Branchencheck : Österreichs beste Maschinenbauer

ENGEL AUSTRIA
© Helene Waldner

Einen besonderen Treuebonus. Den hat sich der Autozulieferer ZKW ausverhandelt. Mehr als 60 Spritzgießmaschinen betreibt der Lichtsystemehersteller im Wieselburger Werk. Alle kommen sie vom Hersteller ENGEL AUSTRIA – die Niederösterreicher würden nie zu einer anderen Marke greifen. Im letzten Jahr investierte ZKW in Neumaschinen sogar einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag. Der jüngste Neuzugang: Eine Maschine in der Streuscheibenfertigung. Mit 1700 Tonnen Schließkraft – und holmloser Schließeinheit – ist sie ein echtes Kraftpaket. Doch etwas irritiert das Auge. Es ist die Farbwahl der ENGEL-Maschine. Statt typisch grün ist die Neue weiß-blau. Wolfgang Vlasaty, Technikvorstand bei ZKW, ist auch der Farbexperte im Werk: Umsatzmäßig habe man bei ENGEL eine „entscheidende Größe“ erreicht, erzählt er. Das Werk könne also eine Sonderlackierung einfordern. Vlasaty zögerte keine Sekunde: „Weiß-blau finden wir die Maschine viel schöner“, lacht er. Krisenfest Ob grün, weiß oder rot lackierte Produktionsmaschinen: 2011 fanden sie jedenfalls reißenden Absatz. Das belegt das von „FACTORY“ durchgeführte Ranking der umsatzstärksten 50 Maschinenbauer im Lande eindrucksvoll (alle Ergebnisse des Rankings finden Sie hier). Mehr als 3,5 Milliarden Euro: Soviel erwirtschafteten die 50 Top-Maschinenbauer zusammen, ohne es an die große Glocke zu hängen. Nur sechs Unternehmen mussten 2011 eine Umsatzschlappe hinnehmen. Hier gehts weiter

Eine Erkenntnis: Speziell Oberösterreich ist ein richtiger guter Boden für Top-Maschinenbauprodukte. Gleich zehn Betriebe ob der Enns schafften es in die Top­-20. Die HTL Steyr sei eine „großartige Kaderschmiede für Maschinenbauer“, gibt es in der Branche Lob. Am stärksten gewachsen ist der Welser Hersteller von Schneid- und Gravierlasermaschinen TROTEC. Sein Umsatz wuchs um fantastische 87 Prozent auf 39,2 Millionen Euro – Platz 26. Unangefochten an der Spitze des Rankings: Der Schwertberger Spritzgießmaschinenbauer ENGEL AUSTRIA. „Ein hervorragendes Unternehmen – und absolut krisenfest“, so der Branchentenor. Umsatzchampion 2011 explodierte der Umsatz von ENGEL auf 834 Millionen Euro (2010: 616,5). Ein Plus von über 30 Prozent – ebenfalls Spitze. „Wir sind an den Megatrends in den Kunststoffmärkten dran“, begründet CEO Peter Neumann den Positivlauf. Ein Trend ist – vielleicht noch stärker als im Zerspanungsbereich – das Kapitel Energieeffizienz. Mit seiner Energiesparoption („Ecodrive“) baute Engel speziell bei holmlosen und Zwei-Platten-Maschinen kräftig den Umsatz aus.Starlinger & Co, auf dem ausgezeichneten Rang Zwei der umsatzstärksten Maschinenbauunternehmen, ist mit 170 Millionen Euro Jahresumsatz auch kein Winzling. Klar der größte Umsatzbringer im Familienbetrieb: Konfektionsanlagen für die Sackerzeugung. Speziell in Asien verkaufen sich die Maschinen heute wie geschnitten Brot. Das war nicht immer so. Nach guten Geschäften in den Achtzigern und Neunzigern ließ der Betrieb das Asien-Geschäft schleifen – „in anderen Märkten erzielten wir einfach die klar besseren Preise", begründet Starlinger-Chefin Angelika Huemer. Mit dem eigenen China-Werk für die Produktion von Webmaschinen änderte sich 2006 urplötzlich die Strategie. Die 49-jährige Firmenlenkerin sicherte sich so ein Ticket für die begehrten Ostmärkte. Nach dem Einbruch 2009 „sind wir in der Region wieder voll auf Kurs“, erzählt sie.Durchstarten konnte im Vorjahr auch der Biegemaschinenhersteller TRUMPF Maschinen Austria (Rang Drei). Die Paschinger sicherten sich nicht nur den von FACTORY, Industriemagazin und Fraunhofer Austria verliehenen Titel „Fabrik 2011“. Der Umsatz kletterte von 134 (2010) auf erstaunliche 161 Millionen Euro. Mitgrund, warum das Top-Gerät des Maschinenbauers hervorragend ging: Im Aufschwung musste alles schnell gehen. Auch die Lieferung der Neumaschinen. Das Produktionssystem der Paschinger konnte sich hier beweisen. TRUMPF Maschinen Austria-Chef Alfred Hutterer: „In 17 Tagen bauen wir jede Maschine, die das Herz begehrt“. An der Nulllinie Und doch könnte Maschinenbauern – zumindest glauben das Konjunkturexperten – Unbill drohen. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) warnte schon vor Monaten: Die Wirtschaft müsse heuer „auf den Maschinenbau als Wachstumslok verzichten“. Jetzt orten auch heimische Experten deutliche Anzeichen für eine Abschwächung. FACTORY durfte Mitte Juni einen exklusiven Blick in den Branchenausblick des Fachverbands Maschinen und Metallwaren FMMI werfen. Dem Schriftstück fehlt für die nächsten Monate fast jeglicher Optimismus: Nach einer langen Wachstumsphase seien die Aussichten im Maschinenbau „nur noch neutral“, erläutert FMMI-Autor Martin Baminger. Frohlockte man zuletzt über ein „Ende der Minikrise“, sind die positiven Aussichten im WIFO-Konjunkturtest wie weggewischt: „Es werden keine weiteren Zuwächse mehr in der Branche vorhergesehen“, weiß Baminger. FACTORY wollte es genauer wissen: Wie schätzen Österreichs Top-Maschinenbauer – die zuletzt fast allesamt Personal einstellten – die Lage ein? Ein erstes Fazit: Selbst für 2012 herrscht (vorsichtiger) Optimismus vor. Hier gehts weiter

