Erdgas : OMV-Projekt mit Sprengkraft: 4 wichtigste Fragen zu Nord Stream 2

Seit rund siebeneinhalb Jahren strömt Erdgas durch die Nord-Stream-Pipeline unter der Ostsee direkt von Russland nach Deutschland. Nun sorgen die Pläne für ein nahezu identisches Parallelprojekt wieder für politische Spannungen: Das Vorhaben Nord Stream 2, bei dem die heimische OMV maßgeblich beteiligt ist, entzweit die Deutschland und ihre Partner in der EU. Auch die Ukraine ist besorgt.

Diese Woche war dies auch Thema bei einem Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem ukrainischen Präsident Petro Poroschenko in Berlin:

(1) WAS SIND DIE PLÄNE UND ECKDATEN?

Der russische Energieriese Gazprom will eine rund 1.200 Kilometer lange Leitung auf dem Grund der Ostsee bauen. Sie soll Erdgas von den gigantischen Gasfeldern der arktischen Jamal-Halbinsel bis an die deutsche Küste bei Greifswald transportieren, wo es in die europäischen Netze eingespeist wird. Derzeit laufen die Genehmigungsverfahren in den betroffenen Ländern, die deutschen Behörden gaben schon grünes Licht. Der Bau soll 2019 beendet sein. Mehr dazu: EU und Gazprom offenbar kurz vor einer Einigung >>

Nord Stream 2 soll aus zwei Leitungssträngen bestehen und nahezu parallel zu der 2011 eröffneten Nord Stream-Pipeline verlaufen, die von Gazprom sowie deutschen, französischen, niederländischen und österreichischen Energiekonzernen betrieben wird. Durch sie können maximal 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr strömen. Laut Betreiber ist das genug, um etwa 26 Millionen Haushalte zu beheizen. Nord Stream 2 soll die gleiche Kapazität haben, die Durchflussmenge in Richtung Westeuropa am Ende also verdoppeln. An der Finanzierung sind unter anderem der Energiekonzern Uniper, die BASF-Tochter Wintershall und die österreichische OMV beteiligt.

(2) WO GENAU LIEGT DAS PROBLEM?

Der Bau einer zusätzlichen direkten Gasleitung von Russland nach Deutschland würde die strategische und wirtschaftliche Bedeutung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer weiter schwächen. Das betrifft zum einen das ukrainische Leitungsnetz, zum anderen die quer durch Weißrussland und Polen verlaufende Jamal-Europa-Pipeline. Russische Gasimporte durch die Ukraine sanken schon nach Einweihung der Nord Stream-Pipeline merklich.

Für die betroffenen Staaten, die außerdem selbst von Lieferungen russischen Erdgases abhängig sind, ist das ein großes Problem. Die Transitgebühren sind für sie ein wichtiger Einkommensfaktor, darüber hinaus macht die Verfügbarkeit alternativer Routen sie entbehrlicher und womöglich zum Ziel politischer Erpressungen. Mehr dazu: Sefcovic: "Nord Stream 2 hat sehr politische und spalterische Natur" >>

Auf übergeordneter Ebene spielt außerdem die Sorge Europas vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Erdgas eine Rolle. Derzeit deckt das Land fast ein Drittel des EU-Bedarfs. Die EU will ihre Abhängigkeit reduzieren. Dem könnte Nord Stream 2 aber entgegenlaufen, auch die EU-Kommission ist daher gegen den Bau.

(3) WIE ARGUMENTIEREN DIE BEFÜRWORTER?

Sie sehen in der neuen Ostsee-Pipeline eine sinnvolle, von rein wirtschaftlichen Überlegungen mit Blick auf Marktentwicklungen motivierte Investitionsentscheidung. Gazprom argumentiert mit einem steigenden Bedarf an russischen Gasexporten in die EU, da die innereuropäische Erdgasförderung künftig zurückgehen werde.

Der Verband der deutschen Energiewirtschaft wertet Zweifel an der Zuverlässigkeit russischer Gaslieferungen angesichts der eigenen ökonomischen Abhängigkeit des Lands von Exporten als übertrieben. Auch die Sorge vor einer Abkopplung östlicher EU-Staaten teilt der Verband nicht. Die europäischen Gasnetze seien zunehmend so miteinander verflochten, das der Brennstoff gegebenenfalls auch von Westeuropa nach Osten strömen könne.

(4) WAS SAGEN DIE DEUTSCHE UND DIE UKRAINISCHE REGIERUNG?

Die ukrainische Regierung fordert einen Stopp des Baus von Nord Stream 2. Poroschenko warb in einem Interview vor dem Treffen mit Merkel dafür, stattdessen das Leitungsnetz seines Landes auszubauen, um die Exportkapazitäten nach Europa zu erhöhen. Das sei unter anderem auch billiger als der Bau der Ostsee-Pipeline.

Die deutsche Regierung betonte stets, dass das Projekt aus ihrer Sicht eine "unternehmerische Entscheidungen der beteiligten Gesellschaften" sei. Zugleich betonte sie, dass es im Interesse Deutschlands und anderer EU-Staaten sei, wenn die Ukraine ihre Bedeutung als Erdgas-Transitland behalte.

Nach ihrem Treffen mit Poroschenko unterstrich Merkel dies am Dienstag noch einmal. Es gelte, "politische Faktoren" zu berücksichtigen. Das gesamte Projekt sei "aus unserer Sicht nicht möglich", wenn es keine Klarheit über die Rolle der Ukraine als Erdgas-Transitland gebe.

(Von Sebastian Bronst, AFP / APA / red)