Rechtstipp : Neuerungen im Arbeitszeitrecht – der 12-Stunden-Tag

Nach dem Grundkonzept des AZG stellt jede über die tägliche bzw. wöchentliche Normalarbeitszeit hinausgehende Arbeitsleistung grundsätzlich Überstundenarbeit dar, die mit entsprechenden Zuschlägen abzugelten ist. Schon bisher regelte das AZG verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle, die (zuschlagsfreie) längere Arbeitszeiten ermöglichen. Dazu zählen etwa Durchrechnungsmodelle, Gleitzeitvereinbarungen oder die 4-Tage-Woche, bei denen Arbeitszeiten von bis zu 10 Stunden täglich und mehr als 40 Stunden pro Woche zulässig sind, sofern im Durchschnitt die wöchentliche Normalarbeitszeit nicht überschritten wird.

Bislang waren Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden täglich aber nur in gesetzlich definierten Ausnahmefällen zulässig, was Arbeitgeber in der Praxis oft vor Probleme gestellt hat. Selbst wenn Arbeitnehmer freiwillig länger arbeiten wollten, drohten bei Überschreitung der Arbeitszeithöchstgrenzen empfindliche Verwaltungsstrafen.

Die Neuregelung führt zunächst zu einer Entkriminalisierung durch eine generelle Anhebung der zulässigen Höchstgrenzen der Arbeitszeit auf täglich 12 und wöchentlich 60 Stunden. Arbeitgeber riskieren daher keine Verwaltungsstrafen mehr, sollte – freiwillig oder auf Anordnung – längeres Arbeiten notwendig sein. Einer besonderen Begründung für den 12-Stunden-Tag bedarf es nicht. Wöchentlich dürfen jedoch nicht mehr als 20 Überstunden geleistet werden; außerdem darf selbst bei Vorliegen eines erhöhten Arbeitsbedarfs innerhalb eines Durchrechnungszeitraumes von 17 Wochen die durchschnittliche Wochenarbeitszeit 48 Stunden nicht überschreiten.

Gemäß § 7 Abs 6 AZG steht es Arbeitnehmern aber frei, Überstunden ohne Angabe von Gründen abzulehnen, wenn durch diese Überstunden die Tagesarbeitszeit von 10 Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten wird. Arbeitnehmer dürfen wegen einer Ablehnung nicht benachteiligt werden und können für solche Überstunden selbst bestimmen, ob die Abgeltung finanziell oder durch Zeitausgleich erfolgen soll.

Eine positive Flexibilisierung bringt auch die Anhebung der täglichen Arbeitszeitgrenze bei Gleitzeitmodellen von bislang 10 auf 12 Stunden. Nach der Neuregelung des § 4b AZG ist eine Verlängerung der täglichen Normalarbeitszeit bei Gleitzeit auf 12 Stunden aber nur dann zulässig, wenn die Gleitzeitvereinbarung vorsieht, dass ein Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Angeordnete Arbeitsstunden, die über die Normalarbeitszeit von 8 Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich hinausgehen, gelten jedenfalls als Überstunden. Somit ist auch bei Gleitzeitmodellen – allen Unkenrufen zum Trotz – gesetzlich sichergestellt, dass ein (zuschlagsfreies) Arbeiten an 12 Stunden pro Tag aus- schließlich bei selbstbestimmter Einteilung durch den Arbeitnehmer zulässig ist.

Vom Geltungsbereich des AZG ausgenommen sind nunmehr auch Familienangehörige sowie leitende Angestellte oder sonstige Arbeitnehmer, „denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist“. Voraussetzung ist jedoch, dass deren gesamte Arbeitszeit aufgrund der besonderen Merkmale der Tätigkeit entweder nicht gemessen oder im Voraus festgelegt wird, oder von diesen Arbeitnehmern hinsichtlich Lage und Dauer selbst festgelegt werden kann.

Mag. Oliver Walther ist Rechtsanwalt und Partner bei Preslmayr Rechtsanwälte. Er ist Experte im Arbeitsrecht.

Ausnahmen von der im Arbeitsruhegesetz (ARG) geregelten Wochenend- und Feiertagsruhe waren bislang – neben den im Gesetz geregelten außergewöhnlichen Fällen (wie etwa einer gravierenden Betriebsstörung) – nur aufgrund von Verordnungen oder Kollektivverträgen möglich und hatten daher in der Praxis eine sehr lange Vorlaufzeit.

War die Wochenendarbeit weder nach der Arbeitsruhegesetz-Verordnung noch nach dem anwendbaren Kollektivvertrag erlaubt, hatten Betriebe kaum eine Möglichkeit, einen erhöhten Arbeitsbedarf kurzfristig abzufedern.

Um Betrieben eine rasche Reaktion auf einen vorübergehend auftretenden Arbeitsbedarf zu ermöglichen, können nach dem am 1.9.2018 in Kraft getretenen § 12b ARG in Zukunft Ausnahmen von der Wochenend- und Feiertagsruhe auch durch Betriebsvereinbarung zugelassen werden, jedoch maximal an vier Wochenenden oder Feiertagen pro Arbeitnehmer und Jahr. Außerdem kann eine Ausnahme von der Wochenendruhe nicht an vier aufeinander folgenden Wochen- enden erfolgen. In Betrieben ohne Betriebsrat sind schriftliche Einzelvereinbarungen möglich, jedoch können Arbeitnehmer solche Wochenend- und Feiertagsarbeit ohne Angabe von Gründen ablehnen. Sie dürfen deshalb auch nicht benachteiligt werden. Werden Arbeitnehmer gekündigt, weil sie Arbeit an Wochenenden oder Feiertagen ablehnen, können sie die Kündigung gerichtlich anfechten.