Die Auftragslage sei „nach wie vor solide“, meint Christian Knill. Er leitet gemeinsam mit seinem Bruder Georg die steirische Knill Gruppe und ist seit Mai Obmann des FMMI. Mit Rosendahl, einem Betrieb zur Produktion von Batterie- und Kabelherstellungsmaschinen, ist Knill selber prominent in der Top 50-Reihung vertreten (Rang 21). Auch andere Maschinenbauer würden „nicht klagen“, beobachtet Knill. Aber spätestens nach einer Viertelstunde höre man aus vielen Gesprächen auch „die Unsicherheit heraus“, räumt er ein. „Die Preisverhandlungen mit Kunden ziehen sich wieder hin“, berichtet Knill. Die dynamische Entwicklung hat „ein Ablaufdatum“, glaubt man beim FMMI. Immerhin: Die Branche hat nicht mit einem plötzlichen Nachfrageeinbruch zu kämpfen. „Wir durchleben die Abschwächung eines normalen Konjunkturzyklus“, meint Christian Knill. Exportwunder Alfred Hutterer, der Chef von TRUMPF Maschinen Austria, will den Teufel nicht an die Wand malen. Er beobachtet aktuell eine größere Nachfrage nach stärker automatisierten Großmaschinen bis 300 Tonnen Presskraft. Die Entwicklungen auf den Weltmärkten verfolgt er aber mit wachsamen Augen. „Die Unsicherheit kommt wieder aus dem Euro“, registriert er mit Sorge. Was ihn derzeit aber (noch) positiv stimmt: Aufträge in Serie aus den USA. Dort hätten die Autobauer wieder „eine bessere Werksauslastung“. Auch andere – stark exportorientierte – Maschinenbauer jammern nicht. Einen „Stillstand“ verzeichne der Maschinenbauer Starlinger „zwar in den arabischen Staaten“, räumt Managerin Angelika Huemer ein. Dafür ziehe nun aber auch das Segment Recyclingmaschinen an. Für die Olympischen Sommerspiele in London baute Starlinger die bisher größte PET-Recyclingmaschine – ein Renommierprojekt, das über die Landesgrenzen strahlt. Ein Glücksfall: Speziell in Europa will der Betrieb stärker Kasse machen. Wie andere auch. Der Fachverband FMMI sah sich die Exportentwicklung des Maschinenbaus für die Jahre 2000 bis 2012 an. Das eindrucksvolle Ergebnis: Im Sog des deutschen Maschinenbauwunders sei der heimische Export „stark gewachsen“. Die Exporte wuchsen mit 75 Prozent noch stärker – und auch schneller – als die des großen Nachbarn (67 Prozent). Die eigentlichen Exportweltmeister sind somit die heimischen Maschinenbauer. 2011 lagen die Maschinenbauexporte bei 26,3 Milliarden Euro – ein echter Spitzenwert. Das FACTORY-Ranking bestätigt den Trend. Im Schnitt kommen die 20 größten Maschinenbauer im Lande auf eine sensationelle Exportquote von 91,5 Prozent! Mitarbeiterplus Was den heimischen Herstellern zugute kommt: China rangiert unter den wichtigsten Exportmärkten nur auf Rang Sechs. Von der Hektik deutscher Maschinenbauer, jetzt mit Sack und Pack in den Osten gehen zu müssen, „sind wir also weit entfernt“, meint ein Maschinenbauer. Für die Deutschen ist China der größte Exportmarkt – Hersteller wie DMG oder Chiron tingeln durch die chinesische Provinz. Top-Maschinenbauer in Österreich rechnen sich dagegen in alten Märkten neue Geschäftschancen aus. Etwa der Transferzentrenhersteller Anger Machining. Der Betrieb – im Top-50-Ranking an großartiger 32. Stelle – hat bei der US-Autoallianz Fiat-Chrysler einen Fuß in der Tür. Mit weniger stark automatisierten Maschinen wollen die Trauner deshalb bald für Furore sorgen. Knapp zehn Millionen Euro – gut ein Viertel der Betriebsleistung – erwirtschaftet der Betrieb bereits in den Staaten. In drei Jahren soll das US-Geschäft auf ein Drittel anschwellen. „Daran arbeiten wir mit Hochdruck“, so Anger-Chef Klaus Dirnberger.Breite Brust auch in Restösterreich Die Hausmesse des Halleiner Drehmaschinenherstellers EMCO (Rang 6) wurde von Kunden zuletzt regelrecht gestürmt – über 600 Besucher begrüßte Geschäftsführer Stefan Hansch, ohne das Krisengespenst verjagen zu müssen. Auch beim Sondermaschinenbauer Fill laufen die Geschäfte gut. Erstmals in der Unternehmensgeschichte arbeiten beim Betrieb in Gurten mehr als 500 Mitarbeiter. Die Statistik bestätigt (noch) den positiven Trend: Mit 70,893 Beschäftigten stieg der Beschäftigtenstand im Februar gegenüber 2011 „um satte acht Prozent“, rechnet der FMMI vor. Von Pessimismus also keine Spur. Solange die einzige Sorge der Sonderlackierung gilt. Daniel Pohselt