Konjunktur : Österreichs Wirtschaft: "Die Konjunkturparty ist vorbei"

Österreichs Wirtschaft wächst heuer und nächstes Jahr nur gedämpft - ist aber weit entfernt von einer Rezession. Für 2019 erwarten Wifo und IHS unverändert 1,7 bzw. 1,5 Prozent reales BIP-Plus, für 2020 haben sie die Prognosen am Freitag auf 1,4 bzw. 1,3 Prozent Anstieg gesenkt. Die Arbeitsmarkt-Erholung endet, die Inflation bleibt niedrig. Brexit und Handelsthemen sind die größten Abwärtsrisiken.

"In gewisser Weise leben wir noch vom Restalkohol der Konjunkturparty 2017/18", meinte der Leiter des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, bei der Prognosepräsentation. Zu erwarten sei freilich "keine vollständige Ernüchterung", also keine Rezession - es gebe aber auch "noch keine Aussicht auf eine neue Party", so Kocher. "Herbst ist es geworden - und insofern müssen wir uns etwas wärmer anziehen", meinte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt.

Im Laufe des kommenden Jahres sollte sich die Konjunktur schrittweise erholen. Dass im gesamten kommenden Jahr das Wachstum nicht höher ausfallen wird, hängt damit zusammen, dass der statistische "Überhang" aus dem Vorjahr 2020 geringer sein wird als 2019. Heuer im vierten Quartal und eventuell auch Anfang 2020 werde das Quartalswachstum besonders niedrig sein, sagte Badelt in einem Pressegespräch.

Allerdings ist laut IHS gegenüber der Juni-Prognose nun für 2020 "ein etwas ungünstigeres internationales Konjunkturbild" zu erwarten, "insbesondere für den Euroraum". 2018 ist die Wirtschaft laut VGR-Daten der Statistik Austria real nur 2,4 Prozent gewachsen und nicht wie lange gedacht um 2,7 Prozent.

Heuer im Frühjahr hat sich die Konjunktur international und auch in Österreich abgekühlt, vor allem die heimischen Exporte verloren beträchtlich an Dynamik, während der Privatkonsum weiter stabil expandierte, so das Wifo. Fürs zweite Halbjahr sind die Aussichten nur verhalten, die Einschätzungen der Sachgütererzeuger haben sich laut Wifo-Konjunkturtest deutlich eingetrübt. Der Tiefpunkt der Wirtschaftsentwicklung dürfte gemäß dem internationalen Umfeld Ende 2019 erreicht werden.

Export- und Industriedynamik dürften deutlich abnehmen und die Investitionen merklich verhaltener expandieren. Beide Institute senkten die Außenhandelsprognosen 2019/20, kräftiger das IHS. Dagegen stützt der private Konsum die Konjunktur. Der ungewöhnlich lange Investitionszyklus in Österreich dürfte wegen der schwachen globalen Wirtschaftsdynamik auslaufen. Die Weltwirtschaft expandiere nur noch verhalten, so Kocher, der Welthandel sei erstmals seit 2008/09 absolut geschrumpft.

Am Arbeitsmarkt zeichnet sich bereits eine Trendwende - hin zum Schlechteren - ab: 2020 dürfte die Arbeitslosigkeit wieder geringfügig steigen, nehmen sowohl Wifo als auch IHS an, nachdem die Arbeitslosenquote 2019 trotz eines schwächeren Beschäftigungsaufbaus noch sinkt. Heuer dürfte die Arbeitslosenrate nach Meinung beider Institute von 7,7 Prozent im Vorjahr auf 7,4 Prozent sinken (nach nationaler Definition), kommendes Jahr aber leicht auf 7,5 Prozent steigen.

Die Inflation hat sich Ende 2018 merklich abgeschwächt und dürfte auch im Prognosezeitraum mäßig bleiben. Für 2019 und 2020 erwartet das Wifo 1,6 bzw. 1,7 Prozent Verbraucherpreisanstieg und das IHS lediglich 1,5 Prozent für beide Jahre.

