Kommentar : „Oh, da hört ja jemand mit!“

Eines vorweg: Ja, mein Job macht mir riesigen Spaß. Ich kann gestalten, mich flexibel selbst organisieren – und auf die Tage in der Redaktion freue ich mich wie andere auf einen Kurzurlaub. Aber es gibt da auch die anderen. Tage wie diesen Dienstagvormittag. Meine Tochter Flora krank, dementsprechend kurz die Nacht, hektisch der Morgen – und die Uhr tickt. In wenigen Minuten steht ein Anruf für ein Interview auf der Agenda. Ein wichtiges Telefonat. Ein zentrales Gespräch für meine Story über Frauen, die Karriere gemacht haben. Eines, auf das ich mich eigentlich viel besser vorbereiten wollte. Das Telefon läutet – und Flora kreischt: „Mamaaaaa, Huuuuunger!“

„Oh, wie schön, da hört ja jemand mit“, kommt es von der anderen Seite. Peinlich berührt entfährt mir ein: „Ja, Entschuldigung!“ Verdreht meine Gesprächspartnerin gerade etwa die Augen? Glaubt sie, ich nehme unser Gespräch zu wenig ernst? Wirke ich zu unprofessionell?

Um es kurz zu machen: Die Antwort war dreimal Nein. Obwohl ich mich besser vorbereiten wollte, obwohl ich mir Ruhe gewünscht hätte – oder vielleicht gerade, weil all das an jenem Vormittag nicht der Fall war? – ist das Gespräch gut verlaufen. Sehr gut sogar: Ich konnte mit einer Geschlechtsgenossin, die in ihrer Karriere so manchen Stein zur Seite räumen musste, über Hindernisse, Mut und Erfolg sprechen. Die Leichtigkeit, mit der sie mir von ihrem Werdegang erzählte, und die Selbstverständlichkeit, mit der sie meine eigenen Ziele erfragte, haben mir klargemacht: Ich bin nicht nur die Frau, die Familie und Job irgendwie vereinbart und dabei öfters (in jeder Rolle!) ein schlechtes Gewissen hat. Ich bin auch die, die gern ihren Job macht, gerne auch Mutter ist – und beides leben kann. Das Gespräch, das so holprig begann, hat eine Einsicht in mir reifen lassen: 30 Minuten wie jene, die mir an diesem Dienstagvormittag zuteil wurden, sollte es für alle Frauen geben. Mutmacherinnen, Role Models, Heldinnen – vor den Vorhang. Neue Vorbilder braucht das Land!