 davon bereits umgesetzt, lostrat.

Fragen durch Fraunhofer Austria prasseln an diesem Tag viele auf die Hausherren ein. Nur ein paar davon. Wie habe sich die Kurve bei der Anlagenverfügbarkeit - vor allem den Hauptmaschinen wie der neuen Rundtaktmaschine Felix II, die schmierölfrei und ohne Emulsion arbeitet - entwickelt, will das Fraunhofer-Austria-Evaluierungsteam wissen. Antwort: Im Fall von Felix II, auf der Stangen mit ein oder drei Meter Länge gefertgt werden, sei dieser 2016 kontiniuerlich gesteigert worden und befinde sich nun auf Top-Niveau. Über welchen Zeitraum man die Veränderungen denn betrachte? Im Monatsabstand, heißt es bei Evva.

Bei kürzeren Zeiträumen würden die "Ergebnisse sonst verfälscht", heißt es am Shopfloor der Wiener. Der auch mit kapazitativen Leckerbissen aufwartet. Felix II wurde so dimensioniert, dass sie gerade noch an ihren vorgesehenen Platz in der schon mit teils robotisierter Anlagentechnik proppenvollen Fertigung passte. "Da ging es um Zentimeter", hört man in der Evva-Produktion. Die Recycling-Strategie ist dabei patent: Nicht nur Abwässer aus der Galvanik, auch Metallspäne werden zur Gänze rezykliert.

Doch weil man weiteres Wachstum anstrebt, wird ausgebaut. Ein Grundstück für die flächenmäßige Aufstockung der Produktion ist schon gefunden. Management und Inhaber gaben unlängst grünes Licht für einen 3.000 Quadratmeter großen Zubau am Standort Wien, zusätzlich ist eine Erweiterung im tschechischen Tisnov auf Schiene.

Und wichtige Wegmarken bei der Digitalisierung der Prozesslandschaft wurden an Evva-Standorten - hervorgehoben sei Wien - zuletzt erreicht. Schnittstellen am Shopfloor wurden - auch dank erster verfügbarer Module auf Basis OPC-UA TSN - vereinheitlicht, Aufträge schleusen die Wiener "in Echtzeit und priorisiert durchs Werk", so Patrick Einwaller, Bereichsleiter Fertigung bei Evva.

Leitstand-MES-Funktionalitäten sind bis an die einzelne Fertigungsstation heruntergebrochen per MES nutzbar. ERP-System und Shopfloor wurden verheiratet, per eigenentwickelter App erfolgt die Feinplanung der Fertigungsaufträge auf Schichtebene ebenso wie die Dokumentation bis hin zur Vermittlung von Schulungsinhalten. Teile scannen Mitarbeiter per Arbeitshandschuh mit integriertem Barcode-Scanner. Dass die digitale Reise noch lange nicht am Ende sei und den Ideen trotz Viruspandemie weiterhin viele Taten folgen werden - man glaubt es den Evva-Produktionsexperten aufs Wort.

Schließlich erprobt man auch exotischere Technologien wie den Metall-3D-Druck. "Disruptiv zu denken, sei ja kein Selbstzweck", sagt Michael Kiel, der hiesige Produktionschef. Es ginge darum, heute das Fundament dafür zu schaffen, in Hinkunft die richtigen Antworten für Kunden parat zu haben", sagt er. Das dürfte den wandlungsfähigen Wienern auch weiterhin nicht schwer fallen.