Angesichts dessen halten beide Experten das EZB-Inflationsziel für diskussionswürdig. "Ich habe die Fixierung auf die zwei Prozent nie ganz verstanden", räumte Badelt ein, "denn ökonomisch gilt es eine Deflation zu vermeiden", das sei aber in den letzten Jahren "nie das Problem gewesen". Kocher meinte, es habe zwar 2012 bis 2015 eine Deflationsgefahr in der Eurozone gegeben, darauf habe die EZB mit Zinssenkungen und Bond-Kaufprogramm reagiert, "seit 2016 sehe ich aber nirgends eine Deflationserwartung". Vielleicht biete der Wechsel an der EZB-Spitze Gelegenheit für eine Kursänderung.

Die Regierung muss sich für die geplante nächste Steuerentlastungsreform den Spielraum erst noch schaffen, sind sich die Chefs von Wifo und IHS einig. Durch die jüngsten Parlamentsbeschlüsse vor der Wahl falle nämlich der Budgetüberschuss 2020 geringer aus als bisher gedacht. Zudem verlangten Badelt und Kocher erneut Reformen bei Bildung und Gesundheit - sowie auch Taten zugunsten des Klimaschutzes. In einer Regierung von Türkis und Grün wären die wirtschaftlichen und die ökologischen Aspekte abgedeckt - man müsste sich hier wohl leichter einigen können, argumentierte Badelt.

Eine Tarifreform, wie sie früher angedacht war, "hätte zwei bis drei Milliarden Euro gekostet", rechnete Kocher vor, der hier aber wie Badelt gegen Schuldenmachen plädiert: "Ich sehe keinen Grund, davon abzugehen, ein ausgeglichenes Budget anzustreben." Ein Nulldefizit auf Kosten steigender Steuern wie in Deutschland sieht Kocher kritisch: In Österreich sei die Abgabenquote relativ stabil geblieben, in Deutschland stieg sie jedoch, "so wurden dort die Budgetüberschüsse erkauft".

Kocher sprach sich wie Badelt dafür aus, dass es in Österreich - speziell beim Faktor Arbeit - sehr wohl eine Entlastung geben sollte. Nun sei der mögliche Spielraum für 2020 aber auf 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro laut IHS bzw. auf 1,6 Mrd. Euro laut Wifo gesunken. Denn durch die jüngsten NR-Beschlüsse dürfte der Maastricht-Überschuss 2020 auf 0,4 Prozent des BIP (laut Wifo) oder auf 0,3 Prozent (IHS) sinken; noch im Juni gingen beide Institute von 0,6 bzw. 0,5 Prozent Überschuss für 2020 aus. Das durch Neuwahl und Regierungsbildung "zusätzliche" Jahr 2020 sollte man nun zum Vorbereiten einer Tarifreform 2021 nutzen.

Die größten Abwärtsrisiken für die Konjunkturprognose bleiben der internationale Handelskonflikt und der unsichere Ausgang der Brexit-Verhandlungen, erklärten beide Institute. Das Wifo habe in allen Prognosen lediglich einen "soft Brexit" drinnen. Bei einem "hard Brexit" würde sich in verschiedenen Ländern Europas das Wachstum 2020 um nicht mehr als 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte abschwächen, so der IHS-Chef, in Großbritannien natürlich deutlicher. Aufwärtsrisiken sehen beide Institute kaum - im Gegenteil: "Wächst Deutschland 2020 nicht stärker, werden auch wir das zu spüren bekommen", meinte Kocher.

Die Regierung muss sich für die geplante nächste Steuerentlastungsreform den Spielraum erst noch schaffen. Durch die jüngsten Parlamentsbeschlüsse vor der Wahl falle nämlich der Budgetüberschuss 2020 geringer aus als bisher gedacht, sagten die Chefs von Wifo und IHS. Zudem verlangten sie Reformen bei Bildung und Gesundheit. Auch Taten zugunsten des Klimaschutzes forderten sie ein.

