Autoindustrie : Paris macht Druck: Renault auf der Suche nach neuem Chef

Der französische Autokonzern Renault sucht nun doch einen Nachfolger für seinen in Japan inhaftierten Konzernchef Carlos Ghosn. "Die Leitungsgremien von Renault arbeiten aktiv daran, die beste Lösung für die zukünftige Führung der Gruppe zu finden, um die Interessen des Unternehmens zu wahren und die Renault-Nissan-Allianz zu stärken", teilte Renault mit.

Zuvor hatte Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire eine rasche Verwaltungsratssitzung gefordert mit der Begründung, der Autobauer brauche eine neue und beständige Konzernführung. Aktuell dazu: Trotz Carlos Ghosn: Nissan will in einer Allianz mit Renault bleiben >>

Wie Reuters von einer mit der Angelegenheit vertrauten Person erfuhr, gelten Emmanuel Moulin, Stabschef von Le Maire, und Martin Vial, der die staatliche Holdinggesellschaft des Ministeriums leitet und auch ein Direktor von Renault ist, als potenzielle Kandidaten für Ghosns Nachfolger bei Renault.

Ghosn selber bleibt zunächst weiter in Untersuchungshaft. Ein Gericht in Japan wies einen Einspruch seiner Anwälte ab. Diese hatten doch noch erreichen wollen, dass der 64-Jährige auf Kaution freigelassen wird. Das Gericht hatte Ghosn eine Entlassung aus dem Gefängnis verweigert. Ghosn und seine kürzlich auf Kaution freigelassene frühere rechte Hand bei Nissan, Greg Kelly, waren am 19. November wegen Verstoßes gegen Börsenauflagen festgenommen worden.

Ghosns Familie beklagt außergewöhnlich brutale Haftbedingungen in Japan

Inzwischen berichtet die Familie von Carlos Ghosn über den brutalen Umgang im Gefängnis in Japan. Der geschasste Konzernchef von Nissan und immer noch amtierende Konzernchef von Renault wohne seit November in einer winzigen und unbeheizten Zelle, in der rund um die Uhr das Licht brennt. Ghosn werde täglich stundenlang verhört. Seinen Angehörigen wird ein Treffen mit ihm verweigert. Inzwischen hat sich Ghosns Ehefrau an die Menschenrechtsgrupe Human Rights Watch gewandt.

Dazu:

Familie von Carlos Ghosn wendet sich an Menschenrechtsgruppe >>

Carlos Ghosn: Seit sieben Wochen in einer unbeheizten Zelle in Haft >>

Sohn von Carlos Ghosn: Manager wird zu Schuldeingeständnis gedrängt >>

Japanischen Medienberichten zufolge wollen Renault-Führungskräfte und französische Regierungsvertreter noch in Japan Nissan-Chef Hiroto Saikawa treffen. Die besuchende Delegation wolle das Nissan-Management um eine Erklärung bezüglich der Unternehmensführung nach Ghosns Festnahme bitten, berichtete die Tageszeitung Nikkei ohne Angabe von Quellen. Frankreichs Regierung wollte den Bericht nicht kommentieren. Nissan war zunächst nicht erreichbar. (reuters/apa/red)

Knappes Rennen von Renault und PSA beim Absatz

Beim Absatz hat Renault im vergangenen Jahr den Erzrivalen PSA nur knapp hinter sich gelassen. Dank der neuen Partnerschaft mit dem chinesischen Hersteller Brilliance konnte Frankreichs Nummer eins ihren Absatz um 3,2 Prozent auf 3,88 Millionen Fahrzeuge steigern, teilte das Unternehmen mit.

Das war nur ein Vorsprung von 6.530 Stück gegenüber dem PSA-Konzern mit seinen Marken Peugeot und Citroen, der durch die Übernahme von Opel seine Verkaufszahl um 6,8 Prozent nach oben schraubte.

Renault hatte im vergangenen Jahr im operativen Geschäft an mehreren Fronten zu kämpfen: Sinkende Verkaufszahlen vor allem im Iran, in Indien und der Türkei, ein Mangel an neuen Modellen und Verzögerungen durch die neue Abgaszertifizierung WLTP in Europa. Für heuer erwartet Renault-Vertriebschef Olivier Murguet einen leichten Absatzanstieg bei stagnierenden Automärkten weltweit. Dabei setzt er auf einen Schub durch neue Modelle, so etwa die neue Generation des Clio in Europa im zweiten Halbjahr.

Nissan fordert Millionen von Ghosn zurück

Der japanische Autobauer Nissan will von seinem ehemaligen Vorstandschef Carlos Ghosn rund 8 Mio. Euro zurückfordern. Diese Summe habe eine gemeinsame Firma von Nissan und Mitsubishi in den Niederlanden "unzulässigerweise" an Ghosn überwiesen, teilte das Unternehmen mit. Dies hätten die internen Untersuchungen von Nissan und Mitsubishi gegen Ghosn ergeben.

Ghosn habe mit der Firma Nissan-Mitsubishi B.V. (NMBV) einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, ohne seinen damaligen Stellvertreter Hiroto Saikawa bei Nissan oder Mitsubishi-Chef Osamu Masuko zu informieren, teilte Nissan weiter mit. Insgesamt habe er 7,822.206,12 Euro brutto erhalten. Nissan betrachte diese Zahlung als "Ergebnis eines Fehlverhaltens" und werde die volle Summe von Ghosn zurückfordern.

NMBV gehört zu gleichen Teilen den beiden japanischen Autobauern. Die Firma war 2007 zum Zweck gegründet worden, "die Synergien der Partnerschaft zu untersuchen und zu fördern". Ghosn war Chef der Allianz zwischen Nissan, Mitsubishi und dem französischen Autobauer Renault.

Ghosn war am 19. November festgenommen worden. Seitdem sitzt er in Tokio in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hat mehrere Anklagen erhoben: Er habe sein Einkommen von 2010 bis 2015 um Millionen zu niedrig angeben, er habe dies auch von 2015 bis 2018 getan, und er habe persönliche Verluste auf Nissan übergewälzt.

Ghosn bleibt bis Anfang März im Gefängnis

Der 64-Jährige weist die Vorwürfe zurück. Seine Anträge auf Haftentlassung blieben allerdings bisher ohne Erfolg. Er wird wohl bis zu Beginn des Prozesses Anfang März im Gefängnis bleiben.

Nissan und Mitsubishi setzten Ghosn schon kurz nach der Festnahme als Verwaltungsratschef ab. Renault hielt lange an Ghosn fest, doch nun hat der französische Staat als Anteilseigner einen neuen Verwaltungsratschef gefordert. Im Gespräch ist Michelin-Chef Jean-Dominique Senard. Vorstandschef soll Ghosns Stellvertreter Thierry Bollore werden, der jetzt schon die Geschäfte leitet.

(red mit reuters/afp/apa)