Eine Partei, die sich im Wahlkampf gegen den Klimawandel stark gemacht habe, müsste jetzt eigentlich in die Regierung kommen, wünscht sich der Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), Christoph Badelt. Klimaschutz sei eines der großen Themen, die angegangen werden müssten. Auch wenn hier nichts getan werde, müsse man zahlen, nämlich Strafe. Nötig sei ein umfassendes klimapolitisches Programm, so Badelt bei der Vorlage der neuen Konjunkturprognosen.

In einer Regierung von Türkis und Grün wären die wirtschaftlichen und die ökologischen Aspekte abgedeckt - man müsste sich hier leichter einigen könne, denn bei anderen bestünde vielleicht die Gefahr, dass die Ökologie zu kurz komme, ergänzte er im Ö1-"Mittagsjournal". Bei der Abgabenreform der früheren Regierung habe die ökologische Orientierung gefehlt.

Auf der Einnahmen- und speziell der Ausgabenseite müsse sich die künftige Regierung für eine Steuertarif-Reform größere Spielräume verschaffen, sagte der Wifo-Chef, denn solang die Konjunktur nicht besser sei, würde er "nicht freiwillig in die Defizite gehen". Eine Senkung der Abgabenbelastung wäre schon gut, Geld könne man aber nur einmal ausgeben, so Badelt. Auf der Ausgabenseite sollte man Effizienzsteigerungen heben, das betreffe die Bereiche Gesundheit und Bildung.

Eine Tarifreform, wie sie früher angedacht war, "hätte zwei bis drei Milliarden Euro gekostet", rechnete der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, in dem Pressegespräch vor. Kocher plädierte ebenfalls dafür, dass es schon - insbesondere beim Faktor Arbeit - eine Entlastung geben sollte. Nun sei der Spielraum, der im Jahr 2020 bestanden hätte, aber auf 1,2 bis 1,3 Mrd. Euro nach IHS-Rechnung bzw. auf 1,6 Mrd. Euro aus Sicht des Wifo zusammengeschmolzen. Denn durch die jüngsten NR-Beschlüsse dürfte der Maastricht-Überschuss kommendes Jahr auf 0,4 Prozent des BIP (laut Wifo) oder auf 0,3 Prozent (IHS) sinken; noch im Juni gingen die beiden Institute von 0,6 bzw. 0,5 Prozent Überschuss für 2020 aus.

"Bis vor einigen Monaten war es leichter", meinte denn auch der Wifo-Chef: "Nun muss man ein bis zwei Milliarden substanziell auftreiben." Die seien aber "schwer zu bekommen". Am besten wäre es nach Meinung Badelts, das Jahr 2020 dafür zu nutzen, um 2020 im Budget Spielraum für eine Tarifreform 2021 zu schaffen. Ein Konjunkturprogramm sei aber nicht notwendig.

Die "großem Themen", die die Politik angehen sollte, würden sich aus der Struktur Österreichs und aus der Demografie ergeben, meinte Kocher. Für den IHS-Chef sollte ein Koalitionsvertrag bzw. ein Regierungsprogramm zumindest folgende vier Punkte enthalten: Digitalisierung (in Bezug auf Arbeitskräfte, Innovationen); Bildung/Forschung ("in der Struktur Effizienzen heben"), die Pariser Klimaziele und den demografischen Wandel (Pensionsversicherung, Pflege, Fachkräfte).

Wifo-Chef Badelt verwies ebenfalls auf Bildung und Forschung - und bedauerte, dass diese Themen im Wahlkampf überhaupt nicht vorgekommen seien. Dem Fachkräftemangel müsse man mit Bildungsinvestitionen begegnen. Und es seien auch "Tabus aufzulösen", plädierte der Experte für eine "vernünftige und konsistente Migrationspolitik", bei der gesagt werde, welche Menschen mit welchen Qualifikationen erwünscht seien. Insgesamt erwarte er sich von der neuen Regierung ein umfassendes Programm, das von Klima über Soziales und Pflege bis hin zu den "kernökonomischen Anliegen" reicht. (apa